Treibhauseffekt

Gelingt in Paris die Trendwende?

Was 2009 beim Klimagipfel in Kopenhagen misslang, soll nun im Dezember 2015 in Paris glücken: ein internationales Klimaschutzabkommen mit allen wichtigen Akteuren – einschließlich USA und China. Wie immer der Gipfel ausgeht: Die Menschen müssen sich der Erderwärmung anpassen.
Paradies in Gefahr: Die Pazifikinsel Tuvalu droht bei einem Anstieg des Meeresspiegels im Wasser zu verschwinden. Ton Koene/Lineair Paradies in Gefahr: Die Pazifikinsel Tuvalu droht bei einem Anstieg des Meeresspiegels im Wasser zu verschwinden.

Die gehäufte Zahl extremer Wetterphänomene und Naturkatastrophen der vergangenen Jahre belegt, dass der Klimawandel voranschreitet: Das Jahr 2014 war das wärmste in 150 Jahren, seit es Wetteraufzeichnungen gibt, und auch die vergangenen 15 Jahre gehörten zu den wärmsten Jahren der Geschichte. Verheerende Überschwemmungen wie 2010 in Australien und ausgeprägte Dürren in Afrika oder Kalifornien nehmen zu. Taifun Haiyan war 2013 der heftigste je an Land gemessene Taifun und kostete auf den Philippinen mehr als 6000 Menschenleben.

Aber Vorsicht: Ein einzelnes Ereignis kann in der Regel nicht eindeutig der Klimaerwärmung zugeordnet werden. Es kann auch natürlichen Ursprungs sein. Denn Wetterextreme gibt es auch ohne Klimawandel. Sicher ist aber, dass ein wärmeres Klima extreme Hitzewellen, Starkregen, Fluten, Dürren und Stürme begünstigt. Das ist Stand der Wissenschaft und beispielsweise in den vergangenen Berichten des Intergov­ernmental Panel on Climate Change (IPCC) belegt.

Die Schadendatenbanken der großen Rückversicherer wie Munich Re oder Swiss Re sowie auch öffentlich zugängliche Daten wie die der Universität Louvain oder der internationalen Katastrophen­datenbank EM-DAT beweisen, dass Katastrophenschäden in vielen Regionen der Welt erheblich zugenommen haben. Dabei gibt es deutliche Anzeichen, dass vor allem wetterbedingte Schäden überproportional zunehmen. Sie stiegen in den vergangenen dreißig Jahren deutlich stärker an als geophysikalische Schäden durch Erdbeben oder Vulkanaus­brüche, die vom Klima unabhängig sind. Von Naturkatastrophen am schlimmsten betroffen sind arme Menschen, besonders in Entwicklungsländern. Sie leben oft in gefährdeten Regionen und haben zudem kaum Möglichkeiten, sich gegen Notlagen zu schützen.

Seit vielen Jahren weiß man auch, dass ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um mehr als zwei Grad über vorindustriellem Niveau wichtige klimarelevante Ökosysteme unwiederbringlich zerstört: So würden massive Eisschmelzen in Grönland und der Antarktis den Meeresspiegel deutlich beschleunigt ansteigen lassen. Der Amazonasregenwald ist bei größerer Erwärmung ebenso gefährdet wie die Tundra im Norden. Große Klima- bzw. Wettersysteme wie El Niño und La Niña können massiv beeinflusst und verändert werden.

Seit dem ersten UN-Weltklimagipfel in Berlin 1995 (COP1) bemüht sich die Staatengemeinschaft, die Klimaerwärmung einzudämmen. Bereits seit 1996 wird über das Zwei-Grad-Limit diskutiert. Dass für zahlreiche Länder, beispielsweise für kleine Inselstaaten im Pazifik wie Tuvalu, bereits kleinere Temperaturanstiege dramatische Folgen haben, ist ebenso bekannt. Deshalb war es ein wichtiger Erfolg, dass die Einhaltung des Zwei-Grad-Limits beim Klimagipfel COP16 in Cancún 2010 endlich beschlossen wurde.

Für Außenstehende scheinen die Klimaverhandlungen oft nichts oder nur wenig zu bewirken. Wichtige Treffen mit großen Erwartungen für entscheidende Beschlüsse wie bei COP15 in Kopenhagen 2009 scheiterten. Dennoch bauen sich vor dem kommenden Klimagipfel in Paris im Dezember 2015 wieder weltweit große Erwartungen auf.


Kein zweites Kopenhagen-Trauma

Anders als vor dem Klimagipfel von Kopenhagen gibt es Anzeichen, dass eine Trendwende bevorstehen könnte: Schon seit 2012 steigen die klimaschädlichen Treibhausgase weltweit kaum mehr an und stagnierten 2014 laut vorläufiger Zahlen der Internationalen Energieagentur IEA auf dem vorhandenen Niveau – und das, obwohl es keine globale Wirtschaftskrise gab, die den Energieverbrauch eingedämmt hätte.

