Nachhaltigkeit

Konsequenzen der Konferenzen

Ob große internationale Gipfel wirklich etwas bewirken, ist zunehmend umstritten. In China wächst aber auch dank ihnen das Interesse an „Green Growth“. Daraus entstehen Chancen für bilaterale Zusammenarbeit – und für die deutsche Wirtschaft.
Pekings Bevölkerung leidet unter Smog. picture-alliance/dpa Pekings Bevölkerung leidet unter Smog.

China gilt in Europa bezüglich bindender Abkommen zur Reduzierung von Treibhausgasen als reservierter Verhandlungspartner. Es stimmt auch, dass sich die Volksrepublik auf internationaler Ebene nicht zu Emissionsreduktionen verpflichten will, obwohl der Anteil Chinas am weltweiten CO2 Ausstoß stetig steigt. Er beläuft sich nach den neuesten Zahlen auf 28 Prozent.

Andererseits hat sich China bei der Energieeffizienz und bei der Förderung regenerativer Energien ehrgeizige Ziele gesetzt. Das Ausbauziel für Solarenergie für das Jahr 2020 wurde bereits fünfmal angehoben. Bei der Windenenergie sind ebenfalls rasante Entwicklungen im Gange. Der aktuelle Fünfjahresplan (2011 bis 2015), die Dokumente des Parteikongresses vom November und das aktuelle Weißbuch Energiepolitik der Regierung sprechen diesbezüglich eine klare Sprache. China unternimmt auch im Bereich Forschung und Entwicklung erhebliche Anstrengungen.

Das wachsende Umweltbewusstsein äußert sich zudem in Delegationsstärken bei UN-Gipfeltreffen. Als bei Rio+20 im Sommer Bilanz des großen Erdgipfels von Rio de Janeiro 1992 gezogen wurde, waren 30 zivilgesellschaftliche Organisationen aus China präsent, die zahlreiche Aktivitäten organisierten, und eigene Berichte vorstellten. Zehn Jahre vorher in Johannesburg waren 12 chinesische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit dabei, beim ersten Gipfeltreffen in Rio de Janeiro im Jahr 1992 keine einzige.

Solches zivilgesellschaftliche Engagement ist durchaus ernst zu nehmen. Obwohl NGOs in China weiter manchen politischen Beschränkungen ausgesetzt sind, nutzen sie die Freiräume, die das Regime zulässt (siehe Peter Patze in E+Z/D+C 2012/09, S. 336). Das tut es besonders, wenn es erkennt, dass ihm die Aktivität unabhängiger Organisationen zumindest mittelbar hilft. Das ist beim Umweltschutz überwiegend der Fall – und unabhängige Organisationen äußern sich diesbezüglich auch oft kritischer, als Beamte das tun. 

Chinesische NGOs schätzen auch laut Zhang Yangyong, der an einer Forschungskooperation der Universität Xiamen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung beteiligt ist, den Sinn von Rio+20 mit mehr Skepsis ein als die überwiegend bei staatlichen Stellen beschäftigten Wissenschaftler. Generell äußern sich chinesische Fachleute nach den Ergebnissen einer Umfrage unter Experten diesbezüglich aber positiver als ihre Kollegen aus dem Westen.

 

Große Alltagssorgen

Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass das Thema Umwelt in China noch relativ jung ist, aber als sehr dringlich wahrgenommen wird. Das Land hat riesige Umweltprobleme, wie beispielsweise im Januar die internationale Medienberichterstattung über Smog in Peking wieder deutlich machte. Experimentelle grüne Projekte gibt es in China zwar mittlerweile an vielen Orten, vielfach bleibt es aber auch beim Business as usual.

Nicht zuletzt dank zivilgesellschaftlichem Engagement ändert sich aber das Bewusstsein der Bevölkerung. Ob und wie sich dies auf praktisches Umweltverhalten auswirkt, ist derzeit Gegenstand sozialwissenschaftlicher Studien. Hong Dayong, Soziologieprofessor an Pekings Renmin Universität hat Ergebnisse des Chinese General Social Survey (2010) ausgewertet, wonach Umweltschutz inzwischen an fünfter Stelle bei den Alltagssorgen der Chinesen steht.

