Nigeria

Frauen gebären auf dem Boden

Die Situation in Nigeria ist ein Beispiel für die katastrophalen Bedingungen in afrikanischen Gesundheitssystemen, die zur Abwanderung von dringend benötigten medizinischen Fachkräften führt.
In abgelegenen Regionen wie Borno in Nordnigeria gibt es oft nur provisorische medizinische Einrichtungen von NGOs. picture-alliance/REUTERS/Christophe Van Der Perre In abgelegenen Regionen wie Borno in Nordnigeria gibt es oft nur provisorische medizinische Einrichtungen von NGOs.

Mit rund 216 Millionen Menschen ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Von den 81 000 Ärzt*innen, die im letzten Jahrzehnt in diesem Land ausgebildet wurden, praktiziert laut nationalem Ärzteverband nur gut die Hälfte dort. Im Schnitt sind sie für 5000 Menschen zuständig. Die meisten arbeiten in den großen Ballungsräumen Lagos, Kano und Ibadan.

In ländlichen Regionen wie dem Bundesstaat Zamfara im Nordwesten herrscht großer Mangel an Fachkräften. 2019 hatte dieser Bundestaat mit einer Bevölkerung von rund drei Millionen gerade mal 46 Mediziner*innen. Pro 100 000 Menschen sind das zwei. Nigeria bräuchte derzeit mindestens zusätzliche 300 000 Fachkräfte, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung im Gesundheitsbereich zu erreichen.

Dabei mangelt es nicht an Medizinstudierenden an mehr als 200 Universitäten im Land. Nigeria schafft es jedoch nicht, den Absolvent*innen akzeptable Arbeitsbedingungen zu bieten. Rund die Hälfte wandert aus. In vielen anderen afrikanischen Ländern sieht es ähnlich aus.

Nach siebenjähriger teurer Ausbildung verdienen Ärzt*innen in Nigeria in staatlichen Krankenhäusern rund 7200 Dollar pro Jahr. In Südafrika winken dagegen 50 000 Dollar und in den USA sogar 200 000 Dollar.

Hinzu kommt, dass es in Nigeria an Ausrüstung, Medikamenten und oft sogar sauberem Trinkwasser mangelt. Obendrein fällt in Krankenhäusern häufig der Strom aus. Auf 10 000 Einwohner*innen kommen im Schnitt fünf Krankenhausbetten. Frauen gebären auf Krankenhausböden und Kranke sind in schlecht belüfteten Räumen zusammengepfercht. Nigerias Ölreichtum und die Größe seiner Volkswirtschaft ändern daran nichts.

Wie auch anderswo in Afrika kollidiert der Wunsch des medizinischen Personals, zum Wohlergehen der heimischen Bevölkerung beizutragen, mit der Untätigkeit der Regierungsbehörden. Das führt immer wieder zu Streiks, wie etwa von August bis Oktober 2021. In dieser Zeit legte die Nigerian Association of Resident Doctors (NARD) das Gesundheitssystem lahm. Sie forderte mehr öffentliche Investitionen.

Samir Abi ist Wirtschaftswissenschaftler und Leiter der nichtstaatlichen Organisation Visions Solidaires in Togo.
samirvstg@gmail.com

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