Unsere Sicht

Ohne Ethik keine Nachhaltigkeit

Die beiden Begriffe „financial sustainability“ und „sustainable finance“ klingen ähnlich, bedeuten aber nicht dasselbe. Beim ersten geht es um die langfristige Zahlungsfähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person. Der zweite benennt dagegen eine Nische in der Finanzwirtschaft, die auch “ethisches Investment” oder in letzter Zeit “ESG- Investment” heißt. Die drei Buchstaben stehen für die Berücksichtigung ökologischer, sozialer und politischer Folgen (environmental, social and governance impacts).
Die Menschheit braucht erneuerbare Energie: Windpark auf den Seychellen Lineair Die Menschheit braucht erneuerbare Energie: Windpark auf den Seychellen

Die Fachwelt hat die beiden Begriffe bislang kaum miteinander verbunden, aber das ändert sich angesichts der dramatischen Folgen der globalen Erhitzung. Offensichtlich sind die verheerenden Kosten von Stürmen, Fluten, Dürren, Waldbränden und so weiter nicht im Marktgeschehen eingepreist. Auch die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung erfasst sie nicht. Sie wertet Reparaturausgaben generell als Wachstum, weist aber irreparable Schäden kaum aus. 

Zentralbanken befürchten mittlerweile, dass extreme Klimaentwicklungen die Stabilität des Finanzsystems bedrohen. Katastrophen werden häufiger und schlimmer, aber die Risikomodelle der Finanzinstitute sind dafür blind, denn sie beruhen auf Erfahrungsdaten, die der sich schnell wandelnden Umwelt nicht mehr entsprechen. Die Risikomodelle übersehen auch sogenannte “stranded assets” – so heißen Vermögenswerte, die wegen ihrer Umweltschädlichkeit rasant an Wert verlieren. Zentralbanker wissen, dass systematisch unterschätzte Risiken gefährlich sind. Die Finanzkrise von 2008 entstand, weil Banken Hypothekenrisiken in den USA bewusst unsichtbar gemacht hatten. 

Es wird immer deutlicher, dass Investitionen ohne Rücksicht auf ESG-Folgen schlicht unverantwortlich sind. Sie vernachlässigen zu erwartende Schäden. Bleiben andere auf den Kosten sitzen, wird deren Zahlungsfähigkeit unterhöhlt. Müssen aber die Verursacher selbst irgendwann haften, ist ihre Zahlungsfähigkeit bedroht. Das ist ein Grund, weshalb Großunternehmen zunehmend vor Investitionen in fossile Technik zurückschrecken. 

Die Corona-Pandemie zeigt, wie heftig externe Schocks sein können. Lockdown-Maßnahmen bremsen nicht nur die Viren-Ausbreitung, sondern auch Firmenumsätze. Wenn obendrein noch Arbeitsplätze verlorengehen und die Kaufkraft sinkt, geht es noch schneller bergab. Ungestörte Marktdynamik führt dann in eine tiefe Depression. Staatsausgaben – zum Beispiel für soziale Sicherung und Unternehmenssubventionen – können das verhindern. 

Die Weltwirtschaft hat sich von der Finanzkrise 2008 nie komplett erholt. Die niedrigen Zinsen sind ein Symptom. Viele lasten sie den Zentralbanken an, die mit billigem Geld die Wirtschaft stimulieren wollen. Das grundlegende Problem sind aber niedrige langfristige Zinsen, die vom Marktgeschehen und nicht den Zentralbanken bestimmt werden. Weil Privatinvestoren seit Jahren besonders in reichen Nationen von Großprojekten in der Realwirtschaft Abstand nehmen, ist ihre Nachfrage nach langfristigen Darlehen gering.

Regierungen sollten die niedrigen Zinsen nutzen, um kreditfinanziert die Art von Infrastruktur zu schaffen, die für Nachhaltigkeit erforderlich ist. Staatsschulden sind nicht per se schlecht. Sie können helfen, Beschäftigung zu sichern, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu gering ausfällt. Sie dienen auch der Schaffung unverzichtbarer Infrastruktur. Beides birgt allerdings Risiken und muss verantwortungsvoll gehandhabt werden.

In unserer unsicheren Zeit steht eines fest: Angesichts der grenzüberschreitenden Probleme brauchen wir internationale Zusammenarbeit und globale Solidarität. Aus gutem Grund haben multilaterale Finanzinstitutionen schon vor langem Umwelt- und Sozialstandards beschlossen. Sie sollten sie endlich auch konsequent anwenden. 

 

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