Hirtengemeinschaften

Gewächshäuser in der Wüste

In Kenias Region Turkana ist die Klimakrise verheerend. Dürren, versiegende Quellen und Viehsterben treiben die Bevölkerung an den Rand einer Hungersnot. Lokale Organisationen versuchen, Ernährungssicherheit durch innovative landwirtschaftliche Ansätze und kultursensible Workshops zu erreichen. Das bedeutet auch, manche Traditionen aufzugeben.
Viele Menschen in Turkana sind akut vom Hungertod bedroht. picture-alliance/REUTERS/Monicah Mwangi Viele Menschen in Turkana sind akut vom Hungertod bedroht.

Die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise zerstören die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen. Die ganze Welt ist von extremen Wetterereignissen wie Dürren und Überschwemmungen betroffen. Am stärksten aber trifft es Länder mit niedrigem Einkommensniveau.

Dort haben viele Menschen keinen Zugang zu Nahrungsmitteln und Trinkwasser. Die schwächsten Gruppen der Gesellschaft trifft das am härtesten. Kinder gehen nicht mehr zur Schule, während sich die Probleme älterer und behinderter Menschen verschlimmern.

Die drastischen Folgen fehlender Ernährungssicherheit zeigen sich in Regionen mit ohnehin harschen Bedingungen – vor allem in sogenannten ariden und semiariden Gebieten (ASAL). Turkana County (in Kenia handelt es sich bei Counties um dezentral organisierte, subnationale Verwaltungseinheiten) im Norden Kenias ist eine solche Region. Mit mehr als 70 000 Quadratkilometern ist er der größte Bezirk Kenias und die Heimat von rund 930 000 Menschen (die Flüchtlinge nicht eingerechnet, die vor den Konflikten im benachbarten Südsudan geflohen sind und hier größtenteils in Kakuma, einem der größten Flüchtlingslager der Welt, leben).

In Turkana gab es schon immer wenige und unregelmäßige Niederschläge im Jahresverlauf. Große Teile der Region sind Wüste, und die Temperaturen steigen in der Trockenzeit auf 40 Grad. Die Verdunstungsraten sind hoch, die jährliche Niederschlagsmenge liegt bei etwa 300 Millimeter.

Doch die Lage verschlechtert sich. Das zeigen Daten, die seit den 1960er-Jahren gesammelt werden. Früher kamen Dürren etwa alle fünf Jahre vor, doch seit den 1990er-Jahren treten sie jährlich auf. Mittlerweile gab es in einigen Teilen Turkanas in den vergangenen vier Jahren keine nennenswerten Niederschläge.

Turkana ist auch Heimat der gleichnamigen Ethnie. Die Turkana sind nomadische Viehzüchter und halten Rinder, Esel, Kamele und Ziegen zu Subsistenzzwecken und als Einkommensquelle. Aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Viehzucht sind sie von extremen Wetterbedingungen besonders betroffen. Was ihren Herden schadet, wirkt sich auch unmittelbar auf sie aus. Verhungern die Tiere, sind auch die Turkana vom Hungertod bedroht.

Nach Angaben der regionalen Verwaltung sind derzeit etwa 800 000 Menschen in der Region unterernährt und viele akut vom Hungertod bedroht.

Ein Umdenken ist erforderlich

Die Menschen müssen sich strategisch an die Klimakrise anpassen, um sich vor ihren verheerenden Folgen zu schützen. Die kenianische Regierung konzentriert sich meist auf kurzfristige Hilfe, indem sie den am meisten gefährdeten Gruppen Grundnahrungsmittel und medizinische Hilfe bereitstellt.

Es ist jedoch ein grundlegender Wandel im Ansatz erforderlich. Die Klimakrise wird nicht verschwinden. Die Turkana müssen bei der Umstellung von Viehzucht auf andere, nachhaltigere Lebensgrundlagen unterstützt werden. Solange das nicht geschieht, werden sie weiterhin auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein.

