Wasserversorgung

Wasserversorger fit für SDG6 machen

Nach wie vor haben Milliarden Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser und Sanitäranlagen. Für eine nachhaltige Wasserwirtschaft und einen universell gerechten Zugang braucht es einen ganzheitlichen Ansatz. Insbesondere städtische Wasserversorger können SDG6 nur mit einer Trendwende erreichen.
Wasseranschluss in Nyeri. picture-alliance/photothek/Ute Grabowsky Wasseranschluss in Nyeri.

Der Zugang zu ausreichend Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene ist im 6. UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG6) verankert und gilt als Menschenrecht. Wasser ist aber weder überall noch ausreichend verfügbar. In vielen einkommensschwachen Ländern stehen Menschen jeden Tag vor grundsätzlichen Fragen: Wo steht Wasser zum Trinken, Kochen und für die Hygiene zur Verfügung, und wie viel? Wie lange muss ich laufen, um es zu besorgen? Und wie verschmutzt ist es dann?

Wasserressourcen werden immer knapper. Die Klimakrise und Urbanisierung spitzen die Situation weiter zu. Mehr als 2 Milliarden Menschen haben laut WHO und UNICEF keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. 3,6 Milliarden Menschen haben auch keinen sicheren Zugang zu sanitären Einrichtungen. Dabei sind vor allem Frauen und Mädchen betroffen: Wer täglich weite Strecken laufen und schwere Eimer schleppen muss, um zu überleben, oder wer wegen fehlender sanitärer Einrichtungen insbesondere während der Menstruation regelmäßig in der Schule oder am Arbeitsplatz fehlt, erleidet erhebliche soziale und wirtschaftliche Nachteile.

Die UN-Wasserkonferenz – eine Trendwende? 

Im März dieses Jahres fand die erste Wasserkonferenz der UN seit 50 Jahren statt. Sie wurde als „Wendepunkt“ für die globale Wasserkrise gefeiert. Allerdings: Während die Medien die diplomatischen Erfolge und 689 Selbstverpflichtungen der internationalen Gemeinschaft zu Recht gewürdigt haben, ist der WHO und UNICEF zufolge zum Beispiel in Zentral- und Südasien der Zugang zu leitungsgebundenem Trinkwasser über die letzten zwanzig Jahre in den Städten um zehn Prozent zurückgegangen.

In Subsahara-Afrika sind die Zahlen ebenfalls rückläufig. Inzwischen verfügt nur noch knapp die Hälfte (ca. 57 Prozent) der städtischen Bevölkerung über Trinkwasser aus einer Leitung. Vor zwanzig Jahren waren es immerhin noch knapp zwei Drittel. Das Erreichen von SDG6 liegt weltweit nach wie vor in weiter Ferne. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Mit der globalen Versorgungskrise wächst auch die Finanzierungslücke. Die offizielle Entwicklungshilfe (Official Development Assistance – ODA) im Bereich Wasser ist laut UN zwischen 2015 und 2021 um 12 Prozent zurückgegangen. Der neueste UN-Bericht mahnt eine Versechsfachung der Anstrengungen an, um bis 2030 universellen Zugang zu sicherem Trinkwasser und sanitärer Versorgung zu gewährleisten.

Städtische Wasserbetriebe spielen hier eine Schlüsselrolle. Sie sind nicht nur für die Schließung der urbanen Versorgungslücke zuständig, sondern auch an vorderster Front im Kampf um globale Gesundheit und gegen Pandemien – das hat sich insbesondere während der Covid-19-Pandemie gezeigt.

Gleichzeitig sind sie unverzichtbar, um städtische Siedlungen lebenswürdig, produktiv und anpassungsfähig zu machen. Das gilt vor allem angesichts der ungebrochenen Urbanisierung und der Folgen des Klimawandels wie zunehmender Wasserknappheit, Hitzewellen und Überflutung. Daher fordern die UN, Weltbank, OECD und andere multilaterale Organisationen die Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel für den globalen Wassersektor. Kapital soll dabei nicht nur aus öffentlichen Haushalten, sondern auch aus kommerziellen und privaten Quellen fließen.

Mehr Geld allein wird die Wasserkrise nicht lösen

Die Erfahrung in der Beratung und Finanzierung öffentlicher Wasserbetreiber in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zeigt jedoch, dass mehr Geld allein nicht ausreicht. Sie zeigt auch, dass es nicht einfach ist, Mittel von lokalen Banken, aber auch von wirkungsorientierten Investor*innen zu mobilisieren.

