Kaffee

Selbstregulierung einer Branche

Erstmals versuchen Akteure aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft eine komplette Branche nach Kriterien der sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit weltweit zu regulieren. Der „Common Code for the Coffee Community“ könnte zu einem Modell für andere Wirtschaftszweige werden.


[ Von Oliver von Hagen und Stephan Manning ]

Lange Zeit wurde die Kaffeewirtschaft von schweren Krisen geplagt. Deregulierung und zusätzlicher Wettbewerb führten zu Überproduktion, Preisverfall und Qualitätsverlust. Die Arbeitsbedingungen für viele Kaffeebauern wurden härter, viele Böden und Anbaugebiete wurden zerstört. Inzwischen gibt es Initiativen, die Besserung verheißen. Der „Common Code for the Coffee Community“ (kurz „4C“ genannt) gehört dazu. Er basiert auf einer strategischen Allianz zwischen führenden Kaffeeproduzenten, Händlern und Vertretern der Zivilgesellschaft. Das Ziel ist, als weltweiten Standard durchzusetzen, dass Kaffee sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltig angebaut wird. Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) war ein wichtiger Wegbereiter der Initiative, die 2003 begann und seit Dezember 2006 als „4C Association“ Verbandsstatus hat.

4C strebt die weltweite Regulierung einer ganzen Branche unter Beachtung fester Kriterien an. Das unterscheidet den Ansatz vom Fairen Handel, der meist nur auf eine oder zwei ethische Dimensionen abzielt. Der Faire Handel zahlt den Produzenten feste Mindestpreise, die in der Regel über dem Weltmarktniveau liegen. Diesen Aufpreis tragen die Konsumenten. Produkte aus fairem Handel sind teurer als konventionelle Waren und bedienen letztlich nur einen Nischenmarkt ökologisch und sozial engagierter Verbraucher.

4C will dagegen den Massenmarkt erobern. 80 Prozent der weltweiten Kaffeewirtschaft sollen erreicht und so umfassend verstandene Nachhaltigkeit zum Standard gemacht werden. Langfristig soll jeglicher Kaffee unter schonenden sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Bedingungen angebaut, verarbeitet und gehandelt werden. Daran haben die beteiligten Unternehmen unmittelbares Interesse. Denn wenn Kaffeeplantagen nicht über mehrere Jahre gepflegt werden, bringen sie keine stabilen Erträge. Daraus folgt, dass Krisen selbstverschärfend die Marktverhältnisse für alle turbulent und unberechenbar machen.

4C orientiert sich an der ökonomischen Realität. Abnehmer, die im Netzwerk mitmachen, zahlen keinen Aufschlag auf den Weltmarktpreis. Sie wollen den Kaffeepreis stattdessen auf höherem Niveau stabilisieren, indem sie die Produktqualität sichern und steigern. Den Kaffeeproduzenten sollen produktive und nachhaltige Anbaumethoden vermittelt werden, im Gegenzug sollen sie sich verpflichten, internationale Umwelt- und Arbeitsstandards einzuhalten. 4C will von der Gunst westlicher Verbraucher unabhängig bleiben und führt folglich auch kein neues Label ein.

Pilotprojekte

Für das bisherige Gedeihen von 4C waren drei Schritte wesentlich: die Vernetzung einzelner Pilotprojekte, der Transfer von Einzelerfahrungen auf den ganzen Sektor und die entsprechende Übertragung der Verantwortung auf einen Verein mit breiter Mitgliedschaft.

Mitte der 90er Jahre gab es verschiedene Einzelinitiativen zur Förderung des Anbaus und der Vermarktung von Biokaffee. Bereits 1994 zeigte der Lebensmittelkonzern Kraft Foods Interesse an der Vermarktung von Biokaffee jenseits der Fair-Trade-Nische. 1998 ging er eine Public-Private Partnership (PPP) mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein, um Qualitätsstandards für peruanischen Kaffee zu definieren und einzuführen.

