Editorial

Lehren aus der Zukunft

Der Klimawandel bedroht die Lebensweisen und – wichtiger noch – Existenzgrundlagen ganzer Nationen. Wissenschaftler warnen davor seit Jahren. Aber obwohl es schon ein internationales Regelwerk gibt, haben mächtige Partikularinteressen entschiedenes Handeln bisher verhindert.


[ Hans Dembowski ]

Der Vergleich von Regierungshandeln in der Finanzkrise und der Klimakrise ist aufschlussreich. Als nach dem Kollaps von Lehman Brothers vor einem Jahr das globale Finanzsystem auf der Kippe stand, machten Staaten umgehend Hunderte Milliarden Dollar locker. Aber obwohl auch der Klimawandel sich verheerend auswirken wird, geschieht kaum etwas. Die meisten reichen Länder ignorieren ihre Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll von 1997, und sie scheinen noch immer kaum bereit, endlich zu handeln. Zugleich haben viele Schwellenländer ihre Emissionen gesteigert.

Im Dezember findet in Kopenhagen ein weiterer Gipfel statt. Ziel ist ein internationales Abkommen, um den Klimawandel einzudämmen und die Welt an seine bereits unvermeidlichen Folgen anzupassen. Wenn niemand die Führungsrolle übernimmt, wird die Konferenz nichts bringen. Im Moment ist aber nicht zu erkennen, wer diese Aufgabe übernehmen könnte. Früher war Europa eine treibende Kraft. Weder die UN-Rahmenkonvention noch das Kyoto-Protokoll hätte es ohne europäisches Engagement je gegeben. Heute aber scheinen unsere Politiker mehr auf die Rettung der Autoindustrie bedacht als auf die Entwicklung eines nachhaltigen Transportsystems.

Leider tritt Europa – jetzt wo Washington nicht mehr mit aller Kraft bremst – nicht entschlossener auf. Barack Obama ist der erste US-Präsident, der begreift, worum es geht, und dessen Partei beide Congresskammern dominiert. Er hat innenpolitisch allerdings zu kämpfen, und im vermutlich härtesten Konflikt geht es um ein Emissionshandelssystem, um endlich den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. Wenn Kopenhagen irgendwohin führen soll, muss Obama Erfolg haben. Aber der Widerstand in den USA ist zu stark, als dass er der globale Anführer im Klimaschutz werden könnte.

Zunehmend macht der Westen Schwellenländer zu Sündenböcken – besonders China und Indien. Tatsächlich gehören beide zu den größten Emittenten. Dennoch ist es absurd, von ihnen das Gleiche zu fordern wie von der reichen Welt. Im Schnitt verbrauchen Nordamerikaner grob zehnmal so viel fossile Brennstoffe wie Inder, fünfmal so viel wie Chinesen und doppelt so viel wie Europäer. Die reichen Nationen haben sich an kohlenstoffreicher Kost fett gefressen, also können sie von wesentlich ärmeren Ländern nun kaum fordern, Diät zu halten. Die Glaubwürdigkeit der reichen Welt hängt von ihrem eigenen Verhalten ab.

Ein Teil der Schwierigkeiten liegt daran, dass diese Krise beispiellos ist. Nach der Pleite von Lehman Brothers wussten alle Verantwortlichen, dass sie um jeden Preis eine globale Depression wie in den 30er Jahren verhindern muss­ten. Solch eine Lehre hält die Geschichte bezüglich des Klimas nicht bereit.

Die einzige Hoffnung ist, dass Regierungen endlich verstehen, welche enormen Kosten der ungebremste Treibhauseffekt haben wird. Experten zufolge würden 2,5 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung reichen, um die Probleme einigermaßen in den Griff zu bekommen. Keine Frage: Nichthandeln wird viel teurer. Wir wissen, was ungebremster Klimawandel in Zu­kunft bedeuten wird. Es ist Zeit, da­raus Lehren zu ziehen.

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