Flüchtlingslager

Kakuma ist längst eine dauerhafte Siedlung geworden

Die Lebensbedingungen im Flüchtlingslager Kakuma im Nordwesten Kenias sind entsetzlich, mit minderwertigen Häusern und schlechten Straßen. Auch die Wasserversorgung und sanitäre Anlagen sind völlig unzureichend. Das Lager sollte eigentlich ein vorübergehendes Zuhause bieten, aber viele Menschen leben jetzt dauerhaft dort.
Ein Mann baut ein Haus für seine Familie. Qaabata Boru Ein Mann baut ein Haus für seine Familie.
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In Kakuma zu leben ist eine tägliche Herausforderung. Die Unterkünfte sind provisorisch, die Straßen kaputt, die Stromversorgung ist unzuverlässig. Vor allem die unzureichende Wasser- und Sanitärversorgung ist unerträglich (siehe Kasten). Internationale Hilfsorganisationen, die Lager wie Kakuma betreiben, sollten zur Kenntnis nehmen, dass aus ihnen – gedacht als temporäre Zuflucht – längst dauerhafte Siedlungen wurden, die die Mindeststandards dafür nicht erfüllen.

Das Lager in der Umgebung der nordwestkenianischen Stadt Kakuma ist in nummerierte Bereiche unterteilt und es wächst. Laut UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR wurden im Juli 2020 in Kakuma und der benachbarten Flüchtlingssiedlung Kalobeyei fast 197 000 Flüchtlinge und Asylsuchende registriert.  


Drei Jahrzehnte

Errichtet wurde Kakuma 1992 für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, die vor dem Krieg in Sudan und aus Flüchtlingsunterkünften in Äthiopien flohen. Doch viele Menschen leben heute in der zweiten, manche sogar in der dritten Generation hier. Fast alle hängen von humanitärer Hilfe ab, denn ihr Flüchtlingsstatus erlaubt ihnen nicht, Arbeit anzunehmen und Geld zu verdienen.

Kakuma war als Übergangslager gedacht. Doch fast drei Jahrzehnte später haben die Menschen trotz der furchtbaren Lebensumstände die Hoffnung aufgegeben, diesen Ort noch einmal verlassen zu können, um an einem besseren zu leben. 

Die Häuser im Camp sind eng, überbelegt und schlecht belüftet. Ein typisches Familienhaus ist aus Lehmziegeln gefertigt und hat nur ein Zimmer, das drei mal vier Meter misst. Die Dächer sind aus Wellblech oder Plastikfolie. Oft sind es auch Reetdächer aus Blättern der Kokosnusspalme, Makuti genannt.

Die Flüchtlinge bauen sich ihre Unterkunft meist selbst, ohne Wissen darüber, welche Materialien gegen schlechtes Wetter geeignet sind. Ein Makuti-Dach soll im Winter wärmen und im Sommer vor der Sonne schützen, aber es wird von starkem Wind schnell weggeweht. Wände aus getrocknetem Lehm brechen bei Überschwemmungen regelmäßig in sich zusammen, was bereits viele Menschenleben gekostet hat.

Wer lange hier lebt, weiß, dass Mauern aus Lehmziegeln ungeeignet sind, um Hitze, sintflutartigen Regenfällen, Sturmwinden und schweren Überschwemmungen standzuhalten. Wer lange hier lebt, baut eher Häuser aus zusammengebundenen Pfählen und Stangen, die mit Lehm isoliert werden.

Plastikdächer halten der prallen Sonne nur wenige Monate stand. Das Material schrumpft oder wird porös. Manchmal werden sie mit Makuti oder anderem Laub abgedeckt, doch selbst dann sind sie nicht wetterbeständig. Ohnehin können viele Bewohner nicht wählen, welches Material sie zugeteilt bekommen, und müssen oft Monate oder sogar Jahre darauf warten.


Gesundheitliche Folgen

Minderwertiges Baumaterial und schlechte Konstruktionen sorgen für Feuchtigkeit und Schimmel im Innenraum. Durch offene Ritzen gelangen Nagetiere ins Haus, die Krankheiten übertragen und die Bewohner anekeln.

Eine Unterkunft in Kakuma ist weit entfernt von einem sicheren Haus. „Ich lebe hier seit 21 Jahren und habe gesehen, wie ganze Häuser von Stürmen oder Fluten weggerissen wurden“, sagt Mohamed Jillo, ein Flüchtling aus Äthiopien. „Meine Familie war dreimal obdachlos, weil es Verzögerungen beim Nachliefern von Baumaterial gab. Ich hatte kein Geld, unser Haus zu renovieren. Über die Jahrzehnte haben wir uns an diese Misere gewöhnt.“

Nachdem sich die Bewohner wiederholt bei Verantwortlichen über zu kleine und zu eng beieinander stehende Häuser beschwert hatten, tut sich nun etwas. In den vergangenen Jahren begannen Hilfsorganisationen, Häuser zu bauen, die statt drei mal vier Meter drei mal sechs Meter groß sind. Die Grundfläche beträgt damit jetzt 18 statt nur 12 Quadratmeter. Doch die Häuser mit nur einem Zimmer beherbergen typischerweise vier bis sechs Personen. Oft schlafen erwachsene Männer unter provisorischen Planen in der Nähe, um der Enge zu entgehen. 

Das Flüchtlingslager liegt unweit der Autobahn Lodwar–Lokichogio, die in den Südsudan führt. Anders als die Straßen im Lager ist sie asphaltiert. Die erdigen Straßen im Lager, die sich nach Regen in Schlamm verwandeln, machen es Krankenwagen oder Polizei schwer, Menschen im Notfall zu erreichen.

Aufgrund der Straßenverhältnisse ist bei schlechtem Wetter auch die Versorgung mit Gütern oder Dienstleistungen nicht gesichert. Verwandeln sich die Straßen in Flüsse, können die Bewohner nicht mehr auf den Markt, ihre Kinder nicht zur Schule. Kranke, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Schwangere können nicht aus dem Haus, um medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. 

Überschwemmungen machen alles auf einmal kaputt: Gemeinschaftseinrichtungen, Häuser und Straßen. Im Lager gibt es humanitäre Hilfszentren, Verteilungsstationen für Lebensmittel und Gotteshäuser. Es gibt Schulen, Aufnahmezentren, Fußballplätze, Märkte, Geschäfte und auch Polizeistationen. Doch aufgrund der schlechten Straßen ist all das nicht immer erreichbar.


Unterbrochene Stromversorgung

Auch eine verlässliche Stromversorgung fehlt. Nach Sonnenuntergang wird es stockdunkel im Camp, die Märkte schließen, und die Straßen leeren sich. In einigen Häusern und kleinen Geschäften behilft man sich mit lauten, teuren Dieselmotoren für Licht und um Handys aufzuladen. Andere nutzen Paraffin- oder Holzkohlelampen, obwohl die rußen, gesundheits- und umweltschädlich sind.

Der Zugang zum Internet ist ähnlich unzuverlässig. Einige Bildungseinrichtungen von Hilfsorganisationen haben begonnen, Lehrern und Schülern einen Internetzugang bereitzustellen. Doch die Mehrheit der Leute im Camp ist abgeschnitten vom Rest der Welt. Wer es sich leisten kann, kauft sich einen Internetzugang vom kenianischen Mobilfunk- und Internetprovider Safaricom. Doch im Lager fehlt die Infrastruktur, um zuverlässiges Internet bereitzustellen.

Nach kenianischem Gesetz, das die Unterbringung in Flüchtlingslagern regelt, sollten Flüchtlinge nicht in dauerhaften Strukturen hier leben. Die Lager sind als vorübergehendes Hilfsangebot gedacht. Vorgesehen ist, dass Flüchtlinge an neue Wohnorte ziehen oder in ihre Heimatländer zurückkehren. Aber Kakumas lange Existenz widerspricht dem. De facto ist es längst eine dauerhafte Siedlung – nur fehlt die dafür notwendige Bebauung und Infrastruktur.

Tatsächlich werden Menschen in Kakuma seit Jahrzehnten illegal im Lager gehalten und leben dort unter miserablen Umständen. Aus temporären Lebensverhältnissen wurden permanente, ohne dass diese überprüft oder verändert werden können. Das Beispiel Kakuma zeigt, dass aus einer vorübergehenden eine dauerhafte Situation werden kann. Es zeigt auch, dass das Beharren auf der Bezeichnung „temporär“ eine echte Verbesserung  längst permanenter Strukturen verhindert.


Qaabata Boru ist äthiopischer Journalist und lebte selbst im kenianischen Flüchtlingslager Kakuma. Er ist Gründer und Chefredakteur von Kakuma News Reflector (Kanere), ein von Flüchtlingen gemachtes Online-Nachrichtenportal.
kakuma.news@gmail.com
https://kanere.org/

 

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