Pressefreiheit

Stütze beim Aufbau von Institutionen

Zeitungen, Funk und Fernsehen sind für politischen und ökonomischen Fortschritt wichtig – unter anderem tragen sie dazu bei, Good Governance sicherzustellen. Qualitätszeitungen spielen eine bedeutende Rolle, weil sie die Entscheidungsträger in Staat und Gesellschaft erreichen. Und sie sind besonders dafür geeignet, vielschichtige Sachverhalte darzustellen. Astrid Kohl, Leiterin des Internationalen Instituts für Journalismus (IIJ) von InWEnt, erläutert, worauf es bei der Fortbildung von Redakteuren und Reportern ankommt.

[ Interview mit Astrid Kohl ]

Welche Rolle spielt Pressefreiheit für erfolgreiche Entwicklung?
Die Pressefreiheit ist eine entscheidende Stütze der Demokratie und sehr wichtig für eine funktionierende Marktwirtschaft. Freie und verantwortliche Medien forcieren eine bessere Amts- und Regierungsführung, indem sie über Entscheidungen und Entscheidungsprozesse informieren, gesellschaftliche Prozesse kritisch hinterfragen und zur freien Meinungsbildung beitragen. Sie nehmen eine Wächterrolle ein und ermöglichen es dadurch der Bevölkerung eines Landes, inhaltlich begründete Entscheidungen zu treffen, was insbesondere bei Wahlen offensichtlich wird.

Und was ist die ökonomische Dimension?
Zuverlässige Informationen sind als Grundlage fundierter Entscheidungen für das Gedeihen von Märkten von enormer Bedeutung. Das geht mit einfachen Agrar- und Lebensmittelpreisen los, die für Landwirte, aber auch für die Verbraucher relevant sind. Es führt über aufwendigere Konsumgüter hin zu Rohstoffpreisen, Börsenkursen und ausführlichen Bilanzen, auf deren Basis über Investitionen entschieden wird. Im Übrigen sind Politik und Wirtschaft keine isolierten Handlungsfelder, das belegt allein schon das Stichwort Korruption. Grundsätzlich hängt die Entwicklung von Märkten auch immer davon ab, ob staatliche Stellen bestimmte Regeln – etwa Eigentumsrechte – zuverlässig durchsetzen. Insbesondere ausländische Investoren legen darauf ein besonderes Augenmerk. Ihre Wahrnehmung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hängt nicht zuletzt davon ab, ob die Verhältnisse stabil und berechenbar sind und offen und frei diskutiert werden kann.

Nun sind aber nicht alle Länder, die sich erfolgreich entwickeln und Auslandsinvestitionen anlocken, Demokratien nach westlichem Verständnis. China ist das prominenteste Gegenbeispiel.
Wo es keine Demokratie gibt, gibt es logischerweise auch keine demokratische Kontrolle. Dennoch werden Medien nicht bedeutungslos, wenn sie nicht alle Funktionen, die ihnen eigentlich zukommen sollten, in vollem Umfang erfüllen können. In China herrscht heute viel mehr Transparenz, als es zu Maos Zeiten der Fall war. Sonst gäbe es beispielsweise keinen funktionstüchtigen Kapitalmarkt, und er könnte sich auch nicht weiterentwickeln. Diese Art von – sicherlich noch sehr eingeschränkter – Transparenz kann sich in Zukunft leicht als Vorstufe für eine weitere Öffnung und Liberalisierung erweisen. Wir halten es im IIJ deshalb für sinnvoll, auch Journalisten aus Ländern fortzubilden, in denen bislang keine Pressefreiheit herrscht. Sie bekommen auf jeden Fall ein Verständnis davon, was in ihrer Heimat möglich wäre und was anderswo als normal gilt.
Der Hörfunk erreicht in Entwicklungsländern in der Regel mehr Menschen als die Presse. Das gilt besonders dort, wo die Analphabetenrate hoch ist. Wäre es im Sinne der Armutsbekämpfung nicht sinnvoll, sich ganz auf die entwicklungspolitische Rolle des Radios zu konzentrieren?
Nein, und zwar aus mehreren Gründen nicht. Erstens lehrt die Erfahrung, dass viele Menschen Radioprogramme wegen der Musik und nicht so sehr wegen des Informationsgehalts einschalten. Das gilt in armen wie in reichen Ländern. Zweitens erreichen Zeitungen überall auf der Welt – und das gilt auch für die Entwicklungsländer – Entscheidungsträger auf mittlerer und höherer Ebene, ob in staatlichen Verwaltungen, regierungsunabhängigen Organisationen oder Unternehmen. Printmedien taugen einfach besser dazu, komplexe Hintergründe darzustellen und zu analysieren. Das ist mit ein Grund dafür, warum sich, drittens, die Redakteure von Hörfunk- und Fernsehprogrammen nicht selten auf die Arbeit ihrer Printkollegen stützen. In afrikanischen Ländern ist es sogar üblich, in Radioprogrammen aus Zeitungen vorzulesen. Es wäre also verfehlt, die Multiplikatorenwirkung der Presse zu unterschätzen.

