Global Governance

Gleichgesinnte koordinieren

Die multilateralen Finanzinstitutionen sind am besten aufgestellt, um den nötigen weltweiten Übergang zu nachhaltigem Bankwesen voranzutreiben. Auf drei Feldern besteht relevanter Handlungsbedarf.
Entscheidungen, die in der Finanzwirtschaft fallen, wirken sich auf das Überleben von Korallenriffen aus – und gilt es zu berücksichtigen. Jason Langley/Lineair Entscheidungen, die in der Finanzwirtschaft fallen, wirken sich auf das Überleben von Korallenriffen aus – und gilt es zu berücksichtigen.

Mit der Einigung auf die Nachhaltigkeits-Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals –  SDGs) und die Pariser Klimavereinbarungen ist die internationale Gemeinschaft im vergangenen Jahr bedeutende Umweltverpflichtungen eingegangen. Die Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal zwei Grad und der Ehrgeiz, sie sogar unter 1,5 Grad zu halten, erfordern die radikale Entkarbonisierung der Volkswirtschaften. Das hat Folgen für die Finanzwirtschaft. Wenn die multilateralen Ziele erreicht werden sollen, muss Green Finance – grünes Finanzwesen – Priorität werden.

Es geht nicht nur darum, staatliche und private Investitionen in Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren, obwohl das ein wichtiger Aspekt von Green Finance ist. Es reicht auch nicht, sich auf die Vermeidung und Verminderung ökologischer Schäden generell zu konzentrieren. Der realwirtschaftliche Einfluss der Finanzwirtschaft ist so groß, dass mehr nötig ist (Lindenberg 2014). Green Finance muss ebenso staatliche Politik zur Förderung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Anliegen finanzieren.  

Dabei kommen den internationalen Finanzinstitutionen (IFIs – International Financial Institutions) drei wesentliche Aufgaben zu. Sie sollten:

  • als Pioniere bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfragen bei Finanzentscheidungen dienen,
  • Koalitionen mit dem Ziel besserer Global Governance im Finanzsektor bilden  und
  • Privatkapital für Investitionen mobilisieren, die der Nachhaltigkeit dienen.

Natürlich hat jede IFI ein spezielles Mandat und muss neuen Herausforderungen auf eine Weise begegnen, die diesem entspricht. Einfachheitshalber gehe ich hier aber nicht auf die Details ein, sondern beschäftige mich mit dem, was für alle IFIs gilt.


Schattenpreise

Die multilateralen IFIs müssen Green Finance als Erstes in die Praxis umsetzen. Sie müssen Strategien entwickeln, damit Nachhaltigkeitsfragen im Tagesgeschäft selbstverständlich berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit ist dabei die freiwillige Verpflichtung, vor der Kreditvergabe immer alle Klimarisiken und den CO2-Fußabdruck der geplanten Investition zu beurteilen.

Es wäre selbstverständlich gut, wenn die internationale Staatengemeinschaft eine Art globalen CO2-Preis festlegen oder eine entsprechende Steuer einführen würde, damit Emissionen in alle betriebswirtschaftlichen Kalkulationen einfließen. Leider ist das weltweit aber nicht durchzusetzen, und das wird wohl noch lange Zeit so bleiben. Die IFIs sollten daher bei der Kalkulation ihrer Investitionen „Schattenpreise“ verwenden. Wenn solche C02-Preise in die Rechnung eingehen, sehen umweltbelastende Investitionen automatisch teurer aus als grüne Alternativen.

Einige IFIs nutzen diese Methode bereits. Das gilt auch für einige bilaterale Entwicklungsbanken und private Unternehmen – eine gute Lösung, damit künftige Investitionen klimafreundlicher werden.

Green Finance muss aber nicht nur den Klimawandel berücksichtigen. Andere Aspekte ökologischer Nachhaltigkeit sind ebenfalls wichtig, etwa der Schutz der Artenvielfalt oder die Qualität der Böden. Zudem betrifft Nachhaltigkeit nicht nur die Umwelt, es geht auch um auf Dauer angelegte Wirtschaftstätigkeit und soziale Inklusion, damit niemand von Entwicklung ausgeschlossen wird. Dementsprechend müssen IFIs Vorreiter sein bei der Entwicklung und Erprobung neuer Konzepte, die alle relevanten Aspekte erfassen. Nachhaltigkeit muss in ihrem Alltag ein zentrales Thema werden, ist aber bislang nur ein Nischenthema. Die IFIs sollten sich dieser Herausforderung stellen.

Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um die Struktur der IFIs neu auszurichten und an die SDG-Agenda anzupassen. Die Gruppe der 20 führenden Wirtschaftsnationen (G20) wird sich in den kommenden Monaten des IFI-Themas annehmen. Der Hauptgrund ist, dass die Schwellenländer mehr Mitsprache fordern – vor allem, aber nicht nur, beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Somit bietet sich eine günstige Gelegenheit, die IFIs an die multilateralen Nachhaltigkeits-Entwicklungsziele anzupassen, anstatt nur den Status einzelner nationaler Regierungen zu stärken.  


Gleichgesinnte koordinieren

Die zweite Aufgabe, für die die IFIs prädestiniert sind, ist die Bildung von Green-Finance-Allianzen. Es hat sich immer wieder gezeigt – unter anderem auch auf dem Klimagipfel in Paris –, dass multilateraler Stillstand am besten überwunden wird, wenn Gleichgesinnte sich zusammentun und handeln. Die IFIs sind gut aufgestellt, um Zentralbanken, Privatbanken und institutionelle Investoren von Green Finance und seinen Vorteilen zu überzeugen.

Kollektives Handeln ist unabdingbar. Das Problem ist aber, dass es die Wettbewerbsposition einzelner Geldhäuser schwächt, wenn sie ehrgeizige Nachhaltigkeitsrichtlinien einhalten, hohe Schattenpreise in ihren internen Kalkulationen verwenden und entsprechend Kosten berücksichtigen, die der Markt bisher tendenziell ignoriert. Diese Kosten sind real, sie müssen also berücksichtigt werden – aber auf dem Markt sind sie nicht sichtbar, weil sie nicht Teil der Dynamik von Angebot und Nachfrage sind. Nur ein koordiniertes Bündnis kann Wettbewerbsverzerrungen vermeiden.

Manche Beobachter sorgen sich, der Wettbewerb zwischen den etablierten und neugegründeten IFIs wie der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) werde vom Thema Nachhaltigkeit ablenken (siehe Horta in unserem E+Z/D+C e-Paper 2016/03, S. 17 ff.). Zweifellos wird der Übergang zu Nachhaltigkeit nicht gelingen, wenn die IFIs nicht eng zusammenarbeiten und konsistente Kriterien anlegen, die den SDGs gerecht werden.

Wichtig ist herauszustreichen, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit keine teure Ablenkung vom Ziel Wirtschaftswachstum bedeutet. Im Gegenteil: Sie stärkt die Stabilität des Finanzsystems insgesamt. Bisher berücksichtigt dieses Ziel jedoch den Klimawandel nicht auf ausreichende Weise, wie Mark Carney, der Gouverneur der britischen Zentralbank, immer wieder sagt. Es führt aber in die Katastrophe, dramatische Entwicklungen von dieser Reichweite zu ignorieren.  


Privatsektor einbeziehen

Die dritte Aufgabe für die IFIs ist, Privatkapital für grüne Investitionen zu mobilisieren.  Es ist allgemein bekannt, dass das schiere Volumen der nötigen Investitionen für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel viel zu groß ist, um von Staaten allein gedeckt werden zu können. Dabei sind Klimaaspekte längst nicht alles, was beim Übergang zur globalen Nachhaltigkeit berücksichtigt werden muss.  

Es gibt bereits Fortschritt. 2014 wurden der nichtstaatlichen Climate Policy Initiative zufolge weltweit insgesamt 391 Milliarden Dollar für Klimafinanzierung bereitgestellt (Buchner et al.  2015). Privatinvestoren trugen dazu mehr als 60 Prozent (243 Milliarden Dollar) bei. Es gibt aber noch diverse Hürden, die stärkeres Engagement des Privatsektors für Green Finance behindern.    

Ein Problem sind die vielen Unsicherheiten, die Investoren bei grüner Technik und neuen Projekttypen erkennen. Oft schätzen sie die Risiken übertrieben hoch ein. Die IFIs könnten eine nützliche Vorreiterrolle einnehmen, indem sie innovative grüne Vorhaben vorantreiben, die gemachten Erfahrungen und Informationen weitergeben und dann privates Kapital mobilisieren, um die Vorhaben auszuweiten.

Die IFIs könnten zudem risikomindernd wirken. Sie könnten dafür:

  • Privatinvestoren einen Anteil des Ausfallrisikos abnehmen,  
  • mehrere grüne Vorhaben in Investitionspaketen bündeln, um Risiken breiter zu streuen,  oder
  • strukturierte Fonds nutzen, bei denen öffentliche Anteilseigner die Anfangsverluste tragen.  

Die IFIs können – und müssen – Führungsrollen bei der Entwicklung und Markteinführung grüner Finanzprodukte übernehmen. Zudem sollten sie dazu beitragen, Regeln und Corporate-Governance-Systeme für sie zu formulieren. Abermals wäre eine „Koalition der Gleichgesinnten“ hilfreich: Gemeinsam könnten sie auch kurzfristig viel erreichen.

Die Menschheit hat keine Zeit mehr zu verlieren. Wir stehen vor großen Herausforderungen, von denen der Klimawandel nur die offensichtlichste ist. Die internationale Staatengemeinschaft erkennt den Ernst der Lage an und hat entsprechend die SDG-Agenda beschlossen und das Klimaabkommen von Paris vereinbart. Gute Vorsätze reichen aber nicht. Damit sich wirklich etwas bewegt, muss die Finanzwirtschaft neue Wege gehen – und die multilateralen IFIs sollten sich dabei als treibende Kräfte erweisen.  

 

Nannette Lindenberg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik – DIE.
nannette.lindenberg@die-gdi.de


Literatur:

  • Buchner, B., Trabacchi, C., Mazza, F., Abramskiehn, D., and Wang, D., 2015: Global Landscape of Climate Finance 2015. Climate Policy Initiative.
  • Lindenberg, N., 2014: Definition of Green Finance. Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

 

 

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