Entwaldung

Globale Bestandsaufnahme

13 Millionen Hektar der weltweiten Waldfläche gehen jedes Jahr verloren. Das hat enorme Auswirkungen auf Mensch und Klima. Obwohl Entwaldung tendenziell abnimmt, ist weiterer Forstschutz unerlässlich. Von Monika Hellstern
Wegen größerer Trockenheit richten Waldbrände in Nordamerika mehr Schaden an als früher: Feuerwehrleute am Rand des Yosemite National Parks im August. AP Photo/picture-alliance Wegen größerer Trockenheit richten Waldbrände in Nordamerika mehr Schaden an als früher: Feuerwehrleute am Rand des Yosemite National Parks im August.

Nahezu ein Drittel der Landfläche der Erde – mehr als vier Milliarden Hektar – ist derzeit von Wald bedeckt. Noch vor 8000 Jahren gab es 35 Prozent mehr Waldbedeckung. Wälder dienen als Speicher für Trinkwasser und schützen vor Erosion, Lawinen und Überschwemmungen. Sie stabilisieren das Ökosystem, indem sie den Wasserhaushalt regulieren, biologische Vielfalt beherbergen und das Klima schützen, weil sie CO2 binden. Obendrein liefern sie  Forstprodukte wie Holz oder Heilpflanzen.

Erst seitdem große Teile der Menschheit sesshaft geworden sind und Landwirtschaft betreiben, ist die weltweite Waldfläche zurückgegangen. Holznutzung für Flottenbau und Rodung von Waldflächen für Ackerland haben schon vor Jahrhunderten in Europa und Asien zu einem dramatischen Rückgang der Waldfläche geführt. Mittlerweile schwinden Wälder auch in Afrika, Nord- und Südamerika. Nur ein Drittel der weltweiten Waldfläche sind noch vom Menschen unberührte Urwälder.

Seit 2000 ist der Tropenwaldbestand um 40 Millionen Hektar zurückgegangen, berichtet die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO im Global Forest Resources Assessment (FRA) von 2010, der alle fünf Jahre erscheint. Der Waldverlust hat gravierende Folgen. Die komplexen Ökosysteme der Tropen bieten einer einzigartigen Tier- und Pflanzenvielfalt Lebensraum. Diese geht langfristig verloren, wenn menschlicher Einfluss das ökologische Gleichgewicht stört. Bereits kleinere Eingriffe, wie selektiver Holzeinschlag, bei dem nur einzelne Bäume gefällt werden, können zu einem Rückgang der Artenvielfalt führen. Dabei ist der Mensch besonders im Hinblick auf Wirkstoffe für Arzneimittel von dieser Vielfalt abhängig.

Sämtliche Regenwaldgebiete in Südostasien, Südamerika und Zentralafrika sind von Holzeinschlag und Rodung bedroht. Die zuständigen Regierungen vergeben Konzessionen zum Abholzen häufig unter fragwürdigen Umständen. Außerdem halten sich Firmen nicht immer an die Vorgaben. Vielfach sind Wälder rechtsfreie Räume.

Holz wird oft unverarbeitet exportiert, sodass die Herkunftsländer kaum von der Verarbeitung profitieren. Firmen geht es aber nicht immer nur ums Holz. Oft wird die abgeholzte Fläche für den Anbau von Nutzpflanzen – häufig Monokulturen wie Soja- und Palmölplantagen – oder Rinderhaltung gebraucht. Um schnell an freie Flächen zu kommen, wird häufig Brandrodung eingesetzt. Von der neuen Landnutzung profitiert die einheimische Bevölkerung meist wenig.

Eine Strategie, um den Verlust von Wald aufzuhalten, ist Aufforstung. Mittlerweile machen angepflanzte Wälder sieben Prozent der weltweiten Waldfläche aus – Tendenz steigend. Aufforstungsbemühungen haben dazu beigetragen, dass Europa, Asien und Nordamerika im Gegensatz zum weltweiten Entwaldungstrend sogar eine Zunahme an Waldfläche verzeichnen. Besonders China hat in den letzten Jahren – auch mit deutscher Unterstützung – massiv Wälder im Norden des Landes angelegt, die Schutz vor Wüstenbildung bieten sollen. Durch Desertifikation verliert die Volksrepublik jedes Jahr enorme Flächen. Chinas „Grüne Mauer“ ist das größte Aufforstungsprojekt der Menschheitsgeschichte.

Die Neupflanzung von Wäldern bewirkte, dass sich im Vergleich zu den 1980er und 1990er Jahren der Rückgang der weltweiten Waldfläche immerhin verlangsamt hat. Der FRA berichtet, dass sich der Nettoverlust an Waldfläche zwischen 2000 und 2010 auf jährlich 13 Millionen Hektar belief, drei Millionen weniger als in den vorherigen Jahrzehnten. Nettoverlust bedeutet, dass die durch Aufforstung neu gewonnen Waldfläche zur gesamten Waldfläche hinzugerechnet wird und sich so die durch Rodung verlorene Fläche rechnerisch verringert. Der tatsächliche Waldverlust ist aber größer als 13 Millionen Hektar.

Aufforstung kann den Verlust von Urwäldern nicht ausgleichen, meint die Naturschutzorganisation WWF (World Wide Fund For Nature). Neue Wälder werden meist als Monokulturen und vor allem in gemäßigten Klimaregionen mit geringerer Biodiversität angepflanzt. Solche Plantagen können Urwälder also weder imitieren noch ersetzen. Allerdings können sie den Abholzungsdruck auf die Tropenwälder verringern. Sie liefern Forstprodukte, die sonst aus Regenwäldern entnommen würden. Die selektive Entnahme von Edelhölzern wie dem vom Aussterben bedrohten Mahagoni, wird dadurch wahrscheinlich aber nicht verhindert.

Der Klimawandel ist eng mit der Entwaldung verbunden. WWF-Experten schätzen, dass rund 15 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen auf Waldzerstörung zurückzuführen sind. Die aus dem freigesetzten CO2 resultierende Erderwärmung beschleunigt wiederum die Waldzerstörung. In Nordamerika fallen beispielsweise Waldbrände wegen größerer Trockenheit heute oft verheerender aus als früher – und richten auch in Naturschutzgebieten wie dem Yosemite National Park Schäden an.

Nur vier Prozent der Waldbrände haben natürliche Ursachen wie Blitzeinschlag. Zu 96 Prozent sind sie vom Menschen indirekt, fahrlässig oder vorsätzlich verursacht. In Südostasien sind fast immer menschliche Einwirkungen wie Brandrodung für Waldbrände verantwortlich. So wurden besonders in Indonesien, das in Südostasien am meisten von Entwaldung betroffen ist, enorme Waldflächen vernichtet.

 

Besserer Schutz

Wälder brauchen eine stärkere Lobby. Internationale Abkommen wie die Biodiversitäts-Konvention oder das Washingtoner Artenschutzübereinkommen müssen effektiver durchgesetzt werden. Sie haben den Schutz von Wäldern oder bedrohten Baum- und Tierarten zum Ziel. In der Praxis werden die Bestimmungen jedoch nur sehr langsam in nationale Gesetze umgesetzt. Ungefähr 13 Prozent der globalen Waldfläche sind derzeit als Nationalparks oder Wildreservate geschützt. Der WWF kritisiert, dass Qualität und Umsetzung dieser Richtlinien jedoch sehr verschieden sind. Schutzgebiete bestehen teils nur auf dem Papier.

Im April 2007 verabschiedete das UN-Waldforum (UNFF) ein rechtlich unverbindliches Übereinkommen zum Schutz der weltweiten Wälder. Die internationale Gemeinschaft setzte sich vier Ziele, die bis 2015 erreicht sein sollen:

  • weltweite Entwaldung durch nachhaltiges Waldmanagement aufzuhalten,
  • ökonomischen, sozialen und ökologischen Nutzen von Wäldern zu verbessern,
  • Waldschutzgebiete zu vergrößern und
  • Kürzung der Entwicklungshilfe (ODA – official development assistance) für Waldschutz aufzuhalten.

Wie viel dieses und andere Abkommen erreicht haben, wird in zwei Jahren der nächste FRA der FAO aufzeigen.

Wälder und Bäume besitzen aber noch eine andere, bedeutende Eigenschaft – sie wachsen nach und sind deshalb erneuerbar. Die Forstwissenschaftler Jürgen Blaser und Hans Gregersen gehen davon aus, dass die Menschheit davon in Zukunft mehr Gebrauch machen wird und muss. Wälder als Energielieferant sind eine umweltfreundliche Alternative zu begrenzten fossilen Brennstoffen.

Die Forscher gehen davon aus, dass die unkontrollierte Zerstörung der Regenwälder in den nächsten 50 Jahren weitergeht. Der Bedarf an Holz und Rohstoffen, die in Urwäldern abgebaut werden, sowie der Klimawandel, werden den Waldbestand weiter bedrohen. Würde der Waldschutz heute allerdings konsequent vorangetrieben, könnte sich dieser Trend umkehren und der Bestand in den nächsten 300 Jahren wieder wachsen, sagen die Wissenschaftler.

Monika Hellstern studiert Politikwissenschaft und arbeitet als freie Autorin.
euz.editor@dandc.eu

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