Kommentar

Bedrohte Pressefreiheit

Äthiopiens Entwicklung hat in vielen Bereichen große Fortschritte gemacht. Doch während westliche Geberländer zu den Erfolgen applaudieren, unterdrückt der Staat seine Bürger.
Zeitungsverkäufer in Harar. Crispin Hughes/Lineair Zeitungsverkäufer in Harar.

Das Regierungsbündnis EPRDF und die regionalen Regierungsparteien haben das wirtschaftliche, politische und soziale Leben in Äthiopien fest in der Hand. Regelmäßig werden Journalisten und Oppositionspolitiker anhand repressiver Gesetze verurteilt, friedliche Proteste brutal niedergeschlagen und Andersdenkende in Haft gefoltert.

2009 hat die Regierung ein Gesetz verabschiedet, das die Arbeit von nichtstaat­lichen Organisationen mit Bezug auf Themen wie gute Regierungsführung und Menschenrechte fast unmöglich macht. Von unabhängiger Zivilgesellschaft kann immer weniger die Rede sein.  Sogar die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung musste ihr Büro in Äthiopien 2012 schließen: Es war unmöglich geworden, Ziele wie Demokratisierung, Gleichberechtigung der Geschlechter und nachhaltige Entwicklung aktiv zu verfolgen.

Unabhängige Informationen und Analysen sind kaum zu bekommen. Auch offene Diskussion über Themen, die alle Äthiopier etwas angehen – wie der Missbrauch des Antiterrorgesetzes oder die Unterdrückung unabhängiger Organisationen – ist rar. Das ist besonders vor dem Hintergrund der für Mai geplanten Wahlen besorgniserregend. Mehrere Oppositionsparteien drohen bereits mit Boykott. Als Gründe nennen sie fehlenden politischen Spielraum, Belästigung ihrer Mitglieder durch den Staat und die Unterdrückung unabhängiger Gruppen. Zudem stehe der Ausgang der Wahl bereits fest. 2010 hat das Regierungsbündnis alle bis auf zwei von 547 Parlamentssitzen gewonnen.

Die Machthaber in Addis Abeba haben abweichende Meinungen noch nie zugelassen. In den vergangenen Jahren hat sich die Situation jedoch weiter verschlechtert.

Allein 2014 mussten sechs private Medien aufgrund von Regierungsschikane zumachen. Mindestens 22 Journalisten und Blogger wurden kraft des Strafrechts und des Antiterrorgesetzes angeklagt, rund 30 weitere flohen außer Landes. Die wenigen internationalen Sender, die wie die Deutsche Welle Programme für Äthiopien ausstrahlen, sind sehr wichtig.

Die Regierung hat es vor allem auf konventionelle Medien abgesehen, nimmt aber zunehmend auch neue Technologien und Social Media ins Visier. In Äthiopien wächst eine neue, politisch engagierte Generation heran, die ihre Debatten im Internet führt und die Demokratisierung ihres Landes dort vorantreibt.

Die Blogger von „Zone 9“ stehen für diese Generation. Sie schreiben über aktuelle Themen, die junge Äthiopier interessieren. Im April wurden sieben Mitglieder der Gruppe für ihre Beiträge unter dem Antiterrorgesetz angeklagt. Sie sitzen nun seit vielen Monaten im Gefängnis. Es heißt, sie seien gefoltert worden. Die Chancen auf ein faires Verfahren für die Zone-9-Blogger sind äußerst gering.

Äthiopien hat eine starke Partnerschaft mit zahlreichen westlichen Geberländern. Diese sehen die Armutsbekämpfung in Äthiopien zu Recht als Priorität an und loben das Land für seinen wirtschaftlichen Aufschwung und seine stabilisierende Rolle in der Region. Diese Faktoren dürfen jedoch nicht losgelöst von der Menschenrechtslage und den politischen Folgen der zunehmenden Repression betrachtet werden.

Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) ist wesentlich wirksamer, wenn Bürger ihre Meinung sagen und Politik mitgestalten dürfen oder sogar ausdrücklich dazu eingeladen werden. Regierungen, die abweichende Ansichten mit Hilfe von Repressalien unterdrücken, befördern letztlich oft extremistische Tendenzen, anstatt sie zu verhindern.

Die Geberländer sollten repressive Praktiken in Ländern wie Äthiopien stärker anprangern. Konkret sollte beispielsweise die Bundesregierung in privaten und öffentlichen Gesprächen mit ihren äthiopischen Partnern thematisieren, welche Auswirkungen die Inhaftierung von Journalisten und Bloggern und die staatliche Unterdrückung auf die anstehenden Wah­len haben. Deutschland hat als wichtiger Geber das Potenzial, andere Länder im Kampf für Menschenrechte in Afrika mitzuziehen. Ohne Druck von Seiten der Geber wird sich die Menschenrechtslage in Äthiopien tendenziell verschlechtern. Darunter leiden nicht nur die direkt Betroffenen, sondern die gesamte Bevölkerung.

Felix Horne ist Experte für das Horn von Afrika bei Human Rights Watch und Autor des Buches "Journalism is Not a Crime: Violations of Media Freedom in Ethiopia".
hornef@hrw.org