Verdammte dieser Erde

Paul Collier: The Bottom Billion.
Why the Poorest Countries are Failing and What Can Be Done About It.
Oxford University Press, 2007, 205 S.,
16,99 £, ISBN 978-0-19-531145-7

Dieses Buch verdient Beachtung. Paul Collier behandelt drängende globale Themen und bietet ebenso unkonventionelle wie überzeugende Antworten.

Der Professor aus Oxford schreibt, Ziel von Entwicklungszusammenarbeit dürfe nicht sein, den Rest der Welt auf den Lebensstandard zu heben, den rund eine Milliarde Menschen in den reichen Nationen genießen. Da China, Indien, andere asiatische sowie einige lateinamerikanische Länder rapide wachsende Ökonomien aufweisen, sollte sich die Gebergemeinschaft laut Collier auf die ärmsten Länder konzentrieren, in denen ebenfalls eine Milliarde Menschen leben – die „unterste Milliarde“.

Diese Menschen – so der frühere Weltbankökonom – werden abgehängt. Wenn daran nichts geändert werde, dürften ihre Not und Unzufriedenheit zunehmend die Sicherheit andernorts bedrohen. Die G8 sollten daher die Bekämpfung der Not in dieser Ländergruppe zur Priorität machen.

Collier denkt nicht nur an Entwicklungshilfe, sondern berücksichtigt auch Fragen von Handel und Militär. Eines seiner wichtigsten Argumente ist, dass interne Sicherheitskräfte in den ersten Jahren nach einem Bürgerkrieg immer Teil des Problems, aber nicht der Lösung sind. Denn Menschen in einem von Gewalt gebeutelten Land werden anfangs jegliche heimische Polizei- oder Militärtruppe für parteiisch halten. Und wenn solche Kräfte aufgerüstet werden, sorgen andere alte Milizen und Banden dafür, sich im Notfall verteidigen zu können.

Folglich fordert Collier, dass internationale Friedensmissionen von Anfang an langfristig geplant werden. Die Stabilität, die externe Truppen schaffen können, sollte dann dazu genutzt werden, Wirtschaftswachstum zu fördern und Armut zu bekämpfen. Hohe Expansionsraten ließen sich über viele Jahre durchhalten, weil nach Bürgerkriegen der Wiederaufbaubedarf riesig ist.

Bürgerkrieg ist indessen nur eine der Fallen, die ein Land arm halten können. Collier erwähnt unter anderem: „ohne Seezugang von schlechten Nachbarländern abhängen“, „schlechte Amtsführung in kleinen Staaten“ und „natürliche Ressourcen“, dank derer kleptokratische Regime gedeihen können.

Collier schreibt, auf der Basis wirtschaftlichen Erfolges könnten neue Institutionen wachsen, die nach und nach Good Governance, Demokratie und soziale Teilhabe ermöglichen. Damit das gelingt, sollten die Bottom-Billion-Staaten im Welthandel privilegiert werden, wobei sie weniger vor der Konkurrenz der OECD-Nationen als vor aufstrebenden Riesen wie China oder Indien geschützt werden müssten.

Collier weiß, dass Intervention von außen kein Land völlig umkrempeln kann. Aber er betont, dass die Geber bislang viel verspechende Ansätze von Wandel nicht sinnvoll unterstützen. So heißt es immer wieder, technische Zusammenarbeit sei teuer, bringe aber nicht viel. Colliert bestätigt, dass das auf Länder, deren Modernisierung erfolgreich angelaufen ist, zutrifft. Er insistiert aber, dass die ärmsten Länder technische Hilfe brauchen, um Kompetenzen aufzubauen. Sonst kämen sie nie in die Lage, Fortschritt voranzutreiben und Finanzmittel sinnvoll zu absorbieren. Aber spricht nicht dagegen, dass, in Form von Expertengehältern, viel Geld in die Geberländer zurückfließt? Aus Colliers Sicht ist das sogar willkommen, weil massive Devisenzufuhr sonst den Kurs der nationalen Währung in die Höhe treibt und die – für ärmste Nationen ohnehin nur mageren – Exportchancen mindert. (dem)

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