Öffentliche Finanzen

Die Steuerbasis verbreitern

Die Art der Besteuerung beeinflusst den Aufbau von Staaten. Über die Aushandlung von Haushalts- und Steuerfragen werden in einer Demokratie unterschiedliche Interessen in Einklang gebracht. Für eine gute Regierungsführung sollten arme Länder ihre Steuergesetze vereinfachen, die Zahl der Steuerzahler erhöhen und die Verwaltung verbessern.

[ Von Odd-Helge Fjeldstad ]

Mick Moore (2007) hat vor kurzem in dieser Zeitschrift argumentiert, der Einfluss der Besteuerung auf die Demokratieentwicklung in westlichen Ländern biete eine Menge Lehren für Entwicklungsländer. Sein Hauptargument lautet: Je mehr ein Staat von Steuereinnahmen abhängt, desto stärker muss er sich mit seinen Bürgern über zu erbringende Dienstleistungen und politische Mitwirkung verständigen. Wenn diese Behauptung richtig ist – wovon ich ausgehe –, dann hat sie Auswirkungen auf die Gestaltung von Steuerreformen in hilfeabhängigen Ländern.
Wenn Besteuerung verantwortliches Handeln von Regierungen fördern soll, dann muss eine Mehrheit der Bürger die Besteuerung „spüren“. Andernfalls werden nur Minderheiten mehr politische Teilhabe und bessere Dienstleistungen einfordern. Die Besteuerung darf sich daher nicht auf eine kleine Anzahl von Unternehmen und wohlhabende Leute beschränken. Steuern sollten die gesamte Öffentlichkeit betreffen. Das setzt voraus, dass sie möglichst einvernehmlich und transparent erhoben werden. Außerdem muss die Besteuerung ausgehandelt worden und berechenbar sein, so dass der Steuerzahler die Möglichkeit hat, vor Gericht gegen unfaire Behandlung vorzugehen.

Es ist sinnvoll, Fragen zur Steuerreform als Teil von Regierungsführung zu betrachten. In den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren haben drei Aspekte die internationale Debatte dominiert:
– Vereinfachung der Besteuerung,
– Verbreiterung der Steuerbasis und
– Verwaltungsreformen.

Dabei ging es bislang vor allem darum, die Staatseinnahmen zu erhöhen. Das ist zweifellos wichtig, aber nicht weniger bedeutsam ist, wie sich diese Punkte auf die Interaktion von Staat und Gesellschaft auswirken (Fjeldstad und Moore, 2007).

Steuerreformen neu betrachtet

Die meisten Entwicklungsländer haben ihre Steuersysteme in den letzten Jahren deutlich vereinfacht. Die Zahl von Einkommenssteuergruppen, Zöllen, unterschiedlichen Steuersätzen auf Verbrauchsgüter et cetera wurde reduziert. In Ruanda und Sambia beispielsweise werden Steuererklärungen von Unternehmen mittlerweile wesentlich schneller bearbeitet als im OECD-Durchschnitt – was den Anreiz und die Gelegenheiten für Bestechung reduziert. Darüber hinaus macht die Vereinfachung von komplexen Abgabenordnungen und Einzugsverfahren die Steuersysteme transparenter und leichter zugänglich – was wiederum die politische Mobilisierung zu Steuerfragen fördern kann.

Beispielsweise führen die Regierung und Unternehmer in Tansania einen immer intensiveren konstruktiven Dialog und sind zunehmend kompromissbereit. Das ist ein großer Fortschritt in einem Land, in dem die Regierung den Privatsektor bis vor kurzem weitgehend gemieden hat und Bestechung sowie private Abmachungen eine wesentliche Rolle bei der Bearbeitung von Steuererklärungen spielten. Ebenso bedeutsam ist, dass steuerpflichtige Unternehmen in Tansania ihre Steuerbeschwerden vermehrt der Justiz übergeben. So wird die regelgebundene Verwaltung auch tatsächlich vom Rechtssystem kontrolliert.

Insgesamt aber sind die Steuersysteme in den meisten Ländern Afrikas immer noch zu komplex und die Verfahren zu zeitraubend. In Südafrika und Lesotho brauchen Unternehmen durchschnittlich 350 Stunden im Jahr, um ihre Steuerpflichten zu erfüllen; im OECD-Durchschnitt sind es 200 Stunden (Weltbank/IFC, 2006). Mühsame und unberechenbare Verfahren erleichtern die Ausstellung willkürlicher Steuerbescheide – und damit auch die Erpressung durch korrupte Steuerbeamte.

Steuerreformen in Afrika waren bislang dadurch gekennzeichnet, dass Zahler, die nur geringe Beiträge leisten, außer Acht gelassen wurden. Vermutlich ist die Zahl der Steuerzahler in einigen Ländern sogar gesunken. In Ruanda steuerten im Jahr 2005 dreizehn Großunternehmen 80 Prozent der gesamten Steuereinnahmen bei. In Tansania mit seinen etwa 35 Millionen Einwohnern kamen 286 Großzahler für fast 70 Prozent der Einnahmen auf. In gewisser Weise macht das Sinn, weil dadurch Verwaltungskosten reduziert und finanzielle Belastungen für wirtschaftlich schwache Bürger vermieden werden. Steuerbeamte werden es sowohl institutionell als auch persönlich als Erleichterung empfinden, mehr Einnahmen aus einer bestehenden, registrierten Steuerbasis zu erzielen, anstatt viele kleinere Unternehmen und Individuen neu ins System aufzunehmen. Dennoch gibt es gute Gründe, die Steuerbasis auszuweiten – die Erhöhung der Einnahmen ist nur einer davon.

Informelle Unternehmen und Kleinbauern in die Steuerbasis einzubeziehen ist technisch schwierig und politisch umstritten. Gegen die Besteuerung von Akademikern wie Rechtsanwälten und Ärzten gibt es zwar weniger Vorbehalte, sie ist aber technisch ziemlich kompliziert. Die Folge ist, dass vor allem die Unternehmen die Steuerlast tragen – mit einigen perversen Folgen.

Beispielsweise gibt es einen Trend zu immer mehr politisch motivierten Steuerbefreiungen, die einerseits die Staatseinnahmen verringern und andererseits Legitimitätsprobleme verschärfen. Willkürliche Steuerbefreiungen schaffen Raum für Bestechung, verzerren den Wettbewerb und steigern die Nachfrage nach noch mehr Ausnahmen. Darüber hinaus verfestigen sie die weit verbreitete Annahme, das Steuersystem sei ungerecht und Steuerhinterziehung sowie die Suche nach Schlupflöchern seien legitim. Hässliche Auswirkungen von Steuerbefreiungen wurden beispielsweise in Sambia (Soest, 2006) deutlich: Während der Regierungszeit von Präsident Frederick Chiluba dienten Steuerbefreiungen als Belohnung für politische Unterstützer, während die Opposition mit Steuerprüfungen schikaniert wurde.

In den vergangenen 15 Jahren haben viele afrikanische Länder ihre Steuerverwaltung reformiert und halbautonome Steuerbehörden außerhalb der Finanzministerien geschaffen (Fjeldstad, 2006). Das Ziel war, politische Einflüsse auf die Behörden zu verringern und die Regeln zur Einstellung, Bezahlung und Kündigung von Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung zu lockern. In der Regel wurden das obere Management, aber auch viele Angestellte unterer Ebenen ersetzt. Diese Maßnahmen sollten die Arbeitsmotivation steigern und Korruption verringern.

Diese Reformen waren teilweise erfolgreich. Nominal sind die Steuereinnahmen gestiegen, doch in Relation zum Bruttoinlandsprodukt weniger stark als erwartet. Noch deprimierender: Die Verantwortlichkeit gegenüber den Steuerzahlern hat in vielen Fällen keine Fortschritte gemacht. Insbesondere zwei Faktoren erklären das:

Trotz relativ hoher Löhne und guter Arbeitsbedingungen blüht die Korruption weiterhin. Wenn es von Unternehmern eine hohe Nachfrage nach korrupten Diensten gibt, teilweise verursacht durch beschwerliche Verfahren, dann ist es unrealistisch, Steuerbeamten Löhne in Höhe der entgangenen Bestechungsgelder zu zahlen. Ohne umfassende und effektive Kontrolle entstehen auf diesem Weg einfach nur besser bezahlte, aber immer noch korrupte Steuerverwaltungen. Auch Entlassungen und Neueinstellungen können zu mehr Korruption führen, wenn die Entlassenen mit ihren früheren Kollegen zusammenarbeiten. Beispielsweise können sie vom Privatsektor als „Steuerexperten“ angestellt werden – so geschehen in Tansania (Fjeldstad, 2003).

Zweitens stehen viele afrikanische Regierungen unter dem starken Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Geber, bestimmte Einnahmeziele zu erreichen. Die Behörden reagieren darauf mit einer Kombination aus noch stärkerem Druck auf registrierte Steuerzahler und quasimilitärischen Razzien in anderen Unternehmen, über die es keine detaillierten Informationen gibt. In Uganda wurden Maßnahmen gegen Schmuggler und Steuerhinterzieher sogar mit Hilfe der Armee durchgeführt. Versuche, von außen gesetzte Steuerquoten zu erfüllen, können also die demokratische Verantwortlichkeit untergraben, wenn der Rechtsweg und die Rechte von Steuerzahlern außer Kraft gesetzt werden. Natürlich tragen viele Seiten an einem solchen Verhalten Schuld, nicht allein der IWF. Der Punkt ist, dass ein rein ökonomischer Ansatz in der Steuerpolitik perverse Ergebnisse bringen kann – sowohl für die politische Ordnung als auch für die Wirtschaft.

Der Weg voran

Drei grundsätzliche Politikempfehlungen lassen sich aus den Erfahrungen der letzten 15 Jahre ziehen:
– Erstens muss die Debatte über den Zusammenhang zwischen Steuern und Entwicklung auf eine breitere Grundlage gestellt werden; es geht um mehr als nur ökonomische Aspekte.
– Zweitens muss besser verstanden werden, was die Bürger zur Steuerehrlichkeit antreibt.
– Drittens muss das Engagement von Bürgern für Angelegenheiten der öffentlichen Finanzen gefördert werden.

Bislang haben IWF und Weltbank die Debatte über Steuerreformen beherrscht. Sie haben zwar wichtige Beiträge geleistet, neigen aber dazu, wichtige soziale und politische Aspekte zu übersehen. Ihr Ansatz ist dem Aufbau von auf Steuern basierenden konstruktiven Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft nicht dienlich. Zudem haben sich IWF und Weltbank bislang fast ausschließlich auf Zentralregierungen und ihre Einnahmen konzentriert. Subnationale Steuersysteme wurden weitgehend ignoriert, obwohl sie im Allgemeinen viel mehr Bürger betreffen. Daher müssen die Beziehungen zwischen Zentralstaat und subnationalen Ebenen ebenfalls thematisiert werden.

Ob Steuergesetze befolgt werden, ist nicht nur eine Frage ihrer strengen Durchsetzung und der Bestrafung von Steuerhinterziehern. Es geht auch darum, ob die Mehrheit der Bürger die Steuerpraxis als gerecht und zumutbar ansieht. Die Achtung der Rechte von Steuerzahlern erfordert deshalb mehr Aufmerksamkeit. Von drastischen Zwangsmaßnahmen zur Steuereintreibung, wie sie einige Behörden in Afrika durchführen, sollte abgesehen werden. Darüber hinaus müssen Steuerbefreiungen überprüft werden, weil sie sowohl die Zahlungsmoral untergraben als auch die Einnahmen mindern.

Aus diesem Grund sollten auch die Geber erwägen, selbst Steuern zu zahlen. Das würde zwar nicht unbedingt mehr Geld in die Haushalte der Entwicklungsländer spülen. Es würde aber die Glaubwürdigkeit sowohl der Regierungen als auch der Geber steigern. Mit der Zeit sollten die Budgets der Entwicklungsländer von strengeren Kontrollen, mehr Transparenz und einer gerechteren Ressourcenallokation profitieren. Der Internationale Steuerdialog (International Tax Dialogue) hat zwar eine Diskussion über die Abschaffung von Steuerbefreiungen im Rahmen bilateraler und multilateraler Hilfe angestoßen, doch die Beteiligten müssen eine Übereinkunft erst noch finden.

Schlussendlich müssen die Bürgerrechte und der Zugang zu Informationen zu Budgetfragen gestärkt werden. Der Aufbau von Kapazitäten von Gesetzgebern, Unternehmerverbänden und Wirtschaftsjournalisten bleibt daher wichtig. Institutionen sind abhängig vom Vertrauen der Öffentlichkeit – das gilt auch für Steuersysteme.

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