Regierungsführung

Echte Wahlen

Was Demokratie angeht, ist Senegal ein afrikanischer Vorreiter. Perfekt ist die Demokratie allerdings nicht.
Wählerin in Dakar. picture-alliance/Aliou Mbaye/MAXPPP/dpa Wählerin in Dakar.

Nach dem Kollaps des Ostblocks gab es in den meisten frankophonen Ländern Afrikas nationale Konferenzen, die Pluralismus und Demokratie einführten. 1990 hielt zudem der damalige französische Präsident François Mitterrand seine berühmte „La-Baule-Rede“, in der er Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) an demokratische Regierungsführung knüpfte. Mehrparteiensysteme und echter Wettbewerb bei Wahlen wurden in ehemaligen französischen Kolonien zur Norm.

Senegal war ein Vorreiter. Demokratie und Pluralismus wurden hier früher eingeführt. Nach der Unabhängigkeit 1960 gab es zunächst ein Einparteiensystem, aber schon 1976 traten mehrere Wettbewerber bei Wahlen mit echten Chancen an. Seit Mai 1981 können Bürger ohne Einschränkungen Parteien gründen. Registriert sind etwa 200 Parteien. Wahlen führten 2000 sowie 2012 zu Regierungswechseln.

Als eines von wenigen afrikanischen Ländern hat Senegal keinen Militärputsch erlebt. Unter dem Kommando ziviler Regierungen hat die Armee aber geholfen, die Demokratie in anderen Mitgliedsländern der ECOWAS (Economic Community of West African States – Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten) wieder herzustellen: in Liberia, Sierra Leone, Côte d’Ivoire und jüngst in Gambia (siehe auch Interview mit Vladimir Antwi-Danso in E+Z/D+C e-Paper 2018/02, S. 22).

Senegals Demokratie hat tiefe Wurzeln. Erste unabhängige Zeitungen entstanden im späten 19. Jahrhundert. 1914 war ein Senegalese der erste afrikanische Abgeordnete im französischen Parlament.

Allerdings ist die Demokratie in Senegal nicht perfekt. Es reicht nicht, dass die Bürger ihr Staatsoberhaupt wählen. Nötig wäre auch Gewaltenteilung. 40 Jahre sozialistischer Regierungsführung endeten, als Abdoulaye Wade 2000 die Präsidentschaftswahlen gewann. Kaum im Amt, begann er aber, das politische System seinen Bedürfnissen anzupassen. Eine seiner ersten Entscheidungen war die Auflösung des Senats, weil er diese Parlamentskammer nicht kontrollieren konnte. Er richtete sie später neu ein, benannte jedoch selbst alle Mitglieder. Mehrfach gelangen ihm Verfassungsänderungen ohne Parlamentsbeteiligung.

2012 kandidierte er abermals für die Staatsspitze, obwohl die Verfassung für Präsidenten höchstens zwei Amtszeiten vorsieht. Das Oberste Gericht ließ seine Bewerbung zu. Wade hatte alle Richter selbst berufen. Die erneute Kandidatur stieß aber auf breite gesellschaftliche Opposition, und in der letzten Runde verbündeten sich alle Gegenkandidaten. Deshalb schlug Macky Sall, der unter ihnen in der ersten Runde am besten abgeschnitten hatte, den Amtsinhaber.

Leider neigt auch Präsident Sall zur Manipulation von Institutionen. Er hat seine Macht unter anderem dadurch verfestigt, dass er Parteifreunde an die Spitze öffentlich-rechtlicher Medien berief. So wurde das öffentliche Fernsehen zum Propagandainstrument seiner Partei. Derlei geschieht auch in anderen Ländern, aber die Wirkung ist besonders verheerend, wenn Institutionen vergleichsweise schwach sind.

Salls siebenjährige Amtszeit endet 2019. Offensichtlich wird er langsam nervös. Das Wahlrecht wurde neulich geändert, sodass Kandidaten für die Zulassung nun die Unterstützung von 0,8 Prozent des Wahlvolks brauchen.

Auf dem Pressefreiheitsindex von Reportern ohne Grenzen steht Senegal zurzeit auf Rang 50. Zum Vergleich: die USA sind auf Rang 45, Italien auf 46 und Polen auf 58. Am Ende von Wades Amtszeit war Senegal auf Rang 93 abgerutscht. Regierungskritische Journalisten wurden regelmäßig inhaftiert oder sogar angegriffen. Derzeit sitzt kein Journalist eine Haftstrafe ab, aber Festnahmen kommen gelegentlich vor. Unter Sall wurde ein neues Presserecht eingeführt. Es wird jedoch nicht konsequent angewendet. Auch sind Sicherheitskräfte rabiat gegen Demonstranten vorgegangen.

Angesichts dieser Tatsachen fragt man sich, ob sich die Demokratie im Senegal nur auf freie Wahlen beschränkt. Es hat derweil den Anschein, dass US-Präsident Donald Trump das Vorbild für Salls zunehmend autoritäres Gebaren ist. In verschiedenen Ländern fühlen sich derzeit Spitzenpolitiker dazu ermutigt, sich weniger Sorgen darüber zu machen, was demokratische Prinzipien für das Ansehen ihrer Regierung bedeuten.


Assane Diagne arbeitet im Dakar-Büro von Africa Check, einer auf Faktenprüfung spezialisierten Medienagentur.
assane@africacheck.org

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