Unsere Sicht

Gemeinsam Grundwerte pflegen

Seit jeher haben Menschen ihre Heimat verlassen, um andernorts zu leben. Im 21. Jahrhundert nimmt die globale Migration aus vielen Gründen zu.
Ein Altenheim bei Fürstenfeldbruck bildete 2014 einen aus Vietnam stammenden Mann zum Altenpfleger aus. picture-alliance/Sueddeutsche Zeitung Photo/Simon, Johannes Ein Altenheim bei Fürstenfeldbruck bildete 2014 einen aus Vietnam stammenden Mann zum Altenpfleger aus.

Migrationsforscher sagen unter anderem, bestehende Diaspora-Gemeinschaften zögen Auswanderwillige aus ihren Ländern an. So ist Deutschland zum Beispiel ein attraktives Einwanderungsland für Menschen aus der Türkei, weil bereits eine 60-jährige Migrationstradition besteht. Historische und sprachliche Verbindungen sind wichtig. Viele Nord- oder Westafrikaner wandern in die ehemalige Kolonialmacht Frankreich aus, Südasiaten präferieren dagegen Britannien.  

Die Menschen erster Generation, die in der Diaspora leben, halten in der Regel ein Leben lang eine enge Beziehung zu ihrem Ursprungsland. Sie unterstützen ihre Familien finanziell, sind eng mit der Kultur verbunden, und manchmal wählen sie auch noch in der alten Heimat. Ihre Rücküberweisungen ernähren Verwandte, ermöglichen Schul- und Arztbesuche und halten Kleinunternehmen am Laufen. Längst sind diese Rücküberweisungen für viele Volkswirtschaften unverzichtbar geworden.  

Neben finanzieller gibt es aber auch eine soziokulturelle Wirkung der Diaspora-Gemeinden. Wer in die alte Heimat zurückkehrt, bringt Erfahrungen und kulturelle Prägungen aus dem Gastland mit. Das kann schleichend die Herkunftsgesellschaften verändern und beispielsweise konservative Frauenbilder modifizieren. Andererseits können sich auch traditionelle Haltungen in der neuen Heimat verhärten – oder sogar zu neuem Extremismus führen, wie islamistischer Terror in der EU zeigt.

In naher Zukunft rechnen Experten mit verstärkter Zuwanderung aus Entwicklungsländern in die westlichen Industrieländer. Und diese werden angesichts fehlender Arbeitskräfte wegen alternder Gesellschaften auch dringend benötigt. Die Aufnahmeländer sollten sich darauf einstellen und Integrationskonzepte entwickeln. Bisher mangelt es in Europa daran.

Wichtig ist, die Einwanderer aktiv einzubeziehen und ihren soziokulturellen Hintergrund zu berücksichtigen. Gleichzeitig müssen Werte des Ankunftslandes vermittelt werden. Fachleute halten es für essenziell, in Kursen, Schulen und Veranstaltungen Werte wie Freiheit, Demokratie, Geschlechtergleichheit, Toleranz und Religionsfreiheit zu vermitteln. Überzeugend wird das, wenn diese Werte sichtbar auch für Einwanderer Vorteile haben. Auch sie brauchen Rechtsstaatlichkeit, denn sonst nehmen Ausbeutung und Missbrauch überhand. Sie brauchen Aufenthalts- und Arbeitsberechtigungen. Doppelte Staatsbürgerschaft fördert in diesem Sinne Integration.

Es geht nicht um eine vollständige Assimilation. Alle dürfen ihre Kultur und Traditionen weiter leben, solange sie die Menschenrechte wahren. Die eigene kulturelle Vielfalt weiter pflegen zu dürfen entspricht auch einem Grundrecht und fördert diese. Von Toleranz gegenüber Einwandern profitieren auch die Aufnahmeländer. Sie bereichert die eigene Kultur und eröffnet neue Perspektiven.  


Sabine Balk ist Redakteurin bei E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu

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