Nachhaltigkeit

Ökologisch modifizierter Human Development Index

Weil die Klimakrise die Zukunft der Menschheit in Frage stellt, hat das UNDP den Human Development Index um ökologische Komponenten erweitert. Es präsentiert ihn aber im neuen Human Development Report nur recht defensiv.
Der HDR 2020 stellt den neuen PHDI erstmals vor. Screenshot: http://hdr.undp.org/sites/default/files/hdr2020.pdf Der HDR 2020 stellt den neuen PHDI erstmals vor.

Die COVID-19-Pandemie hält die Menschheit im Griff. Wenn wir unseren Einfluss auf – und unsere Beziehung zur – Natur nicht ändern, werden weitere globale Krisen eskalieren. Das besagt der Human-Development-„Bericht“ 2020 (HDR) des UNDP (UN Development Programme – UN-Entwicklungsprogramm). Der Titel lautet „The Next Frontier: Human Development and the Anthropocene“.

In der Tat ist der Druck, den wir Menschen auf den Planeten ausüben, so immens, dass Wissenschaftler von einem neuen geologischen Zeitalter sprechen: dem Anthropozän. Unsere Epoche wird so sehr von menschlichem Verhalten geprägt, dass es zum größten Einflussfaktor geworden ist – und sogar das Überleben der Menschheit gefährdet.

Besonders bedrohlich ist aus Sicht des UNDP die Klimakrise mit steigenden Temperaturen, vermehrten Unwettern und schmelzenden Gletschern. Zu den sozialen Folgen gehöre wachsende Ungleichheit. Nötig sei eine Neudefinition von Fortschritt. Sie müsse Treibhausgas-Emissionen und negative Konsumfolgen berücksichtigen. Entsprechend wurde für den neuen HDR der bekannte Human Development Index (HDI) weiterentwickelt. Der Planetary-Pressures Adjusted HDI (PHDI) erfasst nun auch den ökologischen Fußabdruck der bewerteten Länder.

Der HDI wurde 1990 erstmals errechnet. In ihn gehen neben Einkommensdaten auch Daten für Gesundheit und Bildung ein. Deshalb liefert er ein holistischeres Bild der Lebensqualität eines Landes als es das bloße Pro-Kopf-Einkommen tut. Die aktuellen Werte stehen im neuen HDR, der auch den neuen PHDI erstmals vorstellt.

Norwegen, im HDI auf Rang eins, fällt im PHDI wegen seiner von Ölförderung abhängigen Wirtschaft auf Rang 16. Australien fällt von Rang acht wegen Kohleförderung sogar auf Rang 80. Irland hingegen steigt von Rang zwei auf Rang eins.

Völlig überzeugt scheint das UNDP von dem Ranking allerdings nicht zu sein – die entsprechende Tabelle auf S. 241 ff ist im Report nicht leicht zu finden, und sie stellt auch nicht die Rangordnung des PHDI dar, sondern gibt lediglich an, wie sich der HDI-Wert ändert. Auf den letzten Seiten des Berichts, wo traditionell die wichtigsten Tabellen stehen, fehlt der PHDI komplett.

Wie der Bericht ausführt, hat noch kein Land auf der Welt eine hohe menschliche Entwicklung erreicht, ohne dabei den Planeten signifikant zu belasten. Nachhaltigkeit erfordere deshalb Umsteuerung – mit neuen Normen und Werten. Die Politik müsse neue Ziele setzen und für entsprechende Anreize sorgen. Es gelte, Entscheidungen zu treffen, die dem Wohl der Menschheit dienten, ohne planetarische Grenzen zu überschreiten.

Der HDR beanstandet dementsprechend Fehlentwicklungen. Fossile Brennstoffe würden beispielsweise weiterhin in vielen Ländern subventioniert, obwohl sie das Klima schädigen. Mit Berufung auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) schreiben die UNDP-Autoren, die globalen CO2-Emissionen wären 2020 um 28 Prozent niedriger ausgefallen, wenn diese Subventionen 2015 komplett gestrichen worden wären. Zugleich wäre die Zahl der wegen Luftverschmutzung verstorbenen Menschen um 46 Prozent reduziert worden.

Wiederaufforstung und bessere Waldpflege allein könnten etwa ein Viertel zu den Maßnahmen beitragen, welche die Menschheit vor 2030 ergreifen müsse, um die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius zu begrenzen, heißt es im HDR 2020. Auch das zeige, dass menschliches Wohl und ökologische Gesundheit systematisch miteinander verknüpft seien.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die ärmsten Menschen den Folgen des ökologischen Wandels in besonderem Maße ausgesetzt seien – sie andererseits zu dieser destruktiven Entwicklung am wenigsten beigetragen hätten. Deshalb sei es wichtig, Ungleichheiten sowohl innerhalb als auch zwischen Ländern abzubauen, die oft auf die Kolonialzeit zurückgingen. Echte menschliche Entwicklung müsse arme und benachteiligte Menschen in Politik und Gesellschaft besserstellen und befähigen, die Zukunft aktiv mitzugestalten.

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