Versöhnung

Mit Rebellen für den Frieden arbeiten

Die NGO Djemberem di Cumpu Combersa (DDCC), eine Initiative von Soldaten, ­Polizisten und Vertretern der Zivilgesellschaft, hat in den vergangenen Jahren lokale Gewaltkonflikte entschärft und während Meutereien und Militärputschen in Guinea-Bissau zur Deeskalation beigetragen. Jetzt versucht sie auf Bitte von Unabhängigkeitskämpfern aus der senegalesischen Casamance, zwischen deren verfeindeten Fraktionen zu vermitteln. Um Frieden mit der Regierung in Dakar schließen zu können, müssen sich die Milizen einig sein.
Guineischer Soldat bei der Arbeit an einem Friedens­brunnen, der  gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren errichtet wurde. wfd Guineischer Soldat bei der Arbeit an einem Friedens­brunnen, der gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren errichtet wurde.

Im Süden Senegals, in der Region Casamance, wütet seit 1982 ein Kampf, der schon Tausende Tote gefordert hat. Viele Menschen flüchten in die benachbarte Republik Guinea-Bissau, die sich mit Senegal eine 338 Kilometer lange Grenze teilt. Die meisten Kriegsflüchtlinge haben sich 50 Kilometer jenseits der Grenze zu Guinea-Bissau in den Bezirken São Domingos und Varela niedergelassen. Dort kam es immer wieder zu Konflikten mit den Einheimischen – bis hin zu bewaffneten Ausschreitungen wie im Jahr 2006 in São Domingos.

Um überleben zu können, bauen viele Vertriebene Holzboote und betreiben Fischfang. Die Einheimischen jedoch werfen ihnen vor, damit traditionelle Normen zu brechen, die dem Schutz des Waldes dienen.

Bei den Diola, der vorherrschenden Ethnie in der Region, ist es beispielsweise ausdrücklich verboten, Feuer zu machen oder die heiligen Bäume zu beschneiden. Jeder dieser Bäume hat seine Aufgabe und seine Bedeutung: Der Fromager beherbergt die Geister, der Caïcédrat gibt Holz, die Palmen geben Wein und dienen dem Hausbau. Die Fischer aber nutzen den Stamm des Fromagers und des Caïcédrats, um ihre Einbäume zu bauen, und ihre Frauen benutzen Zweige und Palmblätter, um Fisch zu räuchern.

Die nichtstaatliche Organisation (NGO) Djemberem di Cumpu Combersa (zu Deutsch: „Mediationspavillon“) ist seit mehreren Jahren in dieser Region im Norden Guinea-Bissaus tätig. Sie kooperiert mit der deutschen NGO Weltfriedensdienst im Rahmen des friedenspädagogischen Projektes Mom ku Mom (Hand in Hand, MkM).

Eines der Ziele ist, die Spannungen zwischen den Vertriebenen aus der Casamance, die zumeist Fischer sind, und den Einwohnern aus Varela zu reduzieren. Die Menschen, die in dieser Region und jenseits der Grenze im Senegal leben, vertrauen den Mitarbeitern des DDCC und dem MkM-Projekt. Diese kennen die verschiedenen Volksgruppen gut und verstehen ihre Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuche.

Das MkM-Projekt hat es schließlich geschafft, Spannungen zwischen Migranten und Einheimischen zu schlichten. Es gibt keine abschließende Lösung im Baumkonflikt, aber die Bevölkerungsgruppen begegnen sich mittlerweile mit mehr wechselseitigem Respekt und einem gewissen Verständnis. Die Arbeit der Friedensstifter ist jedoch ausgesprochen schwierig. Seit dem Staatsstreich von 2012 haben alle Geber ihre finanzielle Hilfe für Guinea-Bissau eingestellt. Dies haben die NGOs und Basisorganisationen zu spüren bekommen. Das MkM-Projekt ist eines der wenigen Projekte, das noch in dieser Gegend ausharrt und weiterarbeitet.

Mittlerweile ist es samt seinem Vermittlungsansatz so respektiert, dass sogar bewaffnete Rebellen die NGO um Hilfe bitten. Seit 2010 arbeitet DDCC auf Anfrage des Mouvement des Forces Démocratiques de la Casamance (Bewegung der Demokratischen Kräfte der Casamance, MFDC) auch im Grenzgebiet zur Casamance daran, Frieden in die Region zu bringen.


Erfahrungen nutzen

Da der Konflikt im Senegal sehr komplex ist, konzen­triert sich DDCC zunächst darauf, die zersplitterten Untergruppen der MFDC wieder zu vereinen. Die senegalesische Regierung braucht einen kompetenten Verhandlungspartner. „Wir möchten nicht, dass die Bewegung sich uneinig ist, wenn sie sich an den Verhandlungstisch setzt“, erklärt Yuri Nafantcham-na, Koordinator des MkM-Projekts und Vorsitzender des DDCC.

