Energieeffizienz von Gebäuden

China kann 40 Prozent Heizenergie sparen

Vor 15 Jahren war Gebäudeeffizienz in China kein Thema. Seitdem ist das Land nicht nur Vorreiter im Bereich erneuerbare Energien geworden, sondern hat auch viele Millionen Quadratmeter Gebäudefläche energetisch saniert. Herausforderungen bestehen in Know-how und Qualifikation – und in der schieren Masse der Häuser.
Modern windows reduce energy consumption. Michael Netzhammer/giz Modern windows reduce energy consumption.

Die Zhutangzhuang-Schule in der chinesischen Stadt Tianjin fällt auf. Das moderne vierstöckige Gebäude überragt alte Häuser, Bauernhöfe und Kleinbetriebe. Einige von ihnen sind verlassen. Die Stadt Tianjin wächst schnell. Deshalb will sie die alten Gebäude abreißen, um eine weitere Hochhaussiedlung für die vielen neuen Einwohner zu errichten – mit einer modernen Schule in ihrer Mitte.

Deren Mauern sind mit zehn Zentimeter dicken Steinwollplatten isoliert, die Fenster sind zweifach­verglast und mit Argongas gefüllt, Bleche schützen Dachränder vor Wind, Regen und Eis. „Wir konnten den Verbrauch von Heizenergie von 110 Kilowattstunden pro Quadratmeter auf 49 Kilowattstunden senken“, sagt Shecan Zhang, Leiter des Projekts Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden, das die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (GIZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchführt. Damit brachte die Sanierung eine Einsparung von 64 Prozent.


Gebäude-Energieverbrauch wird sich verdreifachen

Gebäude in China verbrauchen – wie in Deutschland – rund 40 Prozent der gesamten Energie. Bis 2030 wird sich ihr Verbrauch Prognosen zufolge verdreifachen. Pro Quadratmeter verheizen Chinas Gebäude annähernd doppelt so viel Energie wie europäische. Das heißt aber auch, dass die Einsparpotenziale besonders groß sind. Das Reich der Mitte könnte 40 Prozent Heizenergie einsparen – das würde 97 Millionen Tonnen CO2 im Jahr ausmachen. Zum Vergleich: Deutschland hat 2014 insgesamt 912 Millionen Tonnen CO2 emittiert.

Die Energieeffizienz von Gebäuden spielte in China lange eine untergeordnete Rolle. „Wir haben nur punktuelle Probleme gelöst, indem wir in manchen Gebäuden die Fenster ersetzt und in anderen die Heizung ausgetauscht haben“, sagt Yuqing Bao, technischer Direktor des großen Wohnbauunternehmens Beijing Uni-Construction Group (BUCC). „Aber wir hatten keinen ganzheitlichen Ansatz, der Gebäudehülle, Heizung, Warmwasser und Beleuchtung zusammen denkt.“ Diesen Ansatz habe erst die Zusammenarbeit mit der GIZ vermittelt.

Im Pekinger Stadtteil Huixin Xili hat die BUCC drei 20-stöckige Gebäude saniert. Ähnliche Pilotvorhaben hat die GIZ in Tangshan und in Urumqi initiiert. Zuvor war eine Menge Grundlagenarbeit nötig. Zum einen fehlte vielen Verantwortlichen in Ministerien, Bauunternehmen und Architektenbüros das Verständnis für energetische Sanierungen. Zum anderen mussten qualitativ hochwertige Fenster, Dämmmaterialien und Heizungssysteme beschafft werden.


Positivbeispiele überzeugen

Pilotvorhaben spielen eine wichtige Rolle. Denn nichts ist überzeugender als ein praktisches und erfolgreiches Sanierungsbeispiel. „Als wir mit den Bewohnern in Tangshan vor der Sanierung gesprochen haben, befürchteten sie höhere Kosten ohne wirkliche Verbesserungen“, erinnert sich Alfred Kerschberger, Architekt und Gutachter für die deutsch-chinesischen Projekte. „Aber nach dem ersten Winter in den renovierten Wohnungen waren ihre Zweifel verflogen. Stattdessen forderten die Bewohner der Nachbar­gebäude von der Stadt, ihre Gebäude ebenfalls zu sanieren.“

Wirklich erfolgreich sind Pilotprojekte dort, wo es noch keine Normen, Standards, Richtlinien oder Gesetze gibt, und wenn die an einzelnen Gebäuden erprobten Sanierungsverfahren anschließend in größerem Rahmen angewendet werden. Beides ist in China der Fall. Die Stadt Tangshan zum Beispiel saniert ihren Bestand nach dem deutsch-chinesischen Konzept. Bislang waren das rund 6 Millionen Quadratmeter Gebäudefläche. Die deutsche KfW Ent­wicklungsbank finanziert mit anderen Banken in der Stadt die Sanierung von weiteren 150 Gebäuden, die zusammen annähernd 10 000 Wohneinheiten haben.

