Kommentar

Helft Obama

Europäische Regierungen müssen mehr dafür tun, dass der US-Präsident mit internationalen Initiativen Erfolg hat. Ihre zögerlich-distanzierte Haltung ist schädlich.


[ Von Hans Dembowski ]

Wo Barack Obama hinkommt, jubeln die Massen. Der Kontrast zu seinem Vorgänger, der bei einer Auslandsreise in seinen letzten Amtswochen mit Schuhen beworfen wurde, könnte kaum größer sein. Der erste schwarze US-Präsident hat eine derartige Ausstrahlung, dass Staats- und Regierungschefs sich darum reißen, mit ihm fotografiert zu werden – ob sie nun wie Hugo Chavez und Hu Jintao eher Distanz zu Washington halten oder wie Gordon Brown oder Silvio Berlusconi seit jeher die Freundschaft mit Amerika betonen. In noch nicht einmal 100 Tagen Amtszeit hat Obama viel außenpolitische Initiative gezeigt, die sich deutlich von ­George Bushs Politik abhebt.
Er hat unter anderem
– die Folterpraktiken des CIA gestoppt,
– Iran und Kuba Avancen gemacht,
– eine neue Afghanistan- und Pakistanstrategie formuliert,
– eine aktivere Wirtschaftspolitik konzipiert, um der globalen Krise zu begegnen,
– seine Umweltbehörde das Treibhausgas CO2 in den USA als gefährlich einstufen lassen und
– das Fernziel einer atomwaffenfreien Welt formuliert.

All diese Ansätze verbindet, dass sie auf multilaterale Kooperation angelegt sind, um Weltprobleme zu lösen. Es sind keine arroganten Alleingänge der verbleibenden Supermacht. Die Begeisterung, mit der Menschen weltweit Obama feiern, zeigt, dass seine Botschaft ankommt. Fraglich ist indessen, ob die Regierungen anderer einflussreicher Länder bereit und fähig sind, entsprechend Verantwortung zu übernehmen. Die Ergebnisse der diversen Gipfel im April waren eher enttäuschend.

Das begann mit dem G20-Treffen in London. Obama hatte vorher auf weitere, international abgestimmte Konjunkturprogramme hingearbeitet. Erreicht hat er lediglich ein paar Kompromisse, die PR-wirksam als 1,1-Billiarden-Dollar-Paket präsentiert wurden.

Der Kern dieser Beschlüsse läuft auf eine Stärkung des Internationalen Währungsfonds hinaus. Seine Mittel werden verdreifacht, damit der Fonds großzügiger als bisher Ländern in Notsituationen helfen und – wichtiger noch – sogar präventive Darlehen gewähren kann, damit diese gar nicht erst in Not geraten. Das ist nicht falsch, hat aber mit global abgestimmter Konjunkturbelebung nichts zu tun. Impulse für den nötigen Strukturwandel hin zu einer klimaverträglichen Weltwirtschaft lassen sich so nicht setzen. Der IWF soll zudem eine stärkere Rolle in der internationalen Finanzaufsicht bekommen. Wichtige Details sind noch auszuhandeln. Das gilt auch für eine dringend nötige institutionelle Reform, die Schwellen- und Entwicklungsländern mehr Einfluss einräumt.

Vielleicht hätte Obama mehr erreicht, wenn sein Finanzminister Tim Geithner vor dem Gipfel eine überzeugendere Strategie zur Stabilisierung der Finanzwirtschaft vorgelegt hätte. Positiv ist sicherlich, dass die G20 in der Krise nicht gegeneinander arbeiten. Ein gemeinsames Aktionsprogramm wäre aber besser.

Auch beim Nato-Gipfel im Elsass und in Baden sprang für Obama nicht viel heraus. Die Europäer schätzen es, dass er die zivilen Dimensionen der Krise in Afghanistan und Pakistan erkennt und auf quasi-messianische Demokratisierungsversprechen verzichtet. Mehr Truppen wollen sie für den gemeinsamen Einsatz aber nicht zur Verfügung stellen. Die unattraktive Militärtätigkeit überlassen sie, so weit es geht, lieber den Amerikanern.

Das zögerlich-distanzierte Agieren der europäischen Verbündeten bremst den Schwung, den Obama der Weltpolitik geben könnte – und schadet so vielleicht noch mehr als die erwartbar unverantwortlichen Aktionen der Staatschefs von Iran und Nordkorea. Natürlich ist es enttäuschend, wenn der Holocaust-Leugner Mahmud Ahmadinedschad auf Gesprächsangebote Washingtons reagiert, indem er Antirassismus in Antizionismus umdefiniert. Und selbstverständlich ist Kim Jong Il Sungs Raketentest eine ärgerliche Replik auf die Vision einer atomwaffenfreien Welt.

Allerdings handelt es sich um relativ marginalisierte Akteure der Weltpolitik, die – im Gegensatz zur EU – nicht vorgeben, Washingtons „co-partners in leadership“ zu sein. Wenn Europa seiner Verantwortung gerecht werden will, darf es Obama nicht im Stich lassen. Er braucht Erfolge, gerade weil in seiner Heimat Multilateralismus keine Selbstverständlichkeit ist.

Dass die USA der Genfer Anti-Rassismus-Konferenz nach langem Zögern fernblieben, zeigt, dass Obama auf solche Skepsis Rücksicht nimmt. Er weiß, dass dieser UN-Boykott global keinen großen Schaden anrichtet, zumal sein Land im Kontext der UN-Menschenrechtspolitik wieder eine aktivere Rolle übernehmen wird.

Der schwarze Staatsbürger an der Spitze der USA muss sich Rassismus nicht vorwerfen lassen – und die Kritik diverser muslimischer Regierungen an Israel ist ­offenkundig überzogen. Ja, der Gazakrieg war schlimm. Aber das prangern selbst einige israelische Zeitungen an. Araber, die in Israel leben, haben Grund zu klagen – aber kaum Grund, in arabische Nachbarländer auszuwandern, wo sie gar keine Rechte mehr hätten. Wer Israel des Rassismus bezichtigt und über Massenmorde im Sudan schweigt, ist offensichtlich nicht ernst zu nehmen.

Auch Deutschland, Italien und die Niederlande sind der Genfer Konferenz ferngeblieben. Vielleicht wollten sie so Obama stützen. Der hätte ihre Hilfe bei anderen Themen aber dringender nötig als ausgerechnet bei Rassismus.

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