Schulspeisung

Gemeinsam frühstücken

Hungernde oder mangelernährte Kinder lernen schlechter als andere. Kostenlose Schulspeisung ist daher eine erfolgreiche entwicklungspolitische Maßnahme – vor allem in Ländern wie Kambodscha, wo die Einschulungsrate mit mehr als 95 Prozent sehr hoch ist. Denn dort werden auch die meisten Kinder der ärmsten Haushalte erreicht.
Der Schultag beginnt mit einer gemeinsamen Mahlzeit. Bliss Der Schultag beginnt mit einer gemeinsamen Mahlzeit.

Primäres Ziel der Schulspeisung ist es, die Ernährungssituation der Kinder in den Grundschulen zu verbessern. Die Kinder sind dann gesünder und weniger oder gar nicht mehr in ihrer körperlichen Entwicklung gehemmt. Zum anderen können sie so dem Unterricht besser folgen und müssen die Schule nicht mittendrin wegen Hunger verlassen. So wird das Erreichen des weitergehenden Ziels, der Verbesserung des Schulerfolgs, überhaupt erst möglich. Eine sehr viel geringere Schulabbruchquote und eine höhere Übergangsquote auch von Kindern ärmerer Haushalte auf die Sekundarschule sind die Folge.

Das World Food Programme unterstützt in Kambodscha Schulen in armen Distrikten bei der Schulspeisung (siehe Kasten). Eine Teilmaßnahme des Programms, bei der die benötigten Nahrungsmittel lokal beschafft werden, wurde im vergangenen Jahr im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen anhand von 18 Schulen untersucht. Die Wissenschaftler stellten einen fast hundertprozentigen Erfolg des Projekts fest, den sie auf die folgenden Bedingungen zurückführen:

  • Alle Grundschulkinder in den Programmschulen bekommen jeden Morgen eine kostenlose warme Mahlzeit, unabhängig von der sozio-ökonomischen Lage ihrer Eltern. Dies erleichtert einerseits die Abwicklung des Programms. Auf der anderen Seite wird dadurch Diskriminierung der Kinder mit kostenfreiem Essen und Neid seitens derjenigen vermieden, die gerade über der Bemessungsgrenze liegen. Die lokale Beschaffung der Lebensmittel für die Schulspeisung hat den Vorteil, dass die Kinder die angebotenen Speisen kennen und mögen, was neben der physischen Wirkung ein Gefühl der Zufriedenheit auslöst. Damit werden der Schulbesuch und die schulischen Leistungen gefördert.
  • Der zweite Vorteil ist, dass die Beschaffung im untersuchten Fall lokale Wirtschaftsförderung beinhaltet. Die Tatsache, dass viele Familien durch die Erzeugung und den Verkauf von Reis und Gemüse – und zunehmend auch Fisch – an die Schulen ein zusätzliches Einkommen erzielen können, führt zu einer außergewöhnlich großen Unterstützung des Programms über die Schulen hinaus. Ein Teil des Engagements der Kommunen resultiert erklärtermaßen aus dieser wirtschaftsfördernden Komponente.
  • Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Schule, Eltern und Kommune wurden in allen Schulen sämtliche organisatorischen Probleme gelöst, die sich hinsichtlich der ständigen Bereitstellung von Feuerholz und Küchenzutaten sowie der täglichen Verfügbarkeit von Köchinnen immer wieder stellen.
  • Die Kommunalverwaltung wurde von Anfang an explizit an der Implementierung des Programms beteiligt, was eine erhebliche Unterstützung durch deren Mitarbeiter sicherte. Mehrere Kommunen planen, diese noch auszuweiten, indem zum Beispiel die Köchinnen auf die Lohnliste der Gemeinde gesetzt werden. Diese Unterstützung garantiert in allen 18 aufgenommenen Fällen einen reibungslosen Ablauf der Nahrungsmittelbeschaffung und -zubereitung.
  • Die lokale Beschaffung hat sowohl quantitativ als auch qualitativ zu einem besseren Gemüseangebot geführt, indem gezielt Überschüsse produziert und auf den lokalen Märkten verkauft werden. Dadurch ergibt sich ein positiver Ernährungssicherungseffekt, der aber in seiner Bedeutung bisher nicht überprüft wurde.


Schlussfolgerungen für die ­Entwicklungshilfe

Die kostenfreie Schulspeisung in Grundschulen ist das wahrscheinlich beste Mittel, um in der Altersgruppe zwischen sechs und zwölf Jahren Ernährungsmängel bei Kindern zu reduzieren. Durch Einbeziehung der Vorschule, wie dies in den untersuchten Fällen vielfach geschieht, kann dieses Spektrum auf Kinder ab drei Jahren erweitert werden. Schulspeisung ist zudem eine sehr preiswerte Maßnahme und erreicht – im Gegensatz zu propagierten Alternativen wie Aufklärungsarbeit durch Gesundheitszentren oder die Arbeit mit Frauengruppen – alle eingeschulten Kinder und damit fast alle Haushalte mit Kindern dieser Altersgruppe eines Landes direkt.

Durch den Austausch über das Essen in der Schule mit den Eltern, insbesondere den Müttern, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich auch in den Familien die Speisegewohnheiten langsam ändern und Kleinkinder auf diese Weise indirekt vom Programm profitieren. Dadurch ist auch ein Sekundäreffekt zugunsten der Ernährung der ersten 1 000 Tage zu erwarten.

Schulspeisung baut auf fast drei Dekaden Erfahrungen auf, die vor allem in Lateinamerika und dort insbesondere in Brasilien vielfach ausgewertet wurden. Entsprechend sind die Stärken und Schwächen des Ansatzes gut bekannt. So konnte auch nachgewiesen werden, dass extrem Arme dort nicht erreicht werden können, wo die Einschulungsrate niedrig ist und Primarschulen fehlen oder schlecht erreichbar sind. Umgekehrt stellt Schulspeisung ein hervorragendes Mittel dar, eingeschulten Kindern aus armen Haushalten durch gute Ernährung zu besserer Gesundheit und damit zu größerem Schulerfolg zu verhelfen.

Schulspeisung trägt dazu bei, dass Eltern in extrem armem Milieus ihre Kinder überhaupt zur Schule schicken. Oft ist sie sogar praktisch die einzige Motivation. Und in Ländern wie dem Tschad, Mauretanien, dem Niger oder dem Sudan ist eine regelmäßige Mahlzeit in der Schule die einzige Chance, den Kindern einen minimalen Schulerfolg zu garantieren.

In Ländern mit einer im Vergleich zum Durchschnittseinkommen schlechten Ernährungssituation, vor allem von Kindern, kann Schulspeisung einen wichtigen Beitrag zur gesünderen Ernährung und damit zur Reduzierung von Untergewicht und Wachstumsverzögerung leisten. Dies trifft neben Kambodscha zum Beispiel auf Tadschikistan oder Laos zu, wo die Armutsquoten zurückgehen, nicht aber die schlechten Ernährungswerte von Kindern und Frauen.


Frank Bliss ist Professor für Ethnologie an der Universität Hamburg und freier entwicklungs­politischer Gutachter.
bliss.gaesing@t-online.de

Literatur
Bliss, F., 2017: Home-grown school feeding as a „good practice“ for poverty alleviation and nutrition security. Institut für Entwicklung und Frieden (INEF), Universität Duisburg-Essen (AVE-Studie 4, Wege aus extremer Armut, Vulnerabilität und Ernährungsunsicherheit).
 

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