„Die deutsch-chinesischen Pilotprojekte haben eine gute Vorarbeit geleistet und damit die großflächige Sanierung von Gebäuden in Nordchina gefördert“, sagt Han Aixing, stellvertretender Abteilungsleiter für Gebäudeenergie und -technologie im chinesischen Bauministerium.


Sanierungskonzepte nach Gebäudetyp

Welche Gebäude aber sollten vorrangig saniert werden? Welche Maßnahmen sind kostengünstig, welche sparen besonders viel Energie ein? Um diese Fragen zu beantworten, hat das Bauministerium gemeinsam mit der GIZ 22 500 renovierungsbedürftige Häuser in drei nordchinesischen Städten erfasst und nach Gebäudetypen klassifiziert. In einem zweiten Schritt erarbeiteten deutsche und chinesische Experten für jeden Gebäudetyp spezielle Sanierungskonzepte.

Diese Sanierungskonzepte stehen jetzt allen Baubehörden in Nordchina zur Verfügung. Sie erlauben politischen Entscheidungsträgern eine rasche Bewertung, wo und in welcher Weise mit den zur Verfügung stehenden Sanierungsmitteln die höchsten Energieeinsparungen und Emissionsreduktionen erzielt werden können. Bauherren erfassen mit ihrer Hilfe den Heizbedarf vor der Sanierung und errechnen mögliche Einsparungen. Auf dieser Basis will China eine Handelsplattform für Kohlenstoffemissionen aufbauen, die nach ähnlichen Regeln wie der Clean-Development-Mechanismus des Kyoto-Protokolls funktioniert.

Öffentliche Gebäude, vor allem Krankenhäuser, verbrauchen überdurchschnittlich viel Wärme und Strom. Mit Unterstützung der GIZ erfassen die Chinesen den Energieverbrauch ausgesuchter Schulen und Krankenhäuser in drei Klimazonen, entwickeln am Beispiel von Pilotprojekten Konzepte für die Sanierung und verbreiten die erworbenen Erfahrungen über technische Leitfäden, Symposien, Workshops und Studienreisen.

Die Zhutangzhuang-Schule in Tianjin ist ein Beispiel dafür. Seit ihrer Sanierung im Sommer 2012 besuchen regelmäßig Vertreter von Schul- und Baubehörden, Ingenieure und Architekten die Schule, um mehr über die energetischen Maßnahmen zu erfahren. Für die GIZ ist der Austausch mit den chinesischen Experten wichtig, um weitere Sanierungen anzuschieben.


Staatliche Regeln und Förderung

Seit 2006 gibt es in China den Green Building Evaluation Standard, nach dem der Gebäudestandard bewertet wird. Der Staat fördert zertifizierte Häuser, meistens Neubauten, mit bis zu 80 CHY (ca. zwölf Euro) pro Quadratmeter. Bauherren, die Bestandsgebäude sanieren, erhalten bis zu 55 CHY (ca. acht Euro). Außerdem hat die Regierung verpflichtende Regeln für Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden und Wohngebäuden erlassen. Bis Ende des Jahres sollen öffentliche Gebäude in China zwölf Prozent weniger Energie als vor fünf Jahren verbrauchen.

Seit 2008 hat das chinesische Bauministerium nach eigenen Angaben mehr als 900 Millionen Quadratmeter Gebäudefläche energetisch saniert und emittiert damit jedes Jahr gut 25 Millionen Tonnen CO2 weniger. Allerdings summiert sich die chinesische Gebäudefläche auf rund 50 Milliarden Quadratmeter. „Wir lassen uns von deutschen Ideen inspirieren. Allerdings müssen wir auch die Vielzahl unserer Gebäude bedenken. Würden wir im deutschen Tempo sanieren, würde es hundert Jahre dauern. Deshalb passen wir unsere Standards an und sanieren möglichst viele Gebäude in kurzer Zeit“, erklärt Yang Fuli, Referatsleiter der Bau- und Verkehrskommission von Tianjin.

Höhere Standards sind aber durchaus sinnvoll. „Wenn das Ministerium effizientere Fenster vorschreibt, können diese in Masse und damit günstiger produziert werden, sodass die Mehrkosten nicht mehr ins Gewicht fallen“, argumentiert Zhang Shecan. Inzwischen gebe es in China viele hochwertige Baumaterialien. Damit Bauträger die Einsparungen realisieren, die Architekten errechnet haben, müssen die Sanierer sorgfältig arbeiten. Dafür sind sie jedoch häufig nicht qualifiziert genug.

Trotzdem sieht Zhang Shecan China auf einem guten Weg: „Vor zwanzig Jahren spielten Effizienzstandards in Gebäuden keine Rolle. Heute wissen die meisten Verantwortlichen um ihre Vorteile.“ Sogar zahlreiche Passivhäuser stünden mittlerweile in dem Riesenland.
 

Marian Rzepka ist Senior-Fachplaner der GIZ für Energieeffizienz.
marian.rzepka@giz.de

Link:
GIZ-Projekt in China: Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden (Schulen und Krankenhäuser).
https://www.giz.de/de/weltweit/30620.html

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