Katastrophen

Sinnvolle Resilienz

Die Auswirkungen von Naturkatastrophen, Terrorismus oder Klimawandel sind 2017 in armen und reichen Ländern unvermindert heftig gewesen. Trotz teils jahrzehntelanger Notfallvorsorge, Präventionsstrategien und -maßnahmen werden destruktive Folgen nur selten abgewendet oder signifikant gemildert.
Die Lagerung der Ernte ist wichtig: Maisspeicher in Nigerias Bundesstaat Kano. Shenley/Lineair Die Lagerung der Ernte ist wichtig: Maisspeicher in Nigerias Bundesstaat Kano.

Die Hurrikane die 2017 über die USA hinwegzogen, betrafen Millionen von Menschen und zerstörten Erwerbsgrundlagen. Allein die Schäden von Harvey, dessen Fluten Houston überschwemmten, werden auf 180 Milliarden Dollar geschätzt. Zum Vergleich: Die Mittel, die etablierte Geber 2017 weltweit für Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) bereitstellten, betrugen nur 143 Milliarden Dollar. Diese Zahl stammt von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development – OECD), in der sich 35 Geberländer zusammengeschlossen haben.

Die OECD verfolgt auch, wohin die ODA-Mittel fließen. Die aktuellsten Daten zeigen, dass 2015 für Katastrophenprävention und Wiederaufbau nicht einmal 3 Milliarden Dollar bereitstanden.

Die Bedrohung durch Katastrophen hat viele Facetten und besteht weltweit. Der Klimawandel macht Fluten, Dürren, Lawinen und andere Naturereignisse wahrscheinlicher und heftiger. Zwar wurden Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe vielfach aufgestockt, aber die Bemühungen, Leben zu schützen und zu retten, halten mit den wachsenden Risiken kaum mit. Es ist im Gegenteil zu beobachten, dass traditionelle Bewältigungssysteme nicht mehr funktionieren. Das gilt besonders, wo anhaltende Gewaltkonflikte und politische Instabilität Länder oder ganze Regionen erschüttern.

Schocks durch soziales, politisches und ökonomisches Versagen multiplizierten sich in den vergangenen Jahren. Besonders schlimm ist es, wo bewaffnete Konflikte toben. Diese kosten unzähligen Menschen das Leben und lassen staatliche Institutionen zerfallen. Beispiele sind der Südsudan, der Jemen und Syrien.

Wenn staatliches Krisenmanagement und öffentliche Dienstleistungen ausfallen, ist das für die betroffenen Menschen meist verheerend. Am verletzlichsten sind benachteiligte Gemeinschaften, die bereits mit Armut und Marginalisierung kämpfen, wenn eine Katastrophe eintritt. Angesichts von Konflikten und Krisen ist es sehr schwer, Bewältigungsmechanismen aufrechtzuerhalten – ob auf individueller oder institutioneller Ebene. Die Chancen, Katastrophen zu überstehen, sind besser, wenn der Staat noch funktioniert. Schlechte Servicequalität, unzuverlässige Versorgung und Leistungsausfälle kommen dennoch häufig vor. Zudem ist vielerorts die Kluft zwischen Stadt und Land riesig. Städte mit guter Infrastruktur brauchen andere Maßnahmen, um ihre Katastrophenresilienz zu verbessern, als isolierte Dorfgemeinschaften (Weltbank, 2013).

Der Begriff Resilienz stammt aus der Biologie und beschreibt die Fähigkeit von Organismen oder Ökosystemen, externe Störungen zu verkraften. Mittlerweile wird er auch in den Sozialwissenschaften und der Politik verwendet. Resilienz aufzubauen bedeutet in diesem Kontext, Risiken zu beobachten und abzuschätzen, um kompetent mit ihnen umzugehen. Demokratische Entscheidungsfindung sollte das für langfristigen Wandel beherzigen. Die praktische Implementierung ist weltweit relevant.

Für politische Zwecke ist der Begriff Resilienz allerdings nicht eindeutig definiert. Wesentlich ist wohl, Weitblick zu entwickeln. Usche Merk von medico international warnt, das Schlagwort könne dazu dienen, Konzepte für nachhaltige Entwicklung zu verdrängen (siehe E+Z/D+C e-Paper 2017/03, S. 15), und mache Katastrophenopfer selbst für ihr Leid verantwortlich. Geberinstitutionen haben dagegen bereits detaillierte Aktionspläne formuliert und Finanzierungsmodelle geschaffen (EU Kommission, 2013).

Es wäre falsch, mit praktischem Handeln zu warten, bis diese politische Debatte abgeschlossen ist. Vieles, was Resilienz vor Ort stärkt, ist leicht und ohne großangelegte Förderung umsetzbar. Oft ist das mehr eine Frage des gesunden Menschenverstandes als der Weltanschauung.


Lokales Handeln

Resilienz beginnt mit der Fähigkeit, sich zu organisieren. Je besser eine Gemeinschaft organisiert ist, umso besser kann sie die Auswirkungen von Schäden, Störfällen, Stressfaktoren und Gefahren abfedern. Katastrophenpläne sind sinnvoll, und auf lokaler Ebene sind dafür folgende Interventionen hilfreich:

  • Notfallpläne im lokalen Gesundheitswesen: Sie dienen dazu, medizinische Versorgung sicherzustellen und dauerhaft schnelle Hilfe zu gewährleisten. Checklisten können helfen, institutionelle Defizite, Personalengpässe und logistische Probleme vorab zu erkennen. Die Weltgesundheitsorganisation bietet dafür sinnvolle Richtlinien an (WHO, 2015).
  • Notfallpläne für Schulgebäude: Sie können im Katastrophenfall als Unterkünfte dienen und sollten deshalb in baulicher und architektonischer Hinsicht solide genug sein, um beispielsweise Erdbeben standzuhalten. Gemeinsame Leitlinien für Schulen und Krankenhäuser haben UN-Habitat und das UN-Sekretariat der Vereinten Nationen für Risikominderung (UNISDR) 2012 veröffentlicht.
  • Wasser- und Sanitärversorgung: Katastrophenfälle können die Wasserversorgung unterbrechen, wenn sie Reservoirs, Aufbereitungsanlagen oder das Abwassersystem beschädigen. Örtliche Gemeinschaften können aber darauf achten, solch elementare Infrastruktur so robust wie möglich an sicheren Orten zu schaffen.
  • Nahrungsmittel: Armut und unzureichende Lebensmittelversorgung verstärken Verwundbarkeit im Katastrophenfall. Untersuchungen zeigen, dass das subjektive Wohlergehen von Menschen, die von Kleinland- oder Naturweidewirtschaft leben und nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen haben, von der Versorgung mit Nahrung und der Befriedigung recht einfacher materieller Bedürfnisse abhängt. Entsprechende Vorbeugung stärkt ihre Resilienz (Thiede, 2016).
  • Erwerbschancen außerhalb der Landwirtschaft: Einkommensmöglichkeiten verbessern in Krisensituationen die Lebensbedingungen. Auch der Zugang zu Krediten und kritischen Dienstleistungen ist wichtig.
  • Schädlingsbekämpfung: Dieses Thema wird unterschätzt, obwohl es für das Risikomanagement sehr wichtig ist. Herbizide, Insektizide und die Bekämpfung von Schadnagern sind teuer. Schädlingsbekämpfung richtet sich meist gegen Insekten wie Heuschrecken und Bohrkäfer oder auch Würmer. Wirbeltiere, wie Vögel oder Nager, finden kaum Beachtung. Doch gerade Nagetiere können aufgrund ihres Fressverhaltens, ihrer schnellen Vermehrung und der Vielfältigkeit und Häufigkeit ihres Vorkommens Kleinbauern erheblich schädigen. Diese verlieren häufig komplette Ernten. Alternative Lagerung könnte die Verluste eindämmen. Sofern möglich, ist auch die Kultivierung mehrerer, unterschiedlicher Nutzpflanzen sinnvoll (Swanepoel und Belmain, 2015).

Ohne Zweifel ist der Aufbau von Resilienz eine politische Aufgabe, die über individuelles und gemeinschaftliches Engagement auf der lokalen Ebene hinausgehen muss. Politische Debatten und Strategien sind daher wichtig. Strukturen müssen verbessert werden. Resilienz sollte dabei eine Richtschnur sein, um die Situation von Menschen zu verbessern, die von Katastrophen besonders bedroht sind. Letztendlich dient Resilienz deshalb den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs).

Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und ihre Partnerorganisationen haben kürzlich eine Checkliste für ein Frühwarnsystem mit Blick auf multidimensionale Bedrohungen veröffentlicht. Es ist ein praktisches, für Laien verständliches Instrument, mit dem sichergestellt werden kann, dass die wichtigsten Aspekte berücksichtigt werden (WMO, 2018).

Der globale Diskurs wird irgendwann abschließend definieren, was Resilienz ist und wie das Konzept universale Anwendung finden kann. Bis dahin können aber schon vielfältige Maßnahmen auf lokaler Ebene kurzfristigen Fortschritt bringen. Es gibt keinen Grund, damit zu warten.


Glenn Brigaldino arbeitet als entwicklungs- und handelspolitischer Berater in Kanada.
brigaldino.5542@rogers.com


Links

EU-Kommission, 2013: Action plan for resilience in crisis prone countries 2013–2020.
https://ec.europa.eu/europeaid/sites/devco/files/swd-2013-227_EN.pdf

Swanepoel, L. und Belmain, S., 2017: Rodent control on small-scale farms a key to food security.
https://www.africanindy.com/business/rodent-control-on-small-scale-farms-a-key-to-food-security-11118166

Thiede, B., 2016: Resilience and development among ultra-poor households in rural Ethiopia.
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/21693293.2015.1094166

UN-Habitat und UNISDR, 2013: Tools for the assessment of school and hospital safety for multi-hazards in South Asia.
http://www.fukuoka.unhabitat.org/info/misc/pdf/02130216/school_safety_toolkit_book_1_new_design.pdf

WHO, 2015: Hospital safety index for evaluators, 2nd edition.
http://www.who.int/hac/techguidance/hospital_safety_index_evaluators.pdf

WMO, 2018: Multi-hazard early warning systems – a checklist.
https://public.wmo.int/en/media/news/multi-hazard-early-warnings-save-lives

World Bank, 2013: Building urban resilience principles, tools, and practice.
http://documents.worldbank.org/curated/en/320741468036883799/Building-urban-resilience-principles-tools-and-practice
 

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