Privatsektor-Entwicklung

„Die richtige Balance“

Innovative Unternehmensgründungen in Afrika sind wichtig – reichen aber nicht, um genügend viele Arbeitsplätze für Millionen junger Menschen zu schaffen. Christiane Laibach von der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft erläutert im Interview Grundherausforderungen der Privatsektor-Entwicklung.
Textilarbeiterin in einer nigerianischen Fabrik, die mit DEG-Geld unterstützt wird. DEG Textilarbeiterin in einer nigerianischen Fabrik, die mit DEG-Geld unterstützt wird.

Können wir davon ausgehen, dass jeder potenzielle Unternehmensgründer mit einer guten Idee in Afrika auch Finanzierungsmöglichkeiten findet?
Das lässt sich so allgemein nicht beantworten. Je geringer der Entwicklungsstand eines Landes ist, desto schwieriger ist es auch für Gründer, Finanzierungen zu erhalten. Das ist aber nicht der einzige Engpass. Grundsätzlich müssen die Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit in vielen afrikanischen Ländern verbessert werden. Die Herausforderungen reichen von schlechten Straßen und unzuverlässiger Stromversorgung bis zu mangelnder Rechtssicherheit und unzureichend qualifiziertem Personal. In solch einem Umfeld ist es nicht leicht, ein innovatives Unternehmen zu starten.

Die DEG unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen im formalisierten Sektor afrikanischer Länder mit Krediten oder Kapitalbeteiligungen (siehe Kasten nächste Seite). Wie finden Sie diese Firmen?

  • Wir nutzen mehrere Wege.
  • Wir haben eigene Büros in den wichtigen afrikanischen Märkten. In Lagos haben wir gerade ein neues eröffnet. Zudem sind wir in Accra, Abidjan, Nairobi und Johannesburg präsent. Von dort aus betreuen wir überwiegend mit lokalen Mitarbeitern, die ihre Weltgegend und die Unternehmerschaft vor Ort gut kennen, auch Nachbarländer.
  • Wir kooperieren eng mit afrikanischen Banken und unterstützen sie beim Ausbau und der Modernisierung ihrer Aktivitäten. In einigen Filialen solcher Partnerbanken haben wir sogenannte German Desks eingerichtet, um Mittelständler zu erreichen.
  • Wichtig ist zudem die Zusammenarbeit mit anderen europäischen beziehungsweise internationalen Development Finance Institutions, die ähnlich wie wir die Privatsektor-Entwicklung fördern.

Unsere Arbeit ist darauf ausgerichtet, vielversprechenden kleinen und mittleren Unternehmen ab einer gewissen Größe weiteres Wachstum zu ermöglichen und damit nachhaltige Entwicklung zu fördern. Start-ups und Gründer sind nicht unsere erste Zielgruppe. Nicht zuletzt, weil sie vor Ort eine noch intensivere Betreuung wünschen und auch brauchen, als wir leisten können.

An Tech-Hubs und anderen Gründerzentren beteiligen Sie sich also nicht?
Nein, das wäre für uns zu speziell. Das bedeutet aber nicht, dass wir solche Initiativen nicht gut finden. Die Erfahrung zeigt, dass Gründer von einem stimmigen Umfeld profitieren. Tech-Hubs bieten typischerweise eine gute digitale Infrastruktur, kreativen Austausch mit Kollegen sowie Kontakte zu Finanzinstituten. Meist sind solche Zentren auch international gut vernetzt.

Was für eine Art von Wirtschaftswachstum braucht Afrika, um genügend Arbeitsplätze für die vielen Millionen junge Leute zu schaffen? Innovative Websites reichen vermutlich nicht.
Wir beobachten, dass die vielen neuen Online-Plattformen und Apps, die in Afrika entstehen, zwar nur eine begrenzte Anzahl an Arbeitsplätzen schaffen, aber dennoch die Lebensverhältnisse vor Ort verbessern. Sie erweitern die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und bieten ihnen viel besseren Zugang zu Informationen, als sie bisher hatten. Das ist wichtig. Andererseits entstehen so nur wenige Jobs, und zwar vor allem für vergleichbar gut ausgebildete Leute. Auch das ist wichtig, weil es Perspektiven für qualifizierte Kräfte bietet. Klar ist aber auch, dass viele Arbeitsplätze für weniger qualifizierte Menschen gebraucht werden. Also muss das produzierende Gewerbe wachsen. Strategisch besonders wichtig ist die Verarbeitung von agrarischen und anderen Rohstoffen in Afrika sowie die Verbesserung von Lieferketten.

Die DEG unterstützt auch deutsche und europäische Firmen beim Engagement in Entwicklungsländern. Ist es beschäftigungs- und wirtschaftspolitisch relevant, ob Arbeitsplätze bei heimischen oder interna­tionalen Unternehmen entstehen?
Beschäftigungspolitisch ist eigentlich zweitrangig, wer die Arbeitsplätze schafft, solange möglichst viele entstehen. Ein Vorteil ausländischer Investoren ist, dass sie zusätzliches Know-how und Expertise mitbringen. Sie nutzen moderne Technik und aktuelle Managementmethoden. Andererseits werden diese Unternehmen sicherlich nicht genug Arbeit für alle schaffen, also müssen sich auch die lokalen Firmen entwickeln. Die lokale Industrie wird ausschlaggebend sein. Die Rahmenbedingungen müssen aber sowohl für ausländische als auch für heimische Investoren stimmen – und das berührt wieder die bereits erwähnten Punkte wie Infrastruktur, solide Regierungsführung und Formalisierung der Wirtschaft.

Wer die Wirtschaftszeitungen reicher Länder liest, kann den Eindruck gewinnen, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen umso besser sind, je niedriger die Steuern sind. Formalisierung bedeutet aber auch, die große Vielzahl kleiner informeller Betriebe zu besteuern.
In Europa halten wir heute viele Dinge für selbstverständlich, die letztlich auf staatlicher Daseinsvorsorge beruhen. Eine moderne Volkswirtschaft braucht nun mal eine gute Infrastruktur, und das schließt funktionierende Bildungs-, Gesundheits- und Rechtssysteme ein. Klare Regeln erleichtern die Unternehmenstätigkeit – nehmen Sie zum Beispiel die Lebensmittelverarbeitung. Wenn es verbindliche Haltbarkeitsdaten, Auskunftspflichten über Zutaten und so weiter gibt, muss das Management zwar für die Einhaltung sorgen, sich aber nicht selbst den Kopf darüber zerbrechen, welche Standards sinnvoll und nötig sind. Tech-Gründer wiederum brauchen den Schutz ihres geistigen Eigentums. Auf diese gesetzlichen Bestimmungen müssen sich alle verlassen können. Korruption unterhöhlt die Funktionstüchtigkeit von Verwaltungen. In diesem Sinne hat ein gutes Investitionsklima viele verschiedene Aspekte. Die Vorstellung, Märkte seien umso dynamischer, je weniger staatlichen Eingriffen sie ausgesetzt sind, führt in die Irre. Es kommt immer auf die richtige Balance an.


Christiane Laibach ist Vorsitzende der Geschäftsführung der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft. Die DEG gehört zur KfW Bankengruppe und fördert die Privatwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern.
presse@deginvest.de

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