In Turkana versucht vor allem die Zivilgesellschaft, die Situation nachhaltig zu verbessern. Desert Roses ist eine der gemeinschaftsbasierten Organisationen (CBOs), die sich in der Region für Ernährungssicherheit einsetzen. Die CBO klärt die Turkana unter anderem über nachhaltige Landwirtschaft auf und errichtet Gewächshäuser in der Region. Diese gehören in der Regel einem Dorf oder einer Gemeinde und nutzen ein Bohrloch in der Nähe. Für Dürreperioden wird das Wasser in Tanks gespeichert. Die Gemeindemitglieder arbeiten abwechselnd. Alle Erzeugnisse werden gemeinsam genutzt und sollen in Zukunft auch auf lokalen Märkten verkauft werden.

Laut Bezirksstatistiken verfügt Turkana über etwa 2,5 Millionen Hektar anbaufähiges Land. Das Potenzial für Solarenergie ist entsprechend groß und kann landwirtschaftliche Praktiken erleichtern.

Doch die verzweifelte Lage in der Region ist nicht allein auf die Klimakrise zurückzuführen. Die Turkana leben immer noch sehr traditionell. Vieh spielt eine zen­trale Rolle. Frauen und Mädchen werden vernachlässigt, und auch Jungen erhalten oft nur wenig formale Bildung. Für Mädchen steht die frühe Heirat im Mittelpunkt, weil die Eltern als Brautpreis Vieh bekommen und so die Herde der Familie vergrößert wird. Allerdings ist diese Tradition aus dem Gleichgewicht geraten, weil die Herden angesichts anhaltender Dürren schrumpfen. An ihr festzuhalten, verschlimmert die Situation nur.

Aufgrund ihrer nomadischen Lebensweise gehen Kinder oft nicht regelmäßig zur Schule, sodass die Analphabetenrate selbst unter erwachsenen Männern hoch ist. Die geringe Alphabetisierung macht es jedoch schwierig, den Menschen nachhaltige Alternativen zu ihren traditionellen Lebensgrundlagen zu vermitteln.

Ein weiteres Problem ist die mangelhafte Infrastruktur. Vielerorts gibt es keine Bohrlöcher, und die vorhandenen trocknen aus. Es gibt keine zuverlässigen Daten zum Wasserstand der wenigen Flüsse, Wassermangel ist jedoch sicherlich die größte Herausforderung für die Ernährungssicherheit.

Mehrere Dinge würden helfen. Die Menschen brauchen Tanks und müssen sie gut verwalten. Zweitens brauchen sie bessere Technologie zur Wassergewinnung. Zusätzlich wäre es sinnvoll, die Bohrlöcher mit Solarenergie zu betreiben.

Lokale Organisationen in Turkana sehen sich allerdings mit weiteren Problemen konfrontiert: finanzielle Engpässe, Bodenversauerung sowie Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und technischem Know-how. Auch bewaffnete Konflikte um Vieh erschweren ihre Arbeit.

Die lokalen Organisationen brauchen Unterstützung, damit sie im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft in der Lage sind:

  • mehr Setzlinge und landwirtschaftliche Geräte zu erwerben, mehr Gewächshäuser zu errichten und mehr Bäume zu pflanzen,
  • über Wassernutzung und Landwirtschaft aufzuklären,
  • in intelligente Landwirtschaft zu investieren, indem sie etwa den Anbau von dürretoleranten Pflanzen und die Arbeit von Kleinbauern fördern, und
  • Forschung durch Partnerschaften mit Institutionen zu fördern, die sich mit intelligenter Landwirtschaft und grüner Energie befassen.

Nur wenn diese soziokulturellen und infrastrukturellen Ansätze miteinander einhergehen, gelingt der Aufbau einer ernährungssicheren Gesellschaft. Der Erfolg hängt auch davon ab, ob die Menschen Workshops zu Küchengärten, Gewächshäusern und großflächiger Landwirtschaft annehmen. Ihre jahrhundertealten Praktiken sind überholt und die damit verbundenen Werte hinderlich. Die Turkana müssen sich also anpassen – doch fühlen sie sich nicht respektiert, werden sie Wandel ablehnen.

Rael Nkoi Lomoti ist die Gründerin von Desert Roses und eine Turkana.
desertrosesturkana@gmail.com

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