Höhere Gehälter

Entwicklungsländer brauchen nicht nur für die Ausbildung von Fachkräften mehr Geld. Wenn sie professionelles Pesonal nicht ausreichend bezahlen können, wird die Abwanderung kompetenter Kräfte Armut und Not verstetigen.


[ Von Tobias Hauschild ]

In vielen Entwicklungsländern herrscht eklatanter Mangel an Fachkräften im Bereich öffentlicher Dienstleistungen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2006) fehlen weltweit über vier Millionen Fachleute im Gesundheitswesen – Ärzte eingeschlossen. Die Folge: Millionen Menschen sind krank oder sterben. Oxfam (2007) schätzt, dass etwa zwei Millionen zusätzliche Lehrer benötigt werden. Deshalb können 80 Millionen Kinder nicht zur Schule gehen.

Bevölkerungswachstum und die Abwanderung von qualifizierten Kräften zu besser bezahlten Stellen ins Ausland machen das Problem besonders dringlich. Die internationale Entwicklungspolitik muss dazu beitragen, den Mangel zu beheben.

Entwicklungszusammenarbeit ist dann am wirksamsten, wenn die Empfängerländer selbst entscheiden, wie sie die Mittel verwenden. Es spricht daher viel dafür, offizielle Entwicklungshilfe (ODA) in Form allgemeiner und sektoraler Budgethilfe zu leisten, um die Umsetzung nationaler Armutsreduzierungsstrategien zu fördern. Mit der direkten, nicht an spezifische Projekte oder Ausgabenposten gebundenen Unterstützung der nationalen Haushalte sind bereits gute Erfahrungen bei der Ausweitung grundlegender öffentlicher Gesundheits- und Bildungsdienste gemacht worden. Um die Kalkulierbarkeit der Mittelflüsse in den armen Ländern zu stärken, sollten die Geber solche Budgethilfen zudem über längere Zeitspannen als bisher gewähren.

Ein großer Nachteil der bisherigen Finanzierungsmethoden ist, dass zu wenig Geld für die Bezahlung lokaler Fachkräfte bereitgestellt wird. Oxfam hat errechnet, dass derzeit nur acht Prozent der weltweiten ODA-Mittel so flexibel und langfristig eingesetzt werden, dass sie für diesen Zweck zur Verfügung stehen. Die internationale Gebergemeinschaft muss in dieser Hinsicht mehr tun.

Besonders in Afrika besteht dringender Handlungsbedarf: In den Ländern südlich der Sahara arbeiten derzeit nur 600 000 Gesundheitsfachkräfte. Benötigt wird mindestens eine weitere Million. Tansania bildet im Gesundheitssektor beispielsweise jährlich nur 640 Pflegekräfte und Mediziner aus. Das Land bräuchte aber jährlich 3500 zusätzliche Fachkräfte, um den von der WHO empfohlenen Mindestpersonalschlüssel bis 2015 zu erreichen.

Im Bildungssektor ist die Situation ähnlich. Damit jedes Kind im Grundschulalter eine Klasse von maximal 40 Schülerinnen und Schülern mit einer ausgebildeten Lehrkraft besuchen kann, müssten nach Einschätzung der UNESCO bis 2015 allein in Afrika südlich der Sahara mindestens 1,7 Millionen Lehrer zusätzlich eingestellt werden.

Viele Entwicklungsländer gehen das Problem des Fachkräftemangels an. Einige haben den Personalstand im Gesundheits- und Bildungswesen erheblich erhöht. Wesentlich sind dabei aber nicht nur auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnittene Rekrutierungs- und Ausbildungsprogramme, sondern auch höhere Gehälter. Das gilt vor allem im ländlichen Raum. Wichtig ist auch die verstärkte Beschäftigung von Frauen, besseres Management der Sektoren und höhere Investitionen in die Infrastruktur.

