Recht

Entwicklungspolitische Kontinuität durch neues Gesetz

Der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, hat angekündigt, ein Investitionsgesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent auf den Weg zu bringen. Es wäre aber sinnvoll, so wie es in vielen anderen Ländern der Fall ist, darüber hinaus auch ein Gesetz für die gesamte Entwicklungspolitik zu haben. Es könnte in politisch unruhigen Zeiten für Kontinuität sorgen.
Brasilianisch-deutsche Zusammenarbeit: Eine mit Mitteln der KfW Entwicklungsbank geförderte Windkraftanlage in Brasilien. KfW-Bildarchiv/photothek.net Brasilianisch-deutsche Zusammenarbeit: Eine mit Mitteln der KfW Entwicklungsbank geförderte Windkraftanlage in Brasilien.

Ein Investitionsgesetz ist ohne Zweifel eine gute Idee: Die Unterstützung für deutsche Unternehmen, die sich auf den afrikanischen Märkten engagieren wollen, auf eine gesetzliche Basis und damit auf eine verlässliche Grundlage zu stellen, könnte ein bedeutsamer Beitrag zu einer ver­stärkten Wirtschaftskooperation zwischen Deutschland und den afrikanischen Partnern sein. Für andere Bereiche der Entwicklungspolitik gibt es aber keine gesetzliche Regelung.

In den meisten Geberländern ist das anders. Sie haben für ihre Kooperation mit den Regierungen des globalen Südens eine parlamentsgesetzliche Grundlage geschaffen und in den entsprechenden Rechtsvorschriften durchaus wichtige Dinge geregelt: So enthält beispielsweise das Gesetz über die Belgische Entwicklungszusammenarbeit eine inhaltliche Festlegung des Politikfeldes auf die UN-Entwicklungsziele, einschließlich des Ziels, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (official development assistance – ODA) zu leisten. Auch die Briten nehmen in ihrem International Development (Official Development Assistance Target) Act auf das 0,7-Prozent-Ziel Bezug; die Franzosen haben eine entsprechende Regelung in den Annex zum Gesetz über die Ausrichtung und Programmgestaltung der Entwicklungspolitik und der internationalen Solidarität integriert. Auch Österreich und die Schweiz haben Gesetze, die zentrale Forderungen der Aid-Effectiveness-Agenda aufgreifen wie die Grundsätze, dass Entwicklungsländer selbst über ihre Politik entscheiden dürfen (ownership) und die Geber ihre Institutionen und Verfahren denen der Partnerländer anpassen (alignment) sollen.


Politik-Kohärenz sichergestellt

Angesichts der Tatsache, dass die Sustainable Development Goals (SDGs) ressort­übergreifende Lösungsansätze erfordern, haben eine Reihe von Ländern außerdem Regelungen erlassen, die die Kohärenz der verschiedenen relevanten Politikbereiche mit der Entwicklungspolitik sicherstellen sollen. In der Regel werden zudem bestimmte Vorgaben für die humanitäre Hilfe, die multilaterale Zusammenarbeit und für die Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen gemacht. In institutioneller Hinsicht ist interessant, dass mehrere Geberländer (etwa Dänemark, Italien, die Schweiz und Frankreich) dem für die Entwicklungspolitik zuständigen Ministerium ein Beratungsorgan zur Seite stellen, in dem unterschiedliche entwicklungspolitische Akteure versammelt sind. Nicht zuletzt listen auch nahezu alle Gesetze unserer europäischen Nachbarn die inhaltlichen Bereiche auf, in denen sich die Regierung entwicklungspolitisch besonders engagieren soll (die Schwerpunkte liegen zumeist in den Bereichen Armutsbekämpfung, Wirtschaftsentwicklung, Nachhaltigkeitspolitik, Friedenssicherung, Demokratie- und Rechtsstaatsförderung).

Viele dieser Themen sind zwar durchaus auch Gegenstand von Regelungen, die für die deutsche Entwicklungspolitik gelten. So hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit den Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit eine sektorübergreifend geltende Verwaltungsvorschrift veröffentlicht, die – gemeinsam mit den Positions- und Strategiepapieren zu den einzelnen Themenfeldern – wichtige Orientierungsmaßstäbe für die beteiligten Akteure bietet. Dabei handelt es sich jedoch um bloßes Verwaltungsinnenrecht, um politische Leitlinien oder Absichtserklärungen. Ihr Verbindlichkeitsgrad ist daher gering. Deutlich mehr rechtliches und politisches Gewicht würden die inhaltlichen Grundprinzipien der deutschen Entwicklungspolitik erhalten, wenn sie in einem „Gesetz über die Entwicklungszusammenarbeit“ verankert und auf diese Weise mit einer stärkeren Legitimation ausgestattet würden. Der Vorschlag ist nicht neu, eine entsprechende Gesetzesinitiative aus den 1990er Jahren ist jedoch leider nicht weiterverfolgt worden.


Warum brauchen wir ein „Gesetz über die Entwicklungszusammenarbeit“?

Nun kann man sich natürlich fragen, ob es tatsächlich eines Gesetzes bedarf, wenn doch die deutsche Entwicklungspolitik bislang ganz gut ohne ein solches ausgekommen ist. Nimmt man die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zum Maßstab, gehört Deutschland nicht zu den Geberländern, die eine gesetzliche Motivation zur Aufrechterhaltung ihres globalen Engagements benötigen. Die deutsche ODA ist in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker ausgebaut und auch in qualitativer Hinsicht weiterentwickelt worden – auch wenn es natürlich manches zu verbessern gibt (in den jährlichen Berichten von terre des hommes und der Welthungerhilfe zur „Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik“ werden einige der wichtigsten „Baustellen“ aufgezeigt).

Und es ist ja auch keineswegs so, dass die deutsche Entwicklungsverwaltung im gänzlich rechtsfreien Raum agieren würde. Nicht nur ist sie über den (als Parlamentsgesetz verabschiedeten) jährlichen Bundeshaushalt und die bereits genannten Verwaltungsvorschriften, sondern vor allem über das internationale Recht an bestimmte inhaltliche Vorgaben und Schwerpunktsetzungen gebunden. Rechtsverbindliche völkerrechtliche Verträge – wie etwa die globalen Menschenrechtsabkommen, die über ihre extraterritoriale Dimension auch für die Entwicklungspolitik wichtige Maßstäbe liefern – sind hier ebenso relevant wie die vielen auf Soft-Law-Ebene eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, angefangen von Grundsätzen der globalen High-level Foren für Aid Effectiveness in Paris (2005), Accra (2008), Busan (2011) and Nairobi (2016) über die Zusagen im Rahmen der Financing for Development-Konferenzen bis hin zu den Zielsetzungen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.

Dennoch gibt es gute Gründe, dem Beispiel der anderen Gebernationen zu folgen. So wird man sich etwa fragen müssen, ob mit Blick auf die Grundrechtsrelevanz zahlreicher aus dem Entwicklungsetat finanzierter Vorhaben (vor allem Förderprogramme zugunsten bestimmter Bevölkerungsgruppen müssen unter anderem den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügen) eine parlamentsgesetzliche Grundlage nicht bereits verfassungsrechtlich gefordert wäre. Doch auch wenn man diese juristischen Erwägungen einmal beiseite lässt, dann gibt es zwei weitere Argumente: So darf nicht übersehen werden, dass auch Deutschland von seinen Partnerländern im Rahmen der Entwicklungskooperation ein Tätigwerden der Parlamente erwartet. Der sogenannte menschenrechtsbasierte Ansatz, der bei der Umsetzung der Kooperationsprojekte einzuhalten ist, verlangt auch eine gesetzliche Absicherung der politischen Programme, die zur Implementierung der jeweiligen Menschenrechte verabschiedet werden.

Das zweite Argument ist primär innenpolitischer Natur, deswegen aber nicht weniger bedeutsam: Es ist angesichts des Zulaufs, den Parteien am rechten Rand finden, durchaus vorstellbar, dass zukünftig einmal eine Bundesregierung ins Amt kommen könnte, die die Mittel für die Entwicklungspolitik drastisch kürzen oder gänzlich andere Prioritäten in den außen- und entwicklungspolitischen Zielsetzungen verfolgen will. Natürlich wäre auch ein Gesetz, das jederzeit wieder geändert werden kann, nicht in der Lage, dies zu verhindern. Dennoch würde es Gegnern der Entwicklungspolitik nicht ganz so leicht fallen, einen derartigen Kurswechsel einzuleiten, wenn sie hierzu erst einmal die Hürden eines Gesetzgebungsverfahrens nehmen müssten. Den im demokratischen Spektrum eher der „Mitte“ zuzuordnenden Parteien sollte daher bewusst sein, dass sie mit einem Gesetz auch bessere Voraussetzungen für entwicklungspolitische Kontinuität in politisch instabilen Zeiten schaffen könnten.


Markus Kaltenborn ist Professor für Öffentliches Recht und Direktor des Instituts für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik (IEE) der Ruhr-Universität Bochum.
markus.kaltenborn@rub.de

Reinhard Hermle ist stellvertretender Vorsitzender des Vorstands von Oxfam Deutschland und ehemaliger Vorsitzender des Verbands Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO).
reinhard.hermle@t-online.de


Link
Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit:
http://www.bmz.de/de/mediathek/publikationen/archiv/reihen/strategiepapiere/konzept165.pdf
 

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