Gesellschaftliche Teilhabe

Der Zivilgesellschaft zuhören

Wenn man internationalen Organisationen (IO) Glauben schenkt, spielen zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) heute eine wichtige Rolle in der Global Governance. Bei vielen IOs scheint das aber nur ein Lippenbekenntnis zu sein: Wirkliche Teilhabe in der Politikgestaltung gestehen sie den CSOs nicht zu. Die internationale zivilgesellschaftliche Allianz CIVICUS hat die Haltung von zehn IOs gegenüber CSOs geprüft.
Vereinte Nationen in Genf, Schweiz J.Pfeiffer/Lineair Vereinte Nationen in Genf, Schweiz

Der Titel des neu erschienenen CIVICUS-Reports spricht Bände: „Beyond our two minutes“ (Jenseits unserer zwei Minuten). In der Regel bekommt eