Autoritäre Herrschaft

Prinzipien einhalten

Im Iran ist die Menschenrechtslage seit dem Atomabkommen von 2015 schlechter geworden. Die USA, Deutschland, Frankreich, Britannien, Russland und China hatten dem Land das Ende von Wirtschaftssanktionen im Gegenzug für den Stopp des Atomprogramms zugesagt. Nun müssen westliche Regierungen darauf dringen, dass Teheran die Menschenrechte einhält. Firmen, die dort Geschäfte machen, sollten auch darauf achten, fordert Amnesty International (AI).
Präsident Hassan Rouhani hofft, im Mai wiedergewählt zu werden. picture-alliance/AP Photo Präsident Hassan Rouhani hofft, im Mai wiedergewählt zu werden.

Einem aktuellen AI-Bericht zufolge haben staatliche Stellen im Iran 2016 die Unterdrückung von Menschenrechtsverteidigern verschärft. Festnahmen friedlicher Demonstranten und unfaire Gerichtsverhandlungen würden derweil zunehmend mit Sorge um die nationale Sicherheit begründet. Folter sei verbreitet, und 2016 seien Hunderte hingerichtet worden. Das Regime unterbinde auch Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen sowie gegen ethnische und religiöse Minderheiten nicht. Laut AI wertet die Jus­tiz Kritik an der Menschenrechtslage und diesbezügliche Kontakte zu den UN und anderen internationalen Organisationen als kriminell.

Aus Sicht von Menschenrechtsaktivisten kann das Atomabkommen zur Freikarte werden, die dem Iran erlaubt, Verpflichtungen zu vernachlässigen, die dem Land aus internationalen Verträgen über Menschenrechte erwachsen. Iran hat unter anderem den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet.

Das Land kann sich auf dem Weltmarkt nun wieder dringend benötigte Güter und Technik beschaffen. Seinen Handelspartnern winken hohe Umsätze und Gewinne. René Wildangel von AI fordert aber, den Neustart als „Chance zur Verbesserung der Menschenrechtslage“ zu nutzen. Westliche Regierungen müssten Druck machen. Erweiterung und Vertiefung von Wirtschaftsbeziehungen sollten an Bedingungen geknüpft werden. So könnten beispielsweise Delegationen von Parlamentsmitgliedern aus Deutschland und anderen europäischen Ländern darauf bestehen, politische Gefangene zu besuchen.

Auch Ali Fathollah-Nejad erkennt derartigen Handlungsspielraum. Er arbeitet für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sowie die Harvard Kennedy School. Er urteilt, die Eliten im Iran wüssten, dass sie den Westen brauchen – unter anderem wegen Technologie und Know-how.

Das iranische Regime weiß aber, dass andere autoritäre Regime mit westlichen Ländern Geschäfte machen, ohne wegen Menschenrechtsverletzungen nennenswerte Konsequenzen fürchten zu müssen. Fathollah-Nejad findet, der Westen müsse „kreativ denken“ und neue Wege zu finden, um auf die Menschenrechtslage im Iran Einfluss zu nehmen.

Der Politikwissenschaftler warnt aber davor, wieder lähmende Sanktionen zu beschließen. Das würde nur die Hardliner stärken. Bei einer DGAP-Veranstaltung in Berlin Ende Februar waren sich Iran-Experten einig, dass die Drohungen von US-Präsident Donald Trump, das Atomabkommen zu widerrufen, nicht hilfreich sind.

Fathollah-Nejad findet, westliche Regierungen folgten in der Nahost- und der Nordafrikapolitik dem „Paradigma autoritärer Stabilität“. Die Unterstützung von Diktaturen führe – wie der arabische Frühling dramatisch gezeigt habe – nicht zu dauerhafter Stabilität. Erschwerend komme hinzu, dass die Kooperation mit autoritären Regimen oft nur kleinen Eliten Vorteile bringe.

Das gilt auch für die neuen interna­tionalen Wirtschaftskontakte des Iran. Laut einer Analyse der Nachrichtenagentur Reuters betrafen bislang von 110 Abkommen mit einem Gesamtwert von 80 Milliarden Dollar 90 Abkommen staatliche oder staatlich kontrollierte Unternehmen im Iran. Selbst Ayatollah Chamenei, der Oberste Religionsführer, sei beteiligt gewesen.

Die Fachwelt rechnet nicht damit, dass sich die Menschenrechtslage im Iran vor den Präsidentschaftswahlen im Mai verbessert. Amtsinhaber Hassan Rouhani will wiedergewählt werden. Hardliner werden ihm Schwäche vorwerfen und klagen, sein Atomabkommen habe Massen von Iranern nichts gebracht.

Iran-Beobachter finden indessen auch Trends zu populistischer Politik in westlichen Ländern alarmierend – besonders in den USA. Sie sind sich einig, dass die Lage für Menschenrechtsverteidiger in autoritär regierten Ländern umso schwieriger wird, je weniger westliche Länder ihre demokratischen Prinzipien selbst ernst nehmen.


Link
Amnesty International: Annual Report – Iran 2016/2017.
https://www.amnesty.org/en/countries/middle-east-and-north-africa/iran/report-iran/