Honduras

Protestierende Jugend

Rund 60 Prozent der honduranischen Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt. Junge Menschen sind von Arbeitslosigkeit, Armut, Gewalt und Perspektivlosigkeit betroffen. Sie kämpfen für eine bessere Zukunft.
Studentenprotest in Honduras gegen die Erhöhung der Fahrpreise öffentlicher Verkehrsmittel im Juli 2018. picture-alliance/AP Photo Studentenprotest in Honduras gegen die Erhöhung der Fahrpreise öffentlicher Verkehrsmittel im Juli 2018.

Bildung verbunden mit der Hoffnung auf gute Arbeitsplätze hat einen sehr hohen Stellenwert in Honduras. Berufe im Staatsdienst, wie Lehrkraft oder in der Pflege, waren und sind sehr beliebt. Doch die Hoffnung auf eine sichere Anstellung erfüllte sich in den vergangenen Jahren immer weniger. Fast 40 Prozent der Bevölkerung sind von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung betroffen. Hinzu kommt, dass viele im informellen Sektor und in der Landwirtschaft mit prekären Arbeitsbedingungen tätig sind (siehe auch Beitrag von Korinna Horta in E+Z/D+C e-Paper 2018/11).

Absolventen von Universitäten finden keine ihrer Qualifikation entsprechende Anstellung. Junge Leute können es sich nicht leisten, eine Familie zu gründen und aus dem Elternhaus wegzuziehen. Sie müssen unqualifizierte Arbeiten teilweise in den Maquila-Fabriken in den Sonderwirtschaftszonen verrichten. Oder sie versuchen ihr Glück im Ausland.

In die USA auszuwandern heißt jedoch, sich auf eine der gefährlichsten Migrationsrouten weltweit zu begeben – mit wenig Chancen auf Erfolg. Die US-Politik schränkt Migration immer mehr ein. So wurde das seit 1999 existierende Abkommen zum Temporary Protected Status für Honduras im Mai von US-Präsident Donald Trump aufgekündigt, was für zehntausende Honduraner bedeutet, dass sie bis 2020 die USA verlassen müssen.

Dennoch machten sich Tausende Menschen Mitte Oktober auf den Weg und fordern damit sowohl die honduranische Regierung als auch die US-Regierung heraus. Trump droht mit Kürzungen der Entwicklungshilfe und Präsident Juan Orlando Hernández beschuldigt die Opposition, die Migrationskarawane organisiert zu haben. Beides bringt keine Lösung für die Menschen, die in Honduras keine Hoffnung mehr sehen.

Viele junge Menschen möchten in ihrem Land etwas ändern, erklärt Némesis, eine 18-jährige Studentin: „Wir sind eine unzufriedene Generation. Aus diesem Grund sind wir nach den Wahlen auf die Straße gegangen.“ Ein Slogan, der bei vielen Demonstrationen präsent war, hieß „JOH, du hast dich mit der falschen Generation angelegt!“ „JOH“ sind die Initialen des Präsidenten, der das Land immer tiefer in eine Krise aus Armut, Gewalt, Korruption und Menschenrechtsverletzungen führt (siehe dazu meinen Beitrag in E+Z/D+C e-Paper 2017/04).

Der Militärputsch von 2009 und die folgenden Jahre mit hoher Gewaltrate, extremer Korruption und Menschenrechtsverletzungen haben die Generationen der heute Anfang 30-Jährigen politisiert. In den vergangenen fünf Jahren gab es an Schulen und Universitäten häufig Proteste für mehr Sicherheit oder gegen Privatisierung und Korruption. Die Regierung kriminalisierte die Protestierenden, bedrohte sie und ließ sogar einige ermorden. Junge Leute blockierten nach den Wahlen im November 2017 auch die Straßen, um faire Wahlen und die Wahrung der Demokratie einzufordern.

In den Gebieten nördlich der zweitgrößten Stadt in Honduras, San Pedro Sula, in denen die Maquila-Fabriken Hauptarbeitgeber sind, waren die Proteste besonders stark. „Wenn ich in einem Gebiet mit einer extrem hohen Mordrate lebe, habe ich jeden Tag Angst, dass mir was passiert; das minimierte meine Angst, mich bei Protesten der staatlichen Gewalt zu stellen,“ erklärt Marel aus San Pedro Sula.

Soziale Medien und Netzwerke tragen zu einer Informationsvielfalt bei, die es früher nicht gab. Und sie ermöglichen eine schnelle Kommunikation, was spontane Proteste ermöglicht.  „Auch wenn es manchmal schwer ist, unter den vielen Nachrichten zu filtern und den Wahrheitsgehalt zu prüfen, so ist für uns Jugendliche das Internet zu einer extrem wichtigen Nachrichtenquelle geworden“, sagt Némesis. Die großen Medien, die in der Hand weniger Oligarchen sind, haben ihr Monopol verloren.

Antonio beispielsweise informiert über soziale Medien die Menschen in seinem Umkreis über Korruption und Ungerechtigkeiten. Dafür wurde er eingeschüchtert. Er sagt: „Die Bedrohungen durch die Militärpolizei machen mir Angst. Aber ich will deshalb nicht aufgeben, sondern ich werde vorsichtiger sein.“ Die Jugend fühlt sich um ihre Zukunft betrogen und nimmt das nicht länger hin.


Rita Trautmann ist Ethnologin. Sie war als Fachkraft für den Deutschen Entwicklungsdienst in Honduras tätig und ist seit 2011 in der Menschenrechtsarbeit zu Honduras aktiv.
trari@protonmail.com
Blog: https://hondurasdelegation.blogspot.com/
 

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