Die Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne sind vor allem wegen des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und der günstigen Produktion in China dramatisch gesunken. Erneuerbare sind in vielen Teilen der Welt im direkten Vergleich mit Kohlestrom nun wettbewerbsfähig. Entsprechend steigen die Investitionen in diesem Bereich weltweit stark an. In China, das in den vergangenen 15 Jahren den Emissionstrend der Welt maßgeblich beeinflusst hat, wurde vergangenes Jahr erstmals seit Jahrzehnten weniger Kohle als im Vorjahr verbrannt. Die große Frage ist nun: Sind diese erfreulichen Fakten ein Zeichen für eine echte Trendwende, und kann der Klimagipfel in Paris nun wegweisende verbindliche Ziele festschreiben?

Die Unterhändler werden in Paris – anders als in Kopenhagen – voraussichtlich nicht versuchen, einzelnen Ländern bis zur letzten Minute der Verhandlungen höhere Klimaschutzambitionen abzuringen. Vielmehr legen die Staaten schon in den Monaten vor dem Klimagipfel vereinbarte Vorschläge und eigene Strategien für ihre Klimaziele vor. Der Vorteil: Der Klimagipfel wird nicht am Feilschen um die Klimaziele scheitern. Der Nachteil: Es ist absehbar, dass bei Umsetzung der Ziele der Temperaturanstieg zwar deutlich verlangsamt würde – etwa von 4,5 auf drei Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts. Dies wäre aber weit entfernt vom Zwei-Grad-Limit, das sich die Staatengemeinschaft auferlegt hat.

Das hat zwei Konsequenzen: Erstens wird eine wichtige Messlatte für den Erfolg von Paris sein, ob es – ergänzend zu den vereinbarten Zielen – eine glaubwürdige Strategie geben wird, wie in den nächsten Jahren doch noch der Zwei-Grad-Pfad beschritten werden kann. Dazu müssten:

  • die Minimalziele von Paris regelmäßig nachgeschärft werden,
  • nicht-staatliche Akteure wie etwa Städte, Finanzmarktakteure und Unternehmen zusätzliche ernsthafte Verpflichtungen eingehen und
  • wichtige Länder aus Nord und Süd sich zu einer Vorreiterinitiative zusammenschließen, um gemeinsam eine ernsthafte Strategie umzusetzen, um den Klimawandel auf weniger als zwei Grad zu begrenzen.

Zweitens gilt es, die auf den Klimagipfeln debattierten Anstrengungen für die Anpassung und die Bewältigung von Schäden durch den Klimawandel zu verstärken – auch für den Fall, dass die Zwei-Grad-Strategie nicht aufgeht.


Minimalerfolg versus Dynamik

Für den Verhandlungsverlauf und den Ausgang des Klimagipfels von Paris sind verschiedene Szenarien denkbar. Ein völliges Scheitern von COP21 ist nicht ausgeschlossen, aber inzwischen glücklicherweise relativ unwahrscheinlich.

Wesentlich wahrscheinlicher ist ein Minimalszenario. Darin legen die beiden größten Emittenten China und USA Klimaziele vor, die einen Fortschritt bedeuten, aber bei weitem nicht ausreichen. Die anderen Akteure orientieren sich daran. Auch die EU legt mit 40 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 ein Ziel vor, das bei fairer Verteilung das Zwei-Grad-Limit nicht erreichen wird. Zugleich werden im rechtlich verbindlichen Teil des Abkommens schwache Regeln für das Messen, Berichten und Verifizieren der Umsetzungsschritte festgelegt.

Die Ziele werden bis 2030 gesetzt, und da sie nicht ausreichend sind, ist danach der Zug abgefahren. Dann kann der Klimawandel nicht mehr auf zwei Grad Temperaturanstieg begrenzt werden. Außerdem stellen die Industriestaaten und finanzstärkeren Schwellenländer in diesem Szenario vermutlich nicht ausreichend Geld zur Verfügung, damit ärmere Entwicklungsländer eine Energiewende gegen fossile Träger einleiten, sich an den kommenden Klimawandel anpassen und Schäden bewältigen können.

Möglich ist aber auch ein Dynamikszenario: Die Verhandlungspartner nehmen das Zwei-Grad-Limit ernst und setzen sich das globale Ziel, bis Mitte des Jahrhunderts aus fossilen Energien auszusteigen. Sie legen rechtlich verbindlich fest, die Minimalziele der Staaten regelmäßig mindestens alle fünf Jahre nachzubessern, beginnend im Jahr 2020. Verbindliche und klare Regeln stellen sicher, dass eine Tonne CO2 in Indien einer Tonne CO2 in den USA entspricht. Die Länder müssen über Fortschritte und Hemmnisse berichten. Die reicheren Staaten stellen die Finanzierung für Strategien zur Energietransformation und für den Zugang zu Technologien sicher. Die Staaten akzeptieren die Aufgabe, ärmere Länder gegen die Risiken des Klimawandels widerstandsfähiger zu machen, und unterstützen das durch geeignete Maßnahmen.