Aus einzelnen Projekten entstand ein informelles Netzwerk. Die GTZ trieb die Vernetzung großer Kaffeeröster und nationaler Produzentenverbände strategisch voran. Doch solange die Kooperation nur projektbasiert blieb, bestand die Gefahr, dass „Inseln“ guter Praktiken langfristig dem Marktdruck unterliegen würden. Schließlich einigten sich Produzentenverbände, wichtige Markenhersteller (darunter Tschibo, Kraft Foods oder Nestlé) sowie die GTZ und andere Partner darauf, einen Kodex für die Branche zu entwickeln. Alle Partner brachten wichtiges Know-how ein und stellten eigene Interessen zunächst zurück.

Emanzipation im Verein

2006 ließ sich das Projektbündnis als Verein eintragen und ist somit zu einer permanenten Institution herangereift. Mitglieder sind führende Firmen, Händler- und Produzentenverbände sowie NGOs. Ein wichtiger Träger der Initiative ist der Europäische Kaffeeverband in Nachfolge des Deutschen Kaffeeverbands.
Dass die Initiative „Common Code for the Coffee Community“ von Anfang an auf Verbandsebene angesiedelt war, erleichterte es, die Verantwortung von der GTZ auf einen sektoreigenen Träger zu übertragen. Die GTZ, die das Bündnis zunächst koordiniert hatte, will 2008 die Ownership komplett abgeben. Weil in der Vergangenheit aber alle Fäden bei der GTZ zusammenliefen, ist die 4C Association in gewisser Weise aber noch von diesem Ursprungsinitiator abhängig.

Derzeit sucht der Verein zusätzliche Mitglieder, um weitreichend nachhaltige Branchenpraxis durchzusetzen. Mit der Teilnahme namhafter Player ist aber bereits ein Grundstein gelegt. Eintrittsbarrieren für neue Mitglieder sind im Vergleich zu anderen Initiativen eher niedrig. Das erhöht die mögliche Breitenwirkung. In naher Zukunft wird sich der Verein, der durch ein Sekretariat koordiniert wird, durch Mitgliedsgelder selbst tragen.

Mit steigender Mitgliederzahl steigt indessen auch die Komplexität. Die größte Schwierigkeit wird darin bestehen, immer wieder zwischen den Kaffeebauern, den zivilgesellschaftlichen Verbänden und den Röstern zu vermitteln. Lösungen müssen schließlich von allen Partnern getragen werden.

Völlig unumstritten ist 4C nicht. Wichtige regierungsunabhängige Organisationen sind nach Interessenkonflikten aus den Verhandlungen ausgestiegen. Das Food First Information and Action Network (FIAN) beanstandete mangelnde Transparenz. Aus seiner Sicht können Zivilgesellschaft und Produzenten ihre Interessen bei der Implementation des Kodex nur unzureichend geltend machen. Greenpeace ist bei 4C auch nicht mehr mit dabei. Umso wichtiger ist es also, dass VENRO (der Verband der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen in Deutschland) bei 4C weiterhin die Zivilgesellschaft vertritt.

Dank der Vernetzung von Einzelprojekten wurde eine gemeinsame Zielsetzung auf Sektorebene möglich. So entstand die Voraussetzung für eine neuartige Selbstregulierung der Kaffeewirtschaft, die ihren nachhaltigen Erfolg freilich noch unter Beweis stellen muss. 4C hat aber gezeigt, dass solch eine Allianz zwischen privaten und öffentlichen Akteuren grundsätzlich möglich ist. Gelingen kleine, untereinander vernetzte PPP- Projekte, kann dies das Interesse von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, zivilgesellschaftlicher Akteure und der Privatwirtschaft wecken und dann zu einem Vorhaben auf strategisch-sektoraler Ebene führen.

Folglich taugt 4C zum Vorbild für andere Branchen, die mit ähnlichen Problemen wie die Kaffeewirtschaft ringen. In Frage kämen zum Beispiel die Baumwoll- und die Teewirtschaft. Langfristig könnten also auch sie von den Erfahrungen des Entwicklungsprozesses des „Common Code for the Coffee Community“ profitieren.

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