Das Misstrauen zwischen den zerstrittenen Parteien ist aber so groß, dass Erfahrung und Vermittlertalent nötig sind. Durch die enge Beziehung, die DDCC zu den verschiedenen, untereinander zerstrittenen MFDC-Gruppen aufgebaut hat, hebt es sich deutlich von den anderen Initiativen ab. „Wir haben 2010 mit der Arbeit begonnen und ersten Kontakt mit den MFDC-Gruppen aufgenommen“, erinnert sich Nafantcham-na. „Damals wussten wir noch nicht, welchen Ansatz wir wählen sollten, um ihr Vertrauen zu gewinnen.“

Wie ein Gebäude baue man auch Frieden auf einem soliden Fundament, fügt er hinzu. Dieses Fundament sei der Verhandlungswille der Akteure. Um diesen zu schaffen und zu stärken, seien „Geduld und Diskretion“ wichtig. „Unsere Stärken sind unser Wille, die Dinge gut zu machen, und das Vertrauen, das man uns entgegenbringt“, erklärt Nafantcham-na.

Wie schon in Guinea-Bissau setzt DDCC bei der MFDC-Mediation auf sogenannte „Focus Group Discussions“: Die Mitarbeiter bereiten die Konfliktparteien einzeln auf den friedlichen Austausch von Argumenten vor. Sie schaffen die richtige Atmosphäre, damit sie in direkten Diskussionen sogar über Tabuthemen sprechen können. Dafür befragen sie zunächst direkt betroffene Menschen und sammeln Informationen. Diese „Focus Group Data“ werden für die Argumentation genutzt.

„Wir haben fast ein ganzes Jahr gearbeitet, bevor sich ein Hoffnungsschimmer am Horizont zeigte“, erzählt Nafantcham-na. „Wir haben vermehrt separate Treffen abgehalten, um die Konfliktparteien besser vorbereiten zu können, jede für sich, bevor wir zur nächsten Phase übergegangen sind.“

Mittlerweile zeichnen sich Früchte ab. Heute äußern verschiedene Kontrahenten ausdrücklich den Willen, öfter zusammenzukommen. Das nährt die Hoffnung, dass sie sich in dieser Sache eines Tages annähern werden. „Die unterschiedlichen Interessen der Unabhängigkeitsgruppen werden an Bedeutung verlieren“, so der MkM-Koordinator.

 

Die Jugend auf den Frieden ­vorbereiten

Die alte Generation der Unabhängigkeitskämpfer ist heute bereits im Ruhestand. Heute bestehen die militanten Gruppen aus Kämpfern, die schon in jungen Jahren zur Widerstandsbewegung gestoßen sind oder in sie hineingeboren wurden. Diese Jugendlichen haben weder eine akademische noch eine berufliche Ausbildung. Die Region der Casamance und der Norden Guinea-Bissaus, wo viele von ihnen aufwachsen, bieten ihnen kaum Perspektiven.

„Die Natur hat uns nicht am richtigen Fleck auf die Welt kommen lassen“, beklagt sich Jorges Mendes, der Vorsitzende des Vereins der jungen Floup. Die Floup sind ein Diola-Stamm in der Region Cacheu. „Warum sonst wird nichts getan in dieser Region, die überquillt an Potenzialen? Unsere Äcker und Reisfelder sind üppig und erstrecken sich, so weit das Auge reicht.“

Das Land in der Region wird schlecht genutzt. Die Agrarmethoden sind überholt, und die Äcker tragen nur drei bis vier Monate im Jahr Früchte. Der Zustand der Straßen ist so schlecht, dass die Grenzgegend auf beiden Seiten in der Regenzeit von der übrigen Welt nahezu abgeschnitten ist.

Die Jugendorganisationen scheinen heute eine Philosophie des Durchhaltens um jeden Preis ver­innerlicht zu haben. Niemand wartet mehr auf die vom Himmel fallende helfende Hand. Sie haben verstanden, dass sie sich alles mühsam selbst erarbeiten müssen.

 

Fazit

Die Krise in der Casamance begann im Jahr 1982, als die zuvor friedliche Bewegung Mouvement des Forces Démocratiques de la Casamance (Bewegung der Demokratischen Kräfte der Casamance, MFDC) zu den Waffen griff. Ihre Mitglieder forderten Chancengleichheit für die Casamance: Sie wollten dieselben staatlichen Investitionen erhalten wie andere Regionen Senegals auch.

Der Konflikt entwickelte sich bald zu einem Unabhängigkeitskrieg, in dem Rebellengruppen um die komplette Autonomie der Region kämpfen. Er hat Tausende vertrieben, die nun in den Nachbarländern Gambia und Guinea-Bissau leben. Die einzelnen Gruppen der Unabhängigkeitsbewegung sind zersplittert und bekriegen sich nicht nur mit den staatlichen Sicherheitskräften, sondern auch gegenseitig. Sie haben sich auf beiden Seiten der Grenze niedergelassen. Sowohl im Senegal als auch in Guinea-Bissau finden Kämpfe zwischen den Splittergruppen statt. Dass Guinea-Bissau selbst ein politisch instabiler Staat ist, macht die Lage noch schwieriger. Lange Zeit glaubte Senegals Regierung, das Nachbarland schüre die Krise in der Casamance.

Seit 2012 der senegalesische Präsident Macky Sall ins Amt kam, hat sich die Situation etwas beruhigt. Sall erklärte es zum Ziel, Frieden in die Casamance zu bringen. Zwar herrscht in der Casamance nach wie vor weder Krieg noch Frieden, doch seit 30 Jahren schien der Frieden noch nie so nah wie heute. Dafür freilich ist auch Frieden zwischen den zerstrittenen Rebellen nötig.

 

Allen Yéro Embalo ist Journalist und Korrespondent für rfi und AFP in Guinea-Bissau.
ayembalo@yahoo.fr

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