Ohne professionelle Betriebsführung der Wasserversorger kann mehr Geld sogar negative Auswirkungen haben: Korruption wird begünstigt, Anlagen und Netze verfallen nach anfänglicher Verbesserung wieder, und Kund*innen sind zunehmend frustriert. Laut einer Weltbank-Studie sind neun von zehn Betreibern nicht kreditwürdig. Der Zugang zu Banken und Kapitalmärkten bleibt damit verschlossen.

Die meisten Betreiber müssen zunächst bestehende Infrastruktur besser instand halten und professioneller bewirtschaften. Das bedeutet etwa, zusätzliche Kund*innen an bestehende Netze anzuschließen, Wasserzähler zu installieren, die Kapazität der vorhandenen Kläranlagen voll auszunutzen und den Stromverbrauch sowie teils gravierende Wasserverluste von 50 Prozent und mehr zu senken. Nur wenn die Betreiber dazu in der Lage sind, kann mehr Geld seine Wirkung entfalten.

All das ist auch notwendig, damit die Eigeneinnahmen der Betreiber auf ein nachhaltiges Niveau ansteigen. Erst dann sind Politik und Regulierungsbehörden gewillt, tragfähige und zugleich sozialverträgliche Wassertarife zu genehmigen. Denn: Tarife, die keine Kostendeckung erlauben, machen es den Betreibern unmöglich, Dienstleistungen für alle dauerhaft zu erbringen und kreditwürdig zu werden.

Mehr als „Projekte“

Das Beispiel des Wasserbetreibers in Nyeri, einer Stadt mit circa 140 000 Einwohner*innen in Zentralkenia, ist in dieser Hinsicht lehrreich. Eine motivierte Unternehmensführung hat sich den Rückhalt politischer Entscheidungsträger erarbeitet und konnte so sowohl die Versorgung als auch die eigene wirtschaftliche Situation signifikant verbessern.

Die Nyeri Water and Sanitation Company (NYEWASCO) konnte die Anzahl der Anschlüsse in der Stadt seit Ende der 1990er-Jahre mehr als verdoppeln, die Wasserverluste auf unter 20 Prozent verringern und zugleich Kosten für Betrieb und Wartung der Anlagen und Netze erwirtschaften, was dem Unternehmen Spielräume für neue Investitionen bietet. Dabei hat NYEWASCO auch die Versorgung für arme Bevölkerungsgruppen stetig erweitert. Bis heute hat Kenias Wasserregulierungsbehörde das Unternehmen vierzehnmal in Folge als besten nationalen Wasserversorger ausgezeichnet. Das beweist: Ein solcher Erfolg kann dauerhaft verstetigt werden.

Evaluierungen der KfW, Weltbank und anderer wichtiger Investoren zeigen, dass die Projektfinanzierung für neue Infrastruktur den beiden Erfolgsfaktoren Unternehmensführung und lokaler politischer Rückhalt zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Viele Projekte können so nicht zu verbesserter Betriebsführung und Kreditwürdigkeit der Betreiber beitragen.

Zudem ist die Finanzierung oft nicht ausreichend an Verbesserungen der Versorgung und Eigenanstrengungen gekoppelt. Auch hilft sie den Betreibern nicht, den erforderlichen Kulturwandel, Reformen und Effizienzsteigerungen in den Unternehmen zu erreichen und neue Technologien einzuführen. Ebenso versandet die technische Beratung und Schulung von Betriebspersonal, wenn für kritische Beschaffungen wie Wasserzähler oder Reparaturen das nötige Kleingeld fehlt.

Entwicklungszusammenarbeit muss hier so ansetzen, dass durch technische und finanzielle Förderung Reformen möglich werden und dass lokale Führungskräfte gezielt und im richtigen Moment unterstützt werden, wenn sie Unterstützung und Finanzmittel für Reformen der Betreiber mobilisieren (siehe Box). Es bedarf nicht immer mehr neuer Infrastrukturprojekte, sondern der holistischen Stärkung der Wasserversorger als kommerzielle, aber zugleich gemeinwohlorientierte Unternehmung für eine sozial gerechte, qualitativ hochwertige, bezahlbare und nachhaltige Daseinsvorsorge.

Daniel Nordmann ist Berater für GIZ und KfW zur Urban Water Catalyst Initiative.
daniel.nordmann@giz.de

Dieter Rothenberger ist Leiter des GIZ-Sektorprogramms „Internationale Wasserpolitik – Innovationen für Resilienz“.
dieter.rothenberger@giz.de

Jörg Dux ist Leiter des Teams „Wasser und Abfall Nordafrika“ bei der KfW.
joerg.dux@kfw.de

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