Rezession

Wachsende Abhängigkeit von Benins informellem Sektor

Viele Einwohner von Porto-Novo und Cotonou, die bis vor Kurzem zur Mittelklasse Benins zählten, haben ihren Wohlstand eingebüßt – nicht nur wegen der Pandemie und des dadurch verursachten Wirtschaftseinbruchs. Die Behörden hoffen, dass eine gute Ernte die Wirtschaft wieder stärken könnte.
Eine gute Baumwollernte könnte helfen. Jean-Michel Clajot/Lineair Eine gute Baumwollernte könnte helfen.

Der Wirtschaftsabschwung ist allgegenwärtig. Hunderte von rostigen Lkws parken entlang der 35 Kilometer langen Schnellstraße Cotonou–Porto-Novo. Viele Fahrzeuge stehen zum Verkauf, denn ihre Besitzer können sie sich nicht mehr leisten und brauchen dringend Geld.

Einige große Lagerhallen liegen seit fast zwei Jahren still. Die Krise setzte ein, als das Nachbarland Nigeria seine Landesgrenzen schloss (siehe meinen Beitrag im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/05). Als Gründe nannte die nigerianische Regierung Schmuggel und Sicherheitsbedenken.

Die Grenzschließung traf besonders Unternehmen, die darauf spezialisiert waren, im Ausland hergestellte Waren nach Benin einzuführen und dann nach Nigeria zu exportieren – dazu zählten Reis, Weizenmehl, Speiseöl und Tomatenmark.

Geschäftsleute machen einen Großteil des Mittelstandes in Benin aus. Es wird gesagt, dass viele mit Bankkrediten in Verzug geraten seien. Die ehemals Wohlhabenden haben nun zu leiden. Neben Eigentümern gehören auch Top-Manager und hochrangige Regierungsbeamte zur Mittelklasse. Während Erstere von der aktuellen Krise betroffen sind, haben Letztere im Zuge der Staatsreformen Vergünstigungen und Privilegien verloren – und damit auch weitgehend ihre Möglichkeiten, über Bestechungsgelder an Schwarzgeld zu kommen. Lysiane Gnansounou, die einen guten Job im Finanzsektor hat, sagt, viele seien zu bescheideneren Lebensstilen und Konsumgewohnheiten gezwungen.

Wer zu Benins oberer Mittelschicht gehört, ist tatsächlich recht reich und und lebt in mehrstöckigen Häusern in ruhigen, sauberen und relativ sicheren Vierteln der beiden wichtigsten Städte Porto-Novo und Cotonou – und besitzt sie oft auch. Oft sind sie mit teuren italienischen Möbeln und Haushaltsgeräten aus Japan, China oder Südkorea ausgestattet. Weitere Statussymbole sind vollklimatisierte Toyota-Landrover oder auffällige Mercedes-Benz-Allradantriebe.

Natürlich hat die Corona-Pandemie auch Auswirkungen. Die typischen großen Wochenend-Partys sind selten geworden. Vor Corona haben wohlhabende Leute für Hochzeiten, Taufen oder Geburtstagspartys gerne tief in die Tasche gegriffen. Auch Beerdigungen und Voodoo-Rituale waren oft aufwendig.

Die Mittelschicht ist generell international ausgerichtet. Wer es sich leisten kann, reist nach Marokko oder Südafrika zu medizinischen Behandlungen, die unteren Schichten fahren in die Elfenbeinküste oder den Senegal. Auch Ferienreisen ins Ausland sind beliebt, wobei die Reichsten ihren Urlaub in Frankreich, Italien oder Spanien verbringen.

Wohlhabende Familien schicken ihre Kinder auf Privatschulen und Colleges, deren Kosten bisweilen umgerechnet mehr als 1500 Dollar pro Jahr und Kind betragen. Natürlich kann sich das auch nicht jeder leisten, der zur Mittelklasse zählt.

Vor ein paar Jahren veröffentlichte die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) zusammen mit anderen Organisationen einen Bericht, der besagt, dass Menschen in Afrika mit einem jährlichen Einkommen von etwa 4000 Euro als Mittelklasse gelten können. Das durchschnittliche Monatseinkommen in Benin hingegen lag vor Beginn der Pandemie bei nur 62 Euro.

Die Corona-Krise hat den wirtschaftlichen Abschwung, der mit der Schließung der nigerianischen Grenze begann, verstärkt. Mit sinkender Nachfrage wurden im formalen Sektor Stellen abgebaut. Der Anteil der Beniner, die komplett vom informellen Sektor abhängig sind – wo Einkommen niedrig sind und soziale Absicherung nicht existiert –, ist gestiegen. Die Behörden in Benin setzen ihre Hoffnung nun auf gute Baumwoll- und Cashew-Ernten im Jahr 2021. Das könnte der Beginn einer Erholung sein. Die Economist Intelligence Unit verkündete im April, sie erwarte 2021 ein Wachstum von 2,4 Prozent und im nächsten Jahr sogar 4,5 Prozent. Die Analysten aus London warnten jedoch, ein Impfstoffmangel könne die Erholung des westafrikanischen Landes verzögern.


Karim Okanla ist Mediendozent und freiberuflicher Autor in Benin.
karimokanla@yahoo.com

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