Islamische Religionslehre

Mischung aus Grund- und Koranschule

Im Libanon und in anderen arabischen Ländern sind die religiöse Erziehung und die Institutionen, die sie betreiben, Produkte von Strukturen und Traditionen, die seit Jahrhunderten gewachsen sind. Lange war die Institution der „Kuttab“, eine Mischung aus Grund- und Koranschule, für die Bildung von Kindern verantwortlich.
An der Al-Azhar-Universität in Kairo wird seit Jahrhunderten der Islam gelehrt. arkivi/picture-alliance An der Al-Azhar-Universität in Kairo wird seit Jahrhunderten der Islam gelehrt.

Der Prediger war gleichzeitig Lehrer. Er wies Kinder und Jugendliche in die Grundlagen des Lesens und Schreibens ein und unterrichtete den Koran und die Überlieferungen des Propheten Mohammed. Zuweilen standen auch arabische Grammatik und Mathematik auf dem Lehrplan. Die „Kuttab“ waren oft an Moscheen angeschlossen. Bildung und Religion waren in der islamischen Welt räumlich eng miteinander verbunden.

Im Zuge der Dekolonialisierung und Bildung der Nationalstaaten wurden die „Kuttab“ von Schulen nach westlichem Vorbild verdrängt. Als Bildungsinstrument für weltliche Bildung hat die Institution der „Kuttab“ heute keine Bedeutung mehr. In fast allen arabischen Ländern ist der Staat für den Religionsunterricht in den Schulen verantwortlich. Überlebt hat die Tradition der Koranschulen an Moscheen sowie in Form islamischer Vereine, die neben der Vermittlung des Islams noch viele andere Aufgaben übernehmen.

Die Al-Azhar in Kairo ist weltweit eine der ältesten Stätten islamischer Gelehrsamkeit, mit einer über tausendjährigen Geschichte. Die Al-Azhar plant nun, die Institution der „Kuttab“ auszubauen. Nach ihrem Willen soll die religiöse Erziehung für alle Altersstufen wieder verstärkt in den Moscheen stattfinden und von Predigern der Al-Azhar geleitet werden.

Die ägyptische Politologin Reham Mokbel vermutet, dass die altehrwürdige Hochschule die Kontrolle über die Moscheen und die religiöse Erziehung in Ägypten wieder zurückgewinnen möchte, nachdem radikale islamische Gruppierungen in den vergangenen Jahren ihr Netzwerk an Koranschulen stark ausgebaut haben. Außerdem bemüht sich die Al-Azhar, den religiösen Diskurs zu modernisieren. Mohamed Muhanna von der Hochschule erklärt, dass über den Ausbau der „Kuttab“ die moderate Auslegung des Islams, die von Al-Azhar vertreten wird, wieder mehr Gewicht bekommen soll. In den „Kuttab“ lernten die Schüler den Koran nicht nur auswendig, sondern auch, ihn zu verstehen. Zudem sollten sie die Möglichkeit zu weiterführenden religiösen Studien haben.

Es gibt allerdings auch kritische Stimmen, die dem Vorhaben der Al-Azhar skeptisch gegenüberstehen. Georges Fahmy vom Thinktank Carnegie Endowment for International Peace meint, dass der Erfolg dieses Schrittes davon abhängen werde, inwieweit die Imame, die die Koranschulen leiten und die Kinder unterrichten, pädagogisch adäquat ausgebildet sein werden. (mn)

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