Diaspora

„Wir sind die Aufnahmegesellschaft“

Diaspora-Organisationen für afrikanische Menschen in Deutschland leisten wertvolle Arbeit in Bezug auf Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten. Sie fordern, dass die Politik dies anerkennt und wertschätzt. Menschen in der Diaspora haben aber auch eine enorme Bedeutung für die Entwicklung ihrer Herkunftsländer.
Virginia Wangare Greiner vom Verein Maisha wurde bereits auf höchster politischer Ebene wahrgenommen: hier im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Integrationsgipfel 2018 im Bundeskanzleramt. picture-alliance/Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa Virginia Wangare Greiner vom Verein Maisha wurde bereits auf höchster politischer Ebene wahrgenommen: hier im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Integrationsgipfel 2018 im Bundeskanzleramt.

„Menschen verlassen ihre Heimat nicht, weil sie in Deutschland so gern von Hartz IV leben wollen, sondern sie verlassen ihre Heimat aus echter Not.“ Dies macht Tzehaie Semere, Projektreferent beim Entwicklungspolitischen Netzwerk Hessen (EPN Hessen), deutlich. Seine Organisation unterstützt Migranten- und Diaspora-Organisationen mit Beratung, Projektentwicklung und Vernetzung. Semeres Ziel ist es, die Organisationen zu stärken und ihren politischen Einfluss zu vergrößern.

Denn das sei dringend nötig, meint der Projektreferent angesichts steigender Ausländerfeindlichkeit in Deutschland und immer höherer Wahlergebnisse der AfD. Migranten und Migrantinnen müssten medial viel sichtbarer werden und über ihre Lebensverhältnisse, Motivationen und Ziele im Leben berichten, meint Semere und wird dabei von vielen Diaspora-Vereinen unterstützt wie etwa von Maisha, einer Selbsthilfegruppe afrikanischer Frauen in Deutschland.

Die Geschäftsführerin ist Virginia Wangare Greiner, eine kenianische Sozialarbeiterin, die bereits seit 1986 in Deutschland lebt und 2006 das Bundesverdienstkreuz erhielt. Sie kennt die Sorgen und Nöte, aber auch die Wünsche und Träume ihrer afrikanischen Mitbürgerinnen sehr genau. Maisha berät mittlerweile nicht nur afrikanische Frauen in Fragen der Migration, Integration oder Rückkehr, sondern der Verein betreibt im Auftrag der Stadt Frankfurt auch eine humanitäre Sprechstunde, in der alle Menschen in Frankfurt ohne Krankenversicherung und Papiere beraten und behandelt werden.

Wangare Greiner wünscht sich, dass sich die Migranten emanzipieren und ihren Platz in der deutschen Gesellschaft selbstbewusst einnehmen. Sie fordert aber auch mehr staatliche Programme, die auf die Förderung von Migrantenorganisationen ausgerichtet sind sowie strukturelle Förderung wie Räume oder Ausstattung. Sie betont auch die Bedeutung von Migranten für die Entwicklung ihrer Herkunftsländer: „Die Entwicklungspolitik hat erst in den letzten Jahren erkannt, wie wertvoll zum Beispiel unsere Rücküberweisungen für Afrika sind.“ Diese Geldtransfers, die sogenannten Remittances, übertreffen laut Weltbank schon seit langem die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe um das Drei- bis Vierfache.

Mit dem Geld aus Europa bauen sich die Familien vor Ort häufig kleine Geschäfte auf und unterstützen so die Volkswirtschaft ihrer Länder. Auch das werde nicht genügend honoriert, bedauert Wangare Greiner: „Wir wollen von der Politik als Geldgeber auf Augenhöhe angesehen werden.“

Maisha hilft in den Herkunftsländern nicht nur mit Geld, sondern hat seit kurzen auch ein Büro in Ghana, wo der Verein Rückkehrerinnen konkret mit Rat und Tat vor Ort unterstützt. „Wir helfen den Frauen mit Mikrokrediten und Beratung dabei, kleine Unternehmen und Manufakturen aufzubauen, damit sie sich eine Perspektive schaffen können.“ Die Produkte, die die Frauen herstellen, sollen bald über einen Online-Shop auch in Deutschland verkauft werden.

Grundsätzlicher Tenor der afrikanischen Organisationen ist es, dass sie Ausgrenzung und Rassismus den Kampf ansagen und dass ihre Leistungen sichtbar werden sollen. Einen kaum kommunizierten Aspekt hebt Semere von EPN noch hervor: „Wohin gehen Flüchtlinge und Migranten denn, wenn sie nach Deutschland kommen?“ Sie gingen nicht in deutsche Familien, sondern zu den Familien und Gruppen ihrer Landsleute. Das bedeute also: „Wir sind die Aufnahmegesellschaft!“, betont Semere.

 

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