Agrarfragen

Bauernopfer

Es ist gut, dass die Weltbank das Thema ländliche Entwicklung auf der entwicklungspolitischen Tagesordnung wieder nach oben gesetzt hat. Viel haben die Washingtoner Banker allerdings nicht dazugelernt: Der diesjährige Weltentwicklungsbericht setzt ganz auf die alten Instrumente Liberalisierung, Modernisierung und Wachstum.


[ Von Rudolf Buntzel ]

Der Bericht will ein Rezept gegen ländliche Armut und Hunger bieten, aber er propagiert lediglich landwirtschaftliches Wachstum nach Art der Weltbank. Es fehlt eine differenzierte Analyse der Zielgruppe der ländlichen Armen sowie ihrer Bedürfnisse. Deshalb lassen sich die Empfehlungen der Bank im Grunde auf ein sozial rück­sichtsloses „Get modern, or get out!“ zusammenfassen. Das ist die Grundbotschaft des Berichts für Milliarden von Kleinbauern und ihre Familien.

Integration in den Weltmarkt, Eingliederung in Wertschöpfungsketten, Beteiligung an Vertragslandwirtschaft mit neuen Akteuren, Anforderungen und Produkten auf den Agrarmärkten, zum Beispiel Supermarktketten, Erzeugergemeinschaften, Qualitäts- und Sicherheitsstandards und Biotreibstoffe. Bauern als Unternehmer – das ist der Wachstumsimpuls, die der Weltentwicklungsbericht für die „neue Landwirtschaft“ ausmacht.

Der Bericht gibt keine Auskunft dar­über, wie viele der verarmten Bauern, Bäuerinnen und Landarbeiter über solche Marktintegration Arbeit und Einkommen finden könnten. Und er sagt nicht, wie viele Menschen durch diese Art von Modernisierung ihren bisherigen Lebensunterhalt verlieren würden. Es reicht aber nicht, gute Ideen zu produzieren, mehr Kapital und Biotechnologie in ländliche Regionen zu pumpen, auf regionale Integration zu bauen, rückständigen Bauern Weltmarktanpassung und Modernisierung zu predigen – und ansonsten den Kräften eines liberalisierten Marktes zu vertrauen.

Wachstum ist gleich Armutsbekämpfung: Das ist der durchgängige Irrtum der Weltbankökonomen. In den meisten Entwicklungsländern ist der Wohlstand nicht einfach zu den Armen durchgesickert. War­um sollte das künftig anders sein? Die Weltbank ignoriert in ihren Rezepten Macht, Eigeninteressen von korrupten Eliten, Rentier-Kapitalismus und das plünderische Wirken von Investoren aus dem Ausland. Der Appell an „good governance“ allein dürfte kaum helfen. Die Bank unterstellt allen Beteiligten gute Absichten. Nur die Marktsignale müssen richtig gesetzt sein. Dann, so der naive Glaube, bringt von allem mehr auch für alle mehr.

Im Weltentwicklungsbericht klingt es so, als würden die Bauern zufällig oder aus Unverständnis Subsistenzlandwirtschaft mit einfachen Techniken betreiben. Dabei sind es die Märkte, die politischen Rahmenbedingungen und der Mangel an Bildung, Gesundheit und Landrechten, die ihnen keine andere Chance lassen.

Der Bericht predigt radikale Modernisierung, ist aber nicht marktradikal. Der Staat spielt für die Weltbank eine wichtige Rolle. Er soll die Anreize richtig setzen, auch durch Subventionen – vorausgesetzt, sie bringen die Bauern auf Modernisierungskurs. Staatliche Beihilfen für den Kauf synthetischer Dünger zum Beispiel sind für die Weltbank legitim. Denn das dient der neuen Grünen Revolution – und die ist konstitutiv für die „neue Landwirtschaft“, jetzt auch für Afrika. Biotechnologie ist angesagt. Doch die alte Grüne Revolution hat Afrika nicht etwa ausgespart, sondern ist dort schon vor dreißig Jahren gescheitert. Die Gründe analysiert der Weltbank-Bericht nur oberflächlich.

Immerhin: Der Bericht diskutiert auch die große Bandbreite von ökologischen Ansätzen zur Ertragssteigerung, die besonders für Afrika mit seinen heiklen Böden zentral sind. Doch eine echte Alternative sieht die Weltbank nicht in solchen Methoden. Dazu seien sie viel zu beratungsintensiv. Öko-Anbau ist laut Weltentwicklungsbericht nur etwas für marginale Bauern und Regionen.

Für die Gunststandorte propagiert die Weltbank das Paket moderner intensiver Landwirtschaft, unterstützt durch eine ausgeweitete nationale Agrarforschung. Ein Konzept für eine integrierte ländliche Entwicklungsstrategie, die soziale Aspekte, Marktbeziehungen, unterschiedliche Ag­rarmethoden und Umweltprobleme sowie die Rolle von politischen Interessen be­rücksichtigt, sieht anders aus.

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