Unser Standpunkt

Kritische Öffentlichkeit

Desinformation überflutet viele Länder. Dass autoritäre Regierungen das Weltbild ihrer Untertanen prägen wollen, ist nicht neu, aber dass nun die Bürger demokratischer Länder systematisch Lügen ausgesetzt sind, beunruhigt. Viele Menschen fallen auf erfundene Meldungen herein, die verbreitet werden, um die öffentliche Meinung zu manipulieren.
Smartphone-Nutzerin in Kenia. picture alliance/Photoshot Smartphone-Nutzerin in Kenia.

Diese Krise hat viele Ursachen, die Handeln erfordern. Neue Informationstechnik hat neue Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen, wobei soziale Medien besonders wichtig sind. Nötig sind nun Regeln, die im Internet Datenschutz, Informationsqualität sowie Vielfalt sichern. Große, tendenziell monopolartige Weltkonzerne müssen international reguliert werden – und das gilt besonders für die „Faangs“ (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google), und dabei müssen reiche Nationen vorangehen. Neue Datenschutzregeln der EU werden im Mai rechtskräftig und sind ein erster Schritt.

Auch die ökonomische Krise etablierter Medien macht Desinformation stark. Das Internet hat bewährte Geschäftsmodelle obsolet gemacht. Es bietet Nachrichten gratis an und zieht immer mehr Werbung an. Der Umsatz traditionsreicher Medienhäuser sinkt entsprechend – besonders zu Gunsten von Facebook und Google, die jegliche redaktionelle Verantwortung ablehnen. Zumindest in reichen Nationen sind Journalisten, die Verantwortung für Inhalte übernehmen, heute schlechter bezahlt als früher. Zudem wurden viele Redaktionen verkleinert – zum Teil sogar heftig. Selbstverständlich müssen sich Medienschaffende Mühe geben, um professionellen Ansprüchen zu genügen. Aber wenn ihre Arbeitslast immer weiter wächst, wird das nicht gelingen. Und wenn gute Leistung nicht honoriert wird, bleibt sie auch nicht gut.

Medienkonsumenten tragen ihrerseits Verantwortung. Es ist absurd, alles zu glauben, was auf dem Bildschirm aufleuchtet, und allenfalls zu prüfen, ob es weltanschaulich genehm ist. Wer verstehen will, was in der Welt los ist, muss mehr als eine Perspektive kennen. Im wohlverstandenen Eigeninteresse müssen auch unangenehme Wahrheiten ankommen.

Medienkompetenz bedeutet, auf Quellen und ihre Qualität zu achten. Seriöse Medien geben an, woher ihre Informationen stammen, und sie stützen sich auf eine Quellenvielfalt. Medien, die in Konflikten nicht die Sicht aller Beteiligten nachvollziehbar wiedergeben, sind unzuverlässig. Das bedeutet aber nicht, dass sie allen Seiten gleichen Raum geben sollten. Oberflächliche Äquidistanz ist kein Ersatz für Wahrheit. Wer beispielsweise Leugnern des Klimawandels den gleichen Stellenwert einräumt wie Klimawissenschaftlern, kann offensichtlich die Relevanz verschiedener Quellen nicht richtig einschätzen.

Medienkompetenz ist heute Bürgerpflicht, denn wer nicht weiß, wie Journalisten arbeiten und welche Regeln aus welchen Gründen gelten, lässt sich allzu leicht hereinlegen. Gelegentliche Faktenfehler sind keine systematische Desinformation. Das wahre Problem sind frei erfundene Meldungen, die täuschen und verwirren sollen.

Wenn zu viele Menschen Qualitätsmedien nicht von bloßer Unterhaltung oder Agitation unterscheiden können, wachen wir eines Tages statt in einer Informations- in einer Desinformationsgesellschaft auf. Die Lage ist ernst, denn autoritäre Populisten greifen derzeit in vielen Ländern die Pressefreiheit und andere demokratische Prinzipien an.


Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@fazit-communication.de

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