Peacebuilding

Fragile Hoffnung

Die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik hoffen, dass ihr frisch gewählter Präsident Versöhnung bringt und die Armut bekämpft. Die internationale Staatengemeinschaft sollte ihm dabei helfen.
Papst Franziskus in der zentralen Moschee von Bangui am 30. November 2015. abaca/picture-alliance Papst Franziskus in der zentralen Moschee von Bangui am 30. November 2015.

Die Daten sprechen für sich: Die Lebenserwartung beträgt in der Zentralafrikanischen Republik nur knapp über 50 Jahre. 139 von 1000 Kindern sterben vor dem fünften Geburtstag. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist unterernährt. Nach dem Ende des Bürgerkriegs gehört die Not in diesem Binnenstaat zu den vergessenen Krisen der Welt. Selbst für humanitäre Helfer bleibt die Sicherheitslage prekär. Immer wieder kommt es zu Überfällen; im Mai starb deshalb ein Mitarbeiter von „Ärzte ohne Grenzen“.

Das Land darf jetzt nicht im Stich gelassen werden. Wenn sich die Lebensbedingungen nicht schnell verbessern, drohen neue Gewaltkonflikte. Waffen gibt es in dem Land leider in Hülle und Fülle, und viele ehemalige Kämpfer wissen nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt friedlich bestreiten sollen.

Im März 2013 brach in der Zentralafrikanischen Republik ein Bürgerkrieg zwischen den muslimischen Seleka- und den christlichen Anti-Balaka-Milizen aus. Dabei ging es weniger um Religion, als darum, dass der christliche Süden seit Jahrzehnten den muslimische Norden bei der Rohstoffausbeutung – Gold, Diamanten, Holz – übergangen hat. Die Aussicht auf bislang unerschlossene Öl- und Gasvorräte heizte die Gewalt zusätzlich an.

Tausende wurden getötet und vergewaltigt, rund ein Viertel der Bevölkerung musste fliehen. Im Dezember 2013 griff dann zunächst die ehemalige Kolonialmacht Frankreich ein, und seit September 2014 soll eine UN-Blauhelm-Truppe für Frieden sorgen. Derzeit gehören der Mission fast 13 000 Soldaten, Polizisten und zivile Mitarbeiter an. Doch das Vertrauen in die Peacekeeper ist erschüttert, denn sowohl französische Soldaten als auch UN-Blauhelme sollen Frauen und Kinder vergewaltigt haben.

Im Februar wurde Faustin Archange Touadéra, ein Christ, zum neuen Präsidenten gewählt. Die Wahlen verliefen erstaunlich friedlich. In der Stichwahl hatte ihn der muslimische Kandidat Karim Meckassoua unterstützt, und der unterlegene Rivale erkannte das Ergebnis an. Touadéra versprach, sein Amt ohne Vorurteile auszuüben.

Der neue Staatschef steht vor gewaltigen Aufgaben. Seine Regierung hat über weite Teile des riesigen Landes kaum Kontrolle, muss aber einen Staat neu aufbauen, dessen Wirtschaft, Gesundheits-, Bildungs- und Justizsystem schon vor dem Bürgerkrieg am Boden lagen. Der lang vernachlässigte Norden muss derweil am erhofften Aufschwung teilhaben. Wenn der Präsident nicht schnell das Vertrauen der Muslime gewinnt, droht neue Gewalt.

Rund zehntausend Kindersoldaten waren laut UNICEF-Schätzung im Bürgerkrieg aktiv. Viele sind nie zur Schule gegangen. Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramme für ehemalige Kämpfer laufen nur schleppend an.

Beide Seiten haben systematisch vergewaltigt, um Gegner zu demoralisieren. Tausende Frauen und Mädchen sprechen aber aus Scham und Angst vor Diskriminierung nicht über ihr Leid, und es gibt ohnehin keine funktionierende Justiz, die Straftaten ahnden könnte. Morde und andere ungesühnte Gewalttaten stehen der Versöhnung gleichfalls im Weg.

Dennoch gibt es Hoffnung – etwa in der Koudoukou-Schule in der Hauptstadt Bangui. Die Welthungerhilfe hat diese bekannte Institution nach der Zerstörung im Krieg wiederaufgebaut. Jetzt lernen hier christliche und muslimische Kinder gemeinsam Lesen, Rechnen, Schreiben und Toleranz.

Hilfswerke übernehmen derzeit in der Zentralafrikanischen Republik viele Aufgaben, die eigentlich dem Staat obliegen. „Leider ist die Regierung noch nicht in der Lage, sich ausreichend um die humanitären Bedürfnisse der Bevölkerung zu kümmern“, sagt Peter Eduard Weinstabel vom Verbindungsbüro der Deutschen Botschaft in Bangui. Er gibt sich „vorsichtig optimistisch“, dass die Regierung sukzessive mehr Aufgaben übernehmen wird. Die Zahl der Gewalttaten nahm deutlich ab, nachdem Papst Franziskus bei einem Besuch in Bangui im November 2015 alle Konfliktparteien aufforderte, die Waffen niederzulegen.

Weinstabel sagt, die Menschen seien „kriegsmüde“ und erwarteten, „dass der Präsident das Land befriedet und die Armut bekämpft“. Die internationale Gemeinschaft kann und sollte ihn dabei unterstützen.


Philipp Hedemann ist freier Journalist und hat vor kurzem die Zentralafrikanische Republik besucht.
philipp.hedemann@gmail.com