Selbst in reichen Ländern sorgt sich die Fachwelt über die Zukunft der Qualitätszeitungen. Viele angesehene Blätter haben wirtschaftliche Probleme. Andererseits wurden selbst renommierte Blätter wie die Süddeutsche Zeitung in Deutschland oder die New York Times in den USA von Skandalen wegen frei erfundener Beiträge erschüttert.
Die Sorgen sind berechtigt. Gerade die Konkurrenz des Internets macht den Printmedien zu schaffen. Die Auflagen sinken, Anzeigen wandern ins Web ab. In den vergangenen sechs Jahren wurden etliche Stellen in den Redaktionen gestrichen, und überall wurde der Rotstift angesetzt: Korrespondentenbüros geschlossen, die Budgets für Reisekosten zusammengestrichen. Am Ende geht dies natürlich zu Lasten von Recherche und redaktioneller Qualität. Mit einem Korrespondentenbüro vor Ort zu sein ist eben etwas anderes, als gelegentlich einen Redakteur zu Recherchen einfliegen zu lassen. Da fehlt nicht selten das erforderliche Netzwerk an Kontakten, um an die wirklich relevanten Informationen zu gelangen und ein Verständnis für einen bestimmten Sachverhalt zu entwickeln. Unter solchen Bedingungen ist es ungleich schwerer, komplexe Themen so interessant aufzubereiten, dass die Leser bei der Stange bleiben. Mit der Folge, dass auch wichtige Themen irgendwann von den Lesern ignoriert werden.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.
Lassen Sie uns vor der eigenen Haustür kehren. Die verbreitete Behauptung ist sicher nicht unberechtigt, dass der Prozess der Europäischen Verfassungsgebung erfolgreicher verlaufen wäre, wenn die Medien kompetenter über die EU berichtet hätten. Aber die EU schafft europaweit verbindliche Regeln, über die die Medien der Mitgliedsländer bei weitem nicht so ausführlich berichten wie über die nationale Politik. Das hat mehrere Gründe. So gibt es etwa in der nationalen Politik im Gegensatz zur EU keine Sprachprobleme. Außerdem sind die Rollen von Regierung und Opposition klar definiert. Das natürliche Mitteilungsbedürfnis der politischen Parteien beider Seiten erleichtert Korrespondenten die Arbeit. Symptomatisch ist auch, dass Schüler in allen Mitgliedsländern etwas über das politische System, in dem sie aufwachsen, erfahren, die EU dagegen in den Lehrplänen wesentlich später und auch in geringerem Umfang auftaucht. Das Beispiel zeigt, dass man sich beispielsweise nicht erst südlich der Sahara umsehen muss, um zu verstehen, wie schwierig es ist, neue, stabile und anerkannte Institutionen zu schaffen – und wie sehr die Medien zum Gelingen beitragen können.

Tut das IIJ dies denn?
Wir setzen hier zumindest an. Wir sprechen in unseren Kursen mit den Teilnehmer darüber, welchen Zweck bestimmte Institutionen haben, wie sie funktionieren und wo sich Reporter systematisch über aktuelle Entwicklungen informieren können. Insofern unterstützen wir unsere Kollegen, ihre gesellschaftspolitische Aufgabe besser zu erfüllen.

Ich bitte noch mal um ein konkretes Beispiel.
Alljährlich organisiert das IIJ unter anderem ein zweiwöchiges Training für westafrikanische Journalisten in Ghana. Thema ist die Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, die Economic Community of West African States, worüber jeweils 15 Journalisten aus den Mitgliedstaaten sprechen. Auf der Tagesordnung stehen die Geschichte und die Zukunftspläne von ECOWAS – und natürlich die Frage, welche Gremien nach welchen Regeln welche Entscheidungen treffen, und wie diese dann umgesetzt werden. Wir diskutieren, welche Rolle ECOWAS im Welthandel spielt – etwa mit Blick auf die EU oder die USA, und wie es um die Sicherheitspolitik bestellt ist, gibt es doch in dieser Region eine Reihe von fragilen Staaten. Nicht zuletzt finden wir es wichtig, Journalisten aus den verschiedenen Mitgliedsländern miteinander zu vernetzen – und zwar über die anglo- und frankophone Sprachgrenze hinweg. Gerade diese transnationalen Kontakte werden mit darüber entscheiden, ob das Gemeinschaftsprojekt ECOWAS auch langfristig ein Erfolg sein wird. Unser Kurs zumindest läuft seit Jahren sehr erfolgreich. Die Chefredakteure der verschiedenen Zeitungen schicken uns immer wieder neue Teilnehmer, weil sie sehen, wie sich die Arbeit ihrer Redakteure verbessert.

Spielen dabei auch handwerkliche Fertigkeiten eine Rolle – also Nachrichten verfassen oder Interviews führen?
Unser Fokus ist eindeutig thematischer Art. Es geht um Politik und Wirtschaft, wir vermitteln Fachwissen für die anspruchsvolle Berichterstattung. Allerdings bietet es sich bei den praktischen Übungen selbstverständlich an, auch bestimmte handwerkliche Fertigkeiten zu trainieren. Da stellt sich dann manchen Teilnehmern durchaus die Frage, wie beispielsweise Börseninformationen in eine saubere Nachricht verpackt werden, oder wie es gelingen kann, einen Interviewpartner auf eine Antwort sozusagen festzunageln. In diesem Sinne schwingen handwerkliche Fragen unterschwellig immer mit.

Die Fragen stellte Hans Dembowski.

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