Das Klimaheil wird kurz vor Weihnachten auch in Paris nicht vom Himmel fallen. Aber der Gipfel kann ein wichtiger Katalysator sein. Er kann klimafreundliche Entscheidungen auf nationalstaatlicher, regionaler und kommunaler Ebene wahrscheinlicher machen und beschleunigen. Er kann auch die Entwicklungsbanken und Export-Kreditagenturen zu mehr Finanzierung von erneuerbaren Energien animieren oder den Abbau von Subventionen fossiler Energien beschleunigen. Ob Paris diese Rolle spielen kann, hängt auch von den Ergebnissen anderer wichtiger UN-Konferenzen in diesem Jahr ab. Zu nennen sind die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli und die Verabschiedung der Sustain­able Devel­opment Goals. Auch der bevorstehende G7-Gipfel in Elmau kann ein wichtiger Schrittmacher sein.


Strategische Anpassung

Wie auch immer das Ergebnis der Klimaverhandlungen in Paris aussieht, die Menschen in den betroffenen Ländern müssen sich anpassen. Denn auch bei einer Begrenzung der Erwärmung werden Wetterextreme weiter zunehmen. Deshalb ist es gut, dass an der Finanzierung für Anpassung bereits mit Nachdruck gearbeitet wird. Der Klimafonds der Vereinten Nationen „Green Climate Fund“ (GCF) wurde während der Klimakonferenz in Cancún 2010 formal eingerichtet.

Zum Jahresende 2014 befanden sich rund 10 Milliarden Dollar in diesem Fonds, auch dank des „Ban-Ki-moon-Sonderklimagipfels“ in New York im September 2014. Die Industrieländer versprachen, bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Anpassung bereitzustellen (siehe dazu auch den Beitrag von Liane Schalatek auf S. 18 ff.). Es ist höchste Zeit, an der sinnvollen Vergabe der Mittel zu arbeiten und an nachhaltige Anpassung inklusive funktionierender Katastrophenvorsorge zu denken. Akteure, die Maßnahmen vor Ort umsetzen sollen, müssen früh geschult und vorbereitet werden. Die Anpassung an den Klimawandel muss im Kleinen gelingen und im Großen koordiniert werden.

Es ist wichtig, vorhandenes Wissen in den Problemregionen zu berücksichtigen und Lösungen in partizipativer Weise auf kommunaler Ebene zu entwickeln. Denn Maßnahmen können nur funktionieren, wenn die Menschen eingebunden sind. Wenn ihnen Anleitungen und Instrumente dafür in die Hand gegeben und verständlich erklärt werden, ist ein wichtiger Schritt getan. Außerdem müssen Kapazitäten vor Ort aufgebaut werden, lokale Bedingungen und lokales Wissen, Ressourcen, Landnutzung sowie die Umweltverträglichkeit berücksichtigt werden.

Es ist ebenso wichtig, an Governance, gesicherte Finanzierung, gute Prozesse, Effizienz, Ökosystemdienstleistungen und Verantwortlichkeiten (Ownership) zu denken. Schließlich findet Anpassung jeweils in einem bestimmten politischen, sozialen und regulatorischen Umfeld statt. Störungen in nur einer Projektkomponente können jahrelange Anstrengungen zunichtemachen. Wenn am Ende die Vorgaben der Vereinten Nationen und der Länder von oben mit den Anstrengungen auf kommunaler Ebene zusammenpassen, ist ein Meilenstein geschafft.

Obwohl der Klimaschutz in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, ist derzeit noch äußerst ungewiss, ob der globale Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzt wird. Der Klimagipfel von Paris kann ein wichtiger Schritt sein, um diesem Ziel näher zu kommen. Aber selbst wenn das Zwei-Grad-Ziel erreicht wird, sind erhebliche Anpassungsmaßnahmen erforderlich, um die Konsequenzen des Klimawandels halbwegs erträglich abzupuffern. Das ist gerade für die armen und deshalb besonders gefährdeten Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern von zentraler, wenn nicht existenzieller Bedeutung.

 

Thomas Loster ist Geschäftsführer der Münchener Rück Stiftung und Vorstand der Munich Climate Insurance Initiative (MCII).
tloster@munichre-­foundation.org
http://www.munichre-foundation.org

Christoph Bals ist Politischer Geschäftsführer bei Germanwatch und Vorstand der Munich Climate Insurance Initiative (MCII).
bals@germanwatch.org
http://www.germanwatch.org

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