Nützliche Initiativen

Die 1999 und 2005 im Rahmen der G8 beschlossenen Schuldenerlasse für hoch verschuldete arme Länder (HIPCs) haben den Spielraum für Sozialausgaben vergrößert. Ein Bericht der Weltbank (2006) zeigt, dass entschuldete HIPC-Länder ihre Ausgaben für Armutsbekämpfungsprogramme zwischen 1999 und 2005 verdoppelten. Infolgedessen konnten in Mosambik, Uganda oder Malawi zusätzliche Fachkräfte eingestellt werden.

Entscheidend zu den Fortschritten beigetragen hat die im Jahr 2002 ins Leben gerufene Fast-Track-Initiative „Bildung für alle“ (FTI). Sie ist ein wegweisendes Beispiel für eine neue Form der Entwicklungszusammenarbeit. Die FTI ist ein internationaler Koordinierungsmechanismus. Die Regierungen der armen Länder erstellen Zehn-Jahres-Pläne für den Bildungssektor und erhöhen ihre Bildungsausgaben. Die vorgelegten Pläne werden vom FTI-Sekretariat, das bei der Weltbank angesiedelt ist, bestätigt. Im Gegenzug verpflichten sich die Geberländer, die Bildungspläne zu finanzieren. Das FTI-Sekretariat berichtet über die finanzielle Deckung sowie über Finanzierungslücken bei der Umsetzung der Bildungsstrategien.

Ein vergleichbarer Koordinationsmechanismus könnte auch im Gesundheitssektor helfen, ganzheitliche Strategien zu entwerfen und die Versorgung der gesamten Bevölkerung zu gewährleisten. Armen Ländern würde das bei der Formulierung umfassender Pläne (Sector-Wide Approaches, SWAps) und der Weiterentwicklung bereits existierender Konzepte helfen. Die Geberländer sollten sich langfristig verpflichten, die Reformen finanziell zu unterstützen. Zur Bewertung der Gesundheitsstrategien könnte ein kleines Sekretariat bei der WHO angesiedelt werden.

Die Bundesregierung hat im Rahmen der deutschen G8-Präsidentschaft die Debatte über eine Initiative zur Stärkung des Gesundheitswesens in Entwicklungsländern angestoßen. Diese muss nun weitergeführt werden.

Nach offiziellen Schätzungen beläuft sich der absolute Mindestbedarf für die Ausbildung und Bezahlung von Fachkräften im Gesundheitswesen der von Personalmangel betroffenen Länder auf rund sieben Milliarden Dollar. Die Vergleichszahl im Bildungssektor beläuft sich auf 6,7 Milliarden Dollar. Der tatsächliche Finanzbedarf dürfte aber deutlich höher liegen (Oxfam, 2007).

Die offiziellen Berechnungen beruhen nämlich auf den aktuell gezahlten Gehältern, die aber bekanntlich zu niedrig sind, um Brain Drain zu verhindern. Ebenfalls nicht eingerechnet ist der Bedarf an zusätzlichen Ausbildungskapazitäten. Die UNESCO schätzt, dass weltweit jährlich neun Milliarden US-Dollar zusätzlich gebraucht werden, allein um das zweite Millennium-Entwicklungsziel (MDG 2) „Grundschulbildung für alle Kinder bis 2015“ zu erreichen.

Auch Deutschland sollte bei der Unterstützung öffentlicher Grunddienste in armen Ländern mehr Engagement zeigen. Besonders im Bildungsbereich besteht dringender Handlungsbedarf: Nach Angaben der Globalen Bildungskampagne müsste die deutsche Regierung etwa 470 Millionen US-Dollar mehr für die Grundschulbildung in Entwicklungsländern bereitstellen, um einen angemessenen Anteil am weltweiten Finanzierungsbedarf für das Erreichen des Millenniumsziels Nummer 2 zu stellen.

Wie eine Anhörung im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Juni ergab, umfassten 2005 die deutschen Hilfsleistungen für den gesamten Bildungssektor 985 Millionen Euro. Davon entfielen jedoch mehr als zwei Drittel – 745 Millionen Euro – auf die Bereitstellung von Studienplätzen für ausländische Studierende. Es bleibt allerdings unklar, ob das eher dem deutschen Hochschulwesen oder den Bildungs- und Gesundheitssystemen armer Länder dient.

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