Kommentar

Risiko-TV

Gewaltsame Anschläge von zehn bewaffneten Männern schockierten Ende November Mumbai und die ganze Welt. Viele Inder fanden das Blutbad entsetzlich, fühlten sich aber auch von der Art der Fernseherichterstattung abgestoßen. Eine Kritik in zehn Punkten.

[ Von Bishakha Dutta ]

1) Nicht nachgefragt. Wie viele Bewaffnete waren es eigentlich? Wie viele Menschen starben wirklich? Wie viele Boote landeten in Mumbai? Wie gelang es zwei bewaffneten Männern, das Trident/Oberoi Hotel mit mehr als 350 Zimmern in Schach zu halten? Bestand der Verdacht, dass weitere Bomben an anderen Stellen in der Stadt platziert waren? Grundlegende Fragen wie diese wurden nicht gestellt, während die Krise noch eskalierte.

2) Spekulationen statt Fakten. Die Zahl der Bewaffneten, die Bombay terrorisieren sollten, fiel binnen drei Tagen von 20 bis 25 auf zehn, im „Trident Oberoi“ von sieben bis zehn auf nur zwei. Das schürte unnötig Panik; viele Menschen dachten, weitere Amokläufer seien noch unterwegs. Berichterstattung darf nicht einfach Behauptungen wiedergeben, die nicht verifiziert werden können. Zumindest müssen offizielle Aussagen in Frage gestellt werden.

3) Vorgefasste Meinungen. Was bedeutet „pakistanische Beteiligung“? Ein Unterschied zwischen aus Pakistan stammenden Individuen oder Gruppen und dem pakistanischen Staat wurde nicht gemacht. Angenommen in einem anderen Fall irgendwo auf der Welt würde ein Mobiltelefon mit Anrufen nach Indien gefunden – würde das auf „Indiens“ Beteiligung belegen?

4) Grob vereinfachend. Die Berichterstattung wurde zur Parabel von Gut gegen Böse: „Mutige gegen Feiglinge“, „unbesungene Helden gegen Bösewichter“ und dann – noch schlimmer – „Pakistan gegen Indien“

5) Einseitig auf die Oberschicht fixiert. Mumbais Hauptbahnhof, den täglich Millionen nutzen, wurde attackiert. Aber die TV-Sender berichteten praktisch nur über zwei Fünf-Sterne-Hotels, in denen das Drama weiterging.

6) Dümmlich. Was bitte sollen die Opfer eines Anschlags sagen, wenn sie gefragt werden, wie sie sich fühlen? „Hatten Sie Angst?“ (Nein, ich war freudig erregt, als ich die Bomben um mich herum explodieren hörte.)

7) Privatsphäre verletztend. Fernsehsender scheuten sich nicht, Sabina Sehgal Saikias Mann live zu interviewen, als alles darauf hindeutete, dass sie wahrscheinlich tot war.

8) Aufheizend. Permanent gebrauchten die Medien emotional aufgeladene Begriffe wie „Terroristen“ statt Attentätern, „heimtückisch“, „abscheulich“, „feige“ et cetera.

9) Theatralisch. War das Drama nicht groß genug? „Zersplittertes Glas, zersplittertes Glas“ hyperventilierte eine TV-Reporterin im Taj Hotel. Was hatte sie erwartet? Eine seltene Orchidee?

10) Regelrecht gefährlich. Berichterstatter gaben den Aufenthaltsort von Menschen im Hotel preis – und heizten mit dem Grundton „Pakistan gegen Indien“ einen als Patriotismus verbrämten radikalen Chauvinismus an.

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