Inflation

Noch ein ökonomischer Tsunami

Finanzminister Mthuli Ncube untersagt dem Statistikamt Simbabwes seit August die Veröffentlichung von Daten über Preissteigerungen. Das ist ein deutliches Zeichen einer Wirtschaftskrise. Im Sommer betrug Inflationsrate mehr als 170 Prozent.
Hyperinflation machte den alten Simbabwe-Dollar vor zehn Jahren wertlos. Frommenwiler / picture alliance / prisma Hyperinflation machte den alten Simbabwe-Dollar vor zehn Jahren wertlos.

Derart schnell steigende Preise lassen Ersparnisse dahinschmelzen und verschlimmern Armut. Vor einem Jahrzehnt war die Inflationsrate höher und stieg auf das astronomische Niveau von mehr als 200 Millionen Prozent. Der Staat bekam das Problem nur durch Aufgabe der nationalen Währung in den Griff. Premierminister Morgan Tsvangirai führte den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel ein. Er regierte in einer prekären Koalition mit dem damaligen Präsidenten Robert Mugabe, dem kürzlich verstorbenen Autokraten und ehemaligen Anführer der Unabhängigkeitsbewegung.

Vor zwei Jahren stürzte das Militär Mugabe, weil er seine Frau Grace als Nachfolgerin durchsetzen wollte. Das missfiel vielen Spitzenleuten seiner Partei ZANU-PF. Sein Vizepräsident Emmerson Mnangagwa ist jetzt Staatschef.

Seit 2009 hat Zimbabwe also keine eigene Währung mehr. Dennoch wachsen die Probleme wieder. In diesem Jahr hat die Regierung die Verwendung des Dollars verboten, denn er wurde schon seit geraumer Zeit immer knapper. Noch in Mugabes Amtszeit wurden deshalb staatliche Schuldscheine mit nominellen Dollarwerten ausgegeben. Echte Dollarnoten waren aber beliebter, weshalb der Wert der Schuldscheine stetig verfiel. Später führte die Regierung eine digitale Währung namens RTGS Dollar ein. „RTGS“ steht für „real-time gross settlement“ (Begleichung in Echtzeit). An der Dollar-Aufwertung änderte das nichts.

Also untersagte die Regierung die Nutzung des Dollars und anderer ausländischer Währungen in Simbabwe – und verschärfte damit die Krise. Das Land erlebt nun einen weiteren Wirtschafts-Tsunami, der immer weiter anschwillt. Die Menschen sind wütend; vielen fällt es schwer, sich auch nur Grundnahrungsmittel zu kaufen. Die Notlage macht internationale Schlagzeilen und schreckt Investoren ab. Derweil respektiert die Regierung in die Menschenrechte immer weniger und versucht verzweifelt, die Lage in den Griff zu bekommen. Sie unterdrückt Proteste mit Gewalt, wobei Menschen getötet und verletzt werden.

Besonders bizarr ist, dass Simbabwer gar nicht recht wissen, welche Währung sie eigentlich verwenden sollen. Weder die Schuldscheine noch der RTGS-Dollar sind echte Währungen. Erstere gibt es auf Papier, der Letztere ist digital. Die Regierung hat ihre Ankündigung, einen neuen Simbabwe-Dollar einzuführen, bislang noch nicht wahr gemacht. Staatliche Stellen werten das provisorische Geld als gesetzliches Zahlungsmittel.

Trotz des Verbots werden US-Dollar und andere ausländische Währungen heimlich weiterverwendet. Sie sind beliebter als die heimischen Alternativen. Fast 90 Prozent der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor, in dem die Menschen zwar nicht viel Geld verdienen, der sich aber staatlicher Aufsicht weitgehend entzieht. Wichtig ist zudem, dass viele Konsumgüter importiert werden, sodass ihre Dollar-Preise recht stabil sind. Folglich will niemand Zahlungsmittel akzeptieren, die nur im Inland gelten und deren Wert rasant verfällt.

Der Staat selbst nutzt selbstverständlich sein provisorisches Geld, sodass die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst ständig an Wert verlieren. Den Betroffenen wird immer wieder bessere Bezahlung versprochen, aber bis Anfang September war daraus nichts geworden. Für die Beschäftigten formal registrierter Firmen ist die Lage ähnlich hart.

Vor zehn Jahren brachte die Einführung des Dollars das Ende der Hyperinflation. In einer ähnlichen Situation fordert die Regierung heute dagegen den Verzicht auf den Dollar. Diese Politik ist wenig überzeugend. Der Ökonom John Robertson, der den Blog „Simbabwe Situation“ veröffentlicht, urteilt: „Der Wert einer Währung hängt von den Exporten und den Währungsreserven eines Landes ab – wir haben aber beides nicht.“ Das müsse sich ändern, um eine neue Währung zu ermöglichen. Der ehemalige Finanzminister Tendai Biti das ähnlich: „Für eine neue Währung besteht keine Grundlage.“

Es sieht nicht so aus, als würden Simbabwes wirtschaftliche Schwierigkeiten bald enden.

Jeffrey Moyo ist ein Journalist aus Harare.
moyojeffrey@gmail.com

 

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