Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte

Wenig ambitioniert

Im Juni 2011 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat Leitprinzipien, die die menschenrechtlichen Staatenpflichten und Unternehmensverantwortung im Wirtschaftsgeschehen beschreiben. Fünf Jahre später haben erst elf Regierungen nationale Aktionspläne zur Umsetzung der Leitprinzipien beschlossen. In Kürze soll ein deutscher Aktionsplan folgen. Der gemeinsame Entwurf der fünf beteiligten Bundesministerien bleibt jedoch weit hinter den Erwartungen von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften zurück.
Kupfermine in Peru: Im Bergbau kommt es regelmäßig zu Menschenrechtsverstößen. Chuquiure/Lineair Kupfermine in Peru: Im Bergbau kommt es regelmäßig zu Menschenrechtsverstößen.

Dreh- und Angelpunkt der UN-Leitprinzipien ist das Konzept der „gebotenen menschenrechtlichen Sorgfalt“. Danach sollen Unternehmen die menschenrechtlichen Risiken und Auswirkungen ihrer Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen auch im Ausland untersuchen. Sie sollen den Risiken mit angemessenen Maßnahmen begegnen und darüber transparent berichten. Auch der Entwurf des deutschen Aktionsplans bringt die „Erwartung“ zum Ausdruck, dass deutsche Unternehmen diese menschenrechtliche Sorgfalt entlang der gesamten Lieferketten walten lassen. Das Problem: Verbindlich gilt dies nach dem bisherigen Entwurf nur für jene 174 Unternehmen, die sich im Eigentum des Bundes befinden. Anderen Unternehmen drohen bei Verstößen vorerst keinerlei Konsequenzen.

Ziel der Bundesregierung ist es, dass bis 2020 die Hälfte aller deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern die notwendigen Prozesse zur Gewährleistung der menschenrechtlichen Sorgfalt eingerichtet haben. Ab 2018 soll dies stichprobenartig überprüft werden. Erst wenn die Unternehmen diese Erwartung nicht erfüllen, sollen zusätzliche Maßnahmen einschließlich gesetzlicher Regelungen erwogen werden. Unklar bleibt allerdings, nach welchen Kriterien die Performance der Unternehmen bewertet werden soll. Noch ungewisser ist, inwieweit sich die künftige Bundesregierung an die Empfehlungen ihrer Vorgängerregierung gebunden fühlen wird.

Gewerkschaften, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen hatten demgegenüber bereits jetzt eine gesetzliche Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten deutscher Konzerne einschließlich ihrer Tochterunternehmen und Zulieferer eingefordert. Zuwiderhandlungen sollten Bußgelder nach sich ziehen und im Schadensfall Zivilklagen von Opfern vor deutschen Gerichten möglich machen. Die Bundesregierung sollte zudem Unternehmen von staatlichen Aufträgen und Maßnahmen der Außenwirtschaftsförderung ausschließen, die erwiesenermaßen gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen haben. Menschenrechte müssten auch bei der Aushandlung und Umsetzung künftiger Handelsabkommen der EU grundlegend gestärkt werden – so die Forderung.

Mehrere Studien hatten in jüngster Zeit verdeutlicht, dass  Menschenrechtsverstöße unter Beteiligung deutscher Unternehmen längst keine Ausnahmen sind. Vielmehr handelt es sich insbesondere bei ausländischen Geschäftsbeziehungen in den Sektoren Bergbau, Energie, Landwirtschaft und Manufaktur um ein strukturelles Problem. Kein einziger der 30 DAX-Konzerne setzt bislang die Empfehlungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umfassend um. Dreiundzwanzig von ihnen wurden innerhalb von zehn Jahren mit zahlreichen Menschenrechtsvorwürfen konfrontiert. Eine von der EU-Kommission finanzierte umfassende Studie war 2013 überdies zu dem Schluss gekommen, dass freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen in der Realität kaum Wirkung zeigen.

Der thematisch umfassende und partizipative Konsultationsprozess zum nationalen Aktionsplan hatte Anlass zur Hoffnung gegeben. Neben den Wirtschaftsverbänden hatten sich auch der DGB, das Forum Menschenrechte und der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe VENRO intensiv daran beteiligt. Umso enttäuschender ist das Zwischenergebnis aus Sicht der Organisationen, die auf einen „ambitionierten“ Aktionsplan gehofft hatten.

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Derzeit wird der Entwurf mit jenen Ministerien abgestimmt, die am Prozess bislang nicht beteiligt waren. Danach sollen die Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit erhalten, den abgestimmten Entwurf zu kommentieren, bevor er konsolidiert und voraussichtlich im Herbst vom Kabinett beschlossen wird. Es steht jedoch zu befürchten, dass das Ergebnis noch schwächer ausfällt als der bisher bekannte Entwurf.


Armin Paasch ist Referent für Wirtschaft und Menschenrechte beim entwicklungspolitischen Hilfswerk Misereor und vertritt den Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe VENRO im Steuerungskreis der Bundesregierung zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte.
armin.paasch@misereor.de

 

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