Wissenschaftler bekommen auch Unterstützung von engagierten NGOs: Die Organisation Green Beagle hat über 3000 Haushalte zum klimafreundlichen Verhalten befragt. Das Ergebnis war jedoch eher ernüchternd – je höher das Einkommen, desto größer ist zwar die Umweltbildung, der Lebensstil aber weniger klimafreundlich. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen jedoch auch Sozialwissenschaftler in anderen Ländern.

Verzichtsappelle sind im mancherorts noch armen Wachstumsland China unüblich. Das Interesse von Regierung und Bürgern an Green Growth („grünes Wachstum“), einem zentralen Thema von Rio+20, ist aber echt. Deshalb veranstaltete die Universität Xiamen mit deutschen Partnern (dem Bundesumweltministerium, dem Wirtschaftsministerium von Rheinland-Pfalz, dem Konsulat von Guangzhou und der Konrad-Adenauer-Stiftung) im Dezember zwei Konferenzen, um die Diskussionen des Weltgipfels fortzuführen. Eine beschäftigte sich mit Ressourcenschutz und die andere mit Kreislaufwirtschaft und Abfallpolitik.

 

Abfall in der „low carbon city“

Xiamen ist eine Drei-Millionen Küstenstadt, liegt Taiwan gegenüber und war eine der ersten Sonderwirtschaftszonen. Sie gehört zu Chinas acht „low carbon cities“, die unter anderem  Modellprojekte in den Bereichen industrielle Produktion, Bauen und Verkehr durchführen. Das reicht aber nicht. Bisher war das Thema Abfall nicht Teil der Low-carbon-Strategie Xiamens. Die Stadt hat erst kürzlich in Müllverbrennungsanlagen und Deponien investiert und steht beim Thema Recycling noch am Anfang. Mittlerweile prägen zwar viele doppelte Mülleimer das Straßenbild, das Trennsystem wird aber kaum genutzt. Ein Berater einer deutschen Firma bedauert zudem, dass die bereits getätigten Investitionen in Müllbeseitigung kaum dazu beitragen, das Interesse an Wiederverwertung zu steigern.

Dennoch sieht Gottfried Jung von der Landesregierung Rheinland-Pfalz, die eine Partnerschaft mit Xiamens Provinz Fujian unterhält,   gute Chancen, deutsche Technologien der Kreislaufwirtschaft zur Anwendung zu bringen. Auch Patrick Schröder äußert sich optimistisch. Er arbeitet im Auftrag von CIM (Centrum für Internationale Entwicklung – einer gemeinsamen Einrichtung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, und der Bundesanstalt für Arbeit) für die Chinese Association of NGO Cooperation (CANGO). Er hält die Kombination von regierungsamtlichen Top-down Policies und zivilgesellschaftlichem Engagement von unten für vielversprechend. Sie schaffe eine wichtige Voraussetzung dafür, dass China ehrgeizige Klimaziele erreicht.

Unter besonderem Handlungsdruck steht die 13-Millionen-Stadt Guangzhou, Hauptstadt der Provinz Guangdong im Perlflussdelta. Guangdong hat in absoluten Zahlen die höchsten CO2-Emissionen aller Provinzen (500 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr). Die nationale Regierung, fordert, dass der Ausstoß bis 2015 um 19,5 Prozent und bis 2020 sogar um 45 Prozent unter das Niveau von 2005 fällt. Dafür ist internationale Kooperation nötig, sagte ein Sprecher des Stadtoberhaupts im Dezember in Xiamen.

Zhijia Zhou, der in Bielefeld promoviert hat und heute in Xiamen Soziologie lehrt, meint, es sei schwer abzuschätzen, wie viele Brücken interdisziplinäre Konferenzen für die Praxis schlagen können. Es bestehe aber kein Zweifel daran, dass deutsche Vorbilder gründlich geprüft und auf ihre Relevanz für die Volksrepublik untersucht würden.

 

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