Politisch blockiert

Langer Weg zur echten Verhandlung

Venezuelas Wirtschaftskrise hält an, und sein politisches System ist blockiert. Nach neun Monaten heftigen Protests ist Präsident Nicolás Maduro weiter im Amt. Das Land braucht einen Neustart, und dafür müssen Regierung und Opposition miteinander sprechen.
Leere Supermarktregale im Januar in Caracas. picture-alliance/Zuma Press Leere Supermarktregale im Januar in Caracas.

Venezuelas Lage ist prekär. Die Bevölkerung leidet unter Inflation, Arbeitslosigkeit und Lebensmittel- sowie Medikamentenknappheit. Nach immenser Preissteigerung kostet eine Tasse Kaffee umgerechnet mittlerweile 3900 Euro. Anfang vorigen Jahres waren es drei Euro. Ursachen der Krise sind schlechte Regierungsführung und Korruption, aber auch Wirtschaftssanktionen. Obwohl die Regierung die Bürgerrechte nicht beachtet, kann die Opposition weiterhin Massen mobilisieren.

Im Januar hatte der Präsident der Nationalversammlung, Juan Guaidó, Maduro als gescheitert bezeichnet und sich selbst zum neuen Interimspräsidenten ernannt. Die USA, Deutschland und verschiedene andere EU-Mitglieder erkannten ihn an. Sie erwarteten, Maduro werde angesichts des breiten Widerstandes bald stürzen. Er ist aber weiter im Amt – unterstützt von Militär und Sicherheitskräften.

Die internationale Staatengemeinschaft hat nicht einheitlich auf die Krise reagiert. Unter Washingtons Führung beschlossen mehrere Länder Wirtschaftssanktionen, um Maduro weiter zu schwächen. Dagegen versuchten Norwegen, Uruguay und Mexiko, Gespräche zwischen Maduro und Guaidó zu vermitteln. Das scheiterte jedoch, weil die Regierung über Sanktionen klagte. Russland und China halten derweil zu Maduro und wenden sich gegen jegliche „Einmischung in innere Angelegenheiten“.

Angesichts des politischen Patts ließ das internationale Medieninteresse an Venezuela nach. Einige aktuelle Entwicklungen sind aber spannend. Die Kommission für Wahrheit, Recht und öffentliche Ordnung (Comisión de la Verdad, la Justicia, la Paz y Tranquilidad Pública) wurde neu einberufen und könnte sich als nützliches Forum erweisen. Zudem wurde Edgar Zambrano, der Vizepräsident der Nationalversammlung, aus rechtswidriger Haft entlassen. Die Regierung hat versprochen, weitere politische Gefangene freizulassen und die Wahlbehörde, der die Opposition Parteilichkeit vorwirft, neu auszurichten.

2020 endet die fünfjährige Amtszeit der Nationalversammlung, sodass Parlamentswahlen anstehen. Bislang hat die Regierung keine Mehrheit, weshalb sie 2017 eine verfassunggebende Versammlung einberief, deren Wahl aber internationalen Beobachtern zufolge weder fair noch frei verlief. Venezuela hat also zwei konkurrierende Parlamente, wobei die Nationalversammlung stärker legitimiert ist.

Wahlen könnten im nächsten Jahr das politische Patt beenden. Es heißt gelegentlich, dass Maduro sich manchen Oppositionskreisen gegenüber kompromissbereit gebe, zeige, dass er sich stark fühle und glaube, Gaidó beispielsweise mit der Freilassung von Dissidenten diskreditieren zu können. Die Regierung wirft dem Oppositionspolitiker auch Inkompetenz und Verwicklungen in Drogengeschäfte vor. Dennoch bleibt Guaidó wichtig. Kürzlich sprach sich die Frente Amplio Venezuela Libre (breites Bündnis für ein freies Venezuela) für ihn aus. Ihr gehören 20 Parteien sowie die 300 Gewerkschaften, Arbeitgeberorganisationen, Studentenvereinigungen und zivilgesellschaftliche Initiativen an.

Venezuela braucht Versöhnung, aber das geht nicht schnell. Südafrika überwand die Apartheid auch nicht mit einem einzigen Abkommen. Nötig waren vielmehr viele informelle formale Gespräche. Vor der abschließenden Einigung war es immer wieder nötig, sich darauf zu einigen, eine gemeinsame Lösung zu finden.

In Venezuelas ist noch keine Lösung in Sicht. Wenn es gut läuft, entstehen jetzt aber Rahmenbedingungen für Verhandlungen. Nur Venezolaner selbst können Venezuelas Probleme lösen, und dafür müssen die verfeindeten Lager, die Maduro and Guidó derzeit anführen, miteinander ins Gespräch kommen.

Die internationale Staatengemeinschaft kann keine Lösung vorschreiben oder auch nur beeinflussen. Sie kann aber nach dem Vorbild Norwegens, Uruguays und Mexikos zu Gesprächen ermutigen. Wer nur eine der Konfliktparteien unterstützt, hilft nicht. Dass Sanktionen nicht funktionieren, ist mittlerweile evident.


Fabio Andrés Díaz Pabón ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Rhodes University in Südafrika und forscht am Internationalen Institute of Social Studies in Den Haag.
diazpabon@iss.nl

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