Behinderung

Der Fall Amdework Yitayal

Amdework kam 1992 in der Region Amhara in Äthiopien zur Welt. Er war das erste Kind seiner Eltern, gesund und fröhlich – bis ihn mit 15 Jahren schlimme Kopfschmerzen befielen. Seine Eltern waren arm, eine medizinische Diagnose erstellen zu lassen oder gar eine Behandlung konnten sie sich nicht leisten.
Obwohl sie längst die Regel sein sollten, sind angemessene Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen weiterhin die Ausnahme: Kinder am Blindenzentrum in Shashemene, Äthiopien. Sean Sprague/Lineair Obwohl sie längst die Regel sein sollten, sind angemessene Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen weiterhin die Ausnahme: Kinder am Blindenzentrum in Shashemene, Äthiopien.

Sie hörten auf den Rat von Nachbarn und Freunden und versuchten ihr Kind mit Hilfe traditioneller Medizin zu heilen. Die Folgen von Erkrankung und unangemessener Behandlung waren drastisch: Der Junge erblindete. Mit finanzieller Hilfe der Verwandten brachten die Eltern ihren Sohn schließlich in ein Gesundheitszentrum. Medizinisch könne man ihm nicht mehr helfen, sagte ihnen der dortige Augenarzt.

Amdeworks Eltern verloren die Hoffnung. Die Zukunft ihres Sohnes sah düster aus und der Junge lebte isoliert von der Gemeinschaft wie eingesperrt in seinem Zuhause.

Dann entschloss sich Amdework, auf eine traditionelle Kirchenschule zu gehen, um Diakon zu werden. Im ländlichen Äthiopien glaubt man, dass das Priesteramt die einzige Berufschance für sehbehinderte Menschen ist. Es ist immerhin eine Möglichkeit, Geld zu verdienen und eigenständig zu leben. Zudem sind Kirchenschulen für sie zugänglich. Denn gelehrt und gelernt wird durch Rezitation, was für Sehbehinderte ideal ist. Die meisten Äthiopier halten diese Schulen für den richtigen Ort für Blinde.

Um eine gute Ausbildung zu erhalten, musste Amdework ins 400 Kilometer entfernte Debre Berhan ziehen, wo es mehrere Kirchenschulen gibt. Auf der Ansas St. Marry Church School lernte er Bibelverse, Gedichte, Kirchenlieder und Ähnliches. Da Amdework keine Verwandten in der Stadt hatte und niemand für ihn aufkam, blieb ihm zeitweise nichts anderes übrig, als um Essen, Unterkunft und Kleidung zu betteln.

Schließlich half ihm die zivilgesellschaftliche Help for Persons with Disabilities Organisation (HPD-O), die sich auf gemeindebasierte Rehabilitation (CBR) spezialisiert hat. Sie nutzt lokale Ressourcen, um Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft zu integrieren. CBR beschränkt sich nicht auf religiöse Ausbildungen, sondern zielt auf eine umfassende Inklusion.

HPD-O übernahm die Kosten für Amdeworks Ausbildung, inklusive Schuluniform, Braillepapier und Blindenstock. Außerdem bot ihm die Organisation Nachhilfe und Beratung. 2009 wurde Amdework in die Grundschule aufgenommen. Im Schuljahr 2012/2013 besuchte er die 5. Klasse – und war der beste unter 250 erwachsenen nichtbehinderten Schülern.

Inzwischen ist Amdework ein selbst­bewusster junger Mann. Wenn er keine Schule hat, verkauft er in Debre Berhan Lotto-Scheine, um sich seinen Lebens­unterhalt zu verdienen. Er sagt: „Ich habe zwar schlechte Augen, aber HPD-O hat ein strahlendes Licht in mein Herz gepflanzt, das ein Versprechen für
meine Zukunft ist." (ay)

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