Menschengemachte Katastrophen

Gefährlicher Hunger

Im Februar meldeten UN-Fachleute, im Südsudan herrsche Hungersnot. Diese Katastrophe ist menschengemacht. Weil die Spitzenpolitiker des Landes ihren Streit über Ölreichtum zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg eskalieren ließen, droht nun rund 100 000 Menschen der Hungertod.
Somalische Flüchtlinge in Äthiopien: Die Messung des Armumfangs ist eine zuverlässige Methode, um Unterernährung festzustellen Kay Nietfeld/picture-alliance/dpa Somalische Flüchtlinge in Äthiopien: Die Messung des Armumfangs ist eine zuverlässige Methode, um Unterernährung festzustellen

Im März warnten die UN dann, 20 Millionen Menschen seien in Südsudan, Nordost-Nigeria, Somalia und Jemen gefährdet. Langfristig noch beunruhigender ist aber, dass zivilgesellschaftliche Hilfswerke Alarm schlagen, weil in vielen Gegenden Mangel herrscht, der  sich nicht auf kollabierte Staatlichkeit zurückführen lässt. Nothilfe wird auch  in knapp einem Dutzend ost- und zentralafrikanischer Länder gebraucht, in denen Gewalt nicht permanent droht. Mehrere Dinge, die sich tendenziell verstärken, spielen dabei eine Rolle.

Dürren, aber auch Hochwasser vernichten seit vielen Monaten Ernten und dezimieren Herden. Darunter leiden sowohl die Lebensmittelversorgung als auch die Kaufkraft. Es lässt sich zwar kein einzelnes Wetterereignis eindeutig auf den Klimawandel zurückführen, es ist aber bekannt, dass er Extremwetterlagen häufiger vorkommen lässt. Wir müssen also davon ausgehen, dass der Treibhauseffekt zu den Problemen beiträgt und sie weiter verschärfen wird, wenn er nicht gestoppt wird.

Die Zahl derer, die ernährt werden müssen, nimmt in Afrika noch rasant zu. Weltweit gilt tendenziell: Je ärmer ein Land ist, desto mehr Kinder bekommen die Frauen im Durchschnitt.

Schädlinge und Krankheitserreger verschlimmern die Lage, denn geschwächte Organismen kommen mit ihnen schlecht zurecht. Das gilt für Menschen, Tiere und Pflanzen. 

Im Krieg nutzen Kommandeure Hunger und Not strategisch. Ihre Kämpfer brennen Felder nieder, töten Herden und vergiften Brunnen. Sie machen zudem humanitären Helfern die Arbeit schwer oder sogar unmöglich. Wegen der Zerstörung von Infrastruktur und der Vernichtung von Saatgut und anderen Rücklagen kann auch nicht alles schnell wieder gut werden, wenn die Waffen endlich schweigen.

Dass Krieg Not verursacht, ist historisch nur allzu bekannt. Andererseits kann auch wachsender Mangel zu Gewalt führen, denn die Spannungen über Ressourcen nehmen zu. Wenn Menschen wegen Hunger massenhaft ihr Zuhause verlassen müssen, um sich anderswo ein Überleben zu sichern, werden komplette Gesellschaften destabilisiert – und gute Regierungsführung wird immer unwahrscheinlicher.

Dass die Ernährungssicherheit in weiten Teilen Afrikas prekärer wird, hat globale Bedeutung. In unserer eng vernetzten Welt betrifft eine schwere Krise in einer Re­gion alle Regionen. Existentielle Not widerspricht zudem offensichtlich dem ersten Nachhaltigkeits-Entwicklungsziel (Sustain­able Development Goal – SDG), der Beendigung des Hungers.

Deprimierenderweise melden die Hilfswerke, sie hätten nicht das Geld, das sie brauchen. Die Regierungen der reichen Welt müssen sich den zugrundeliegenden Problemen stellen und zu deren Lösung beitragen. Berlin und London stockten schon im März die Nothilfe auf. Dennoch standen im April nur etwa 20 Prozent der benötigten 4,1 Milliarden Euro zur Verfügung.  Essenziell wichtig über die Nothilfe hinaus ist zudem weiterhin Klimaschutz und Hilfe bei der Anpassung an den Treibhauseffekt. Auch bleibt Unterstützung angezeigt, um Frieden, Institutionen und Infrastruktur zu schaffen.

Aus Sorge über den Andrang von Fliehenden sprechen europäische Politiker heute gern von der Bekämpfung von Flucht­ursachen. Das Motto ist stimmig. Dennoch wäre es naiv, schnelle Ergebnisse zu erwarten. Die wahre Aufgabe ist nicht, die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen, die über das Mittelmeer oder auf anderen Wegen zu uns kommen. Es geht darum, allen Menschen, die südlich und östlich dieses Meeres leben, in ihrer Heimat ein gutes Leben zu ermög­lichen. Es gilt, Menschenrechte und menschliche Sicherheit zu gewährleisten.

Zäune und Grenzpatrouillen sind keine überzeugende Antwort. Nötig sind gemeinsame Anstrengungen zur Verwirk­lichung der SDGs. 


Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z Entwicklung und Zusammen­arbeit / D+C ­Development and ­Cooperation.
euz.editor@fs-medien.de

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