Editorial

Kostbares Allgemeingut

Ökonomen sprechen von einem externen Effekt, wenn sich ein Geschäft zwischen zwei Parteien auf Dritte auswirkt. So betrachtet ist die öffentliche Meinungsbildung dank freier Medien nur eine willkommene Nebenwirkung von Markttransaktionen: Dass kontroverse Perspektiven einem breiten Publikum zugänglich werden, ist den Produkten der Medienunternehmen zu verdanken, die sich durch Werbeeinnahmen, Verkaufserlöse und manchmal auch Gebühren finanzieren.

Die Weltwirtschaftskrise wird die Demokratisierung in vielen Ländern beeinträchtigen. Dazu bedarf es nicht einmal populistisch-autoritärer Demagogen. Wenn die Umsätze der Medienhäuser einbrechen, müssen sie ihre Berichterstattung reduzieren. Dieses im Kern ökonomische Problem hat enorme Folgen.

Dass die Presselandschaft Afrikas und anderer armer Weltregionen in den vergangenen Jahren aufblühen konnte, hatte zwei Gründe: die neue politische Freiheit seit dem Fall der Berliner Mauer und den ökonomischen Aufschwung. Er hat – nicht nur, aber vor allem – über das Anzeigengeschäft Geld in die Kassen von Verlagen und Sendern gespült. Daraufhin wurden ihre Angebote umfangreicher und oft auch besser. Solch positive Wechselwirkungen stärken Demokratien.

Klar ist seit langem, dass die Zivilgesellschaft Gehör verdient, weil soziale und ökonomische Fortschritte ohne breite Teilhabe der Bevölkerung nicht stabil sein können. In vielen afrikanischen Ländern hat sich aber in den vergangenen Jahren gezeigt, wie wichtig kritischer und qualifizierter Journalismus ist, um Missstände anzuprangern und politische Ansprüche zu formulieren. Engagierte Mitglieder der Zivilgesellschaft brauchen den Resonanzboden der Medien – kompetente Berichterstattung wiederum ermutigt zu bürgerschaftlichem Engagement.

Politisch stimulierend sind fraglos auch die neuen, interaktiven Kommunikationsforen dank Internet und Mobilfunk. Die neue Vielfalt darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wichtige Grundvoraussetzungen des Journalismus auf Dauer erfüllt sein müssen – was leider nicht selbstverständlich ist.

Redaktionen brauchen Unabhängigkeit, um Nachrichten und Standpunkte unerschrocken bewerten zu können. Sie brauchen Schutz vor Repressalien und genügend hohe Gehälter, um nicht korrumpierbar zu sein. Solide Bericht­erstattung erfordert die Recherche von Tatsachen, den gründlichen Umgang mit Quellen und die Fähigkeit, sich auf seine Zielgruppe einzustellen.

Kompetente demokratische Willensbildung hängt davon ab, dass es Journa­listen gelingt, komplexe politische Sachverhalte anschaulich zu vermitteln – von Welthandel und Klimaschutz bis hin zu den Ursachen von Kriegen oder Finanzkrisen. Das ist aber nicht unbedingt das Hauptinteresse der Medienunternehmen. Auflage, Einschaltquoten und Klicks sind auch mit Boulevardmethoden und billiger Unterhaltung zu erreichen – oft sogar einfacher.

Die öffentliche Sphäre ist ein Allgemeingut. Sie bedarf der Pflege, beispielsweise durch Bildung in Medienangelegenheiten. Journalisten müssen professionell qualifiziert werden; und Jugendliche müssen in der Schule lernen, woran sie zuverlässige Qualitätsmedien erkennen. Medien können selbstredend auch auf andere Weise (etwa mit Steuererleichterungen) gefördert werden. Als bloßer externer Effekt der Marktdynamik wird die öffentliche Sphäre aber nicht gedeihen – und in einer weltweiten Wirtschaftskrise schon gar nicht.

Relevante Artikel

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.