Editorial

Schlimmer als die Finanzkrise

Viele Experten, die seit über zwei Jahrzehnten über Klimapolitik verhandeln, sind enttäuscht.
wWorkers equip a Filipino school with solar panels Chris Carlson/AP/picture-alliance wWorkers equip a Filipino school with solar panels

Es wurde viel geredet. Dieselben Argumente werden noch immer wiederholt:

  • Die Menschheit muss zügig auf erneuerbare Energiequellen umsteigen, weil der Treibhauseffekt irreversibel voranschreitet.
  • Da einzelne Staaten das Problem nicht lösen können, ist internationale Zusammenarbeit nötig.
  • Gebraucht wird eine Lastenverteilung, bei der die, die am meisten von fossilen Brennstoffen profitiert und somit besonders zum Problem beigetragen haben, mehr leisten, als die, die arm sind und den Klimawandel nicht ausgelöst haben.
  • Entwicklungsländer müssen Armut bekämpfen und dafür ihre Infrastruktur und Energieversorgung ausbauen. Sie verdienen dabei Unterstützung, und niedrige Emissionen können nicht ihr einziges Ziel sein. 

All das ist bekannt. Die Aufgaben sind aber komplex. Keine Seite will mehr als nötig investieren. Alle fürchten, dass andere versuchen, als Trittbrettfahrer von fremden Bemühungen zu profitieren, ohne selbst viel zu tun. Und diese Sorge motiviert dazu, es selbst mit Trittbrettfahren zu versuchen.

Die globale Erwärmung verläuft schneller, als beim Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro erwartet. Damals wurde beschlossen, sich nicht an das Phänomen anzupassen, sondern es zu stoppen, um die Kosten gering zu halten. Mittlerweile machen steigende Temperaturen kostspielige Anpassung aber unvermeidlich.

Trotz dringendem Handlungsbedarf ist bisher zu wenig geschehen. Im Kyoto-Protokoll verpflichteten sich die Industrieländer, CO2-Emissionen zu reduzieren. Einige erreichten ihre Ziele, andere nicht, und manche sind aus dem Vertrag einfach ausgestiegen. Geahndet wurde Nichterfüllung nicht.

Nun haben die UN alle Staaten gebeten, zu melden, was sie zu tun versprechen, um der Probleme Herr zu werden. Was sie bislang angekündigt haben, reicht nicht, um die globale Erwärmung im Schnitt auf zwei Grad zu begrenzen. Jenseits dieser Schwelle werden Wissenschaftlern zufolge die Auswirkungen chaotisch und unkontrollierbar. Das steht uns bevor, wenn der Klimagipfel in Paris im Dezember nicht deutlich radikalere Beschlüsse fasst, als bisher absehbar sind: Noch mehr Superstürme und Superdürren, extreme Hitzewellen und Kältephasen.

Die Klimamuster, die wir kennen, lösen sich auf. Regen bleibt aus, oder verursacht Hochwasser. Ernten fallen aus, und wichtige Nutzpflanzen lassen sich nicht mehr wie gewohnt anbauen. Nahrungspreise schnellen nach oben, und keine Zentralbank kann diese Art von Inflation beherrschen. Die Welthandelsordnung kollabiert, weil alle Parteien sich Rohstoffe sichern wollen und Sanktionen gegen Länder erheben, die sie als Klimasünder bezeichnen. Härterer Wettbewerb um Ressourcen löst massenhafte Migration und Gewalt aus – innerhalb und zwischen Staaten.

Die Szenarien sind düster. Es deprimiert, ständig die selben Argumente zu wiederholen. Manche  Spitzenpolitiker tun das selbst, aber die Weltgemeinschaft stellt sich der Herausforderung dennoch nicht. Als die Investmentbank Lehman Brothers 2008 pleite ging, stimmten die G20 sofort ihre Wirtschaftspolitik ab, um eine globale Depression zu verhindern. Der Klimawandel bekommt diese Aufmerksamkeit nicht, obwohl er sie verdient. Er ist schlimmer als eine Finanzkrise, weil er die Atmosphäre, von der die Menschheit abhängt, unwiderruflich verändert. Wir kennen den Preis des Nichthandelns – und Trittbrettfahren ist unmöglich.



Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@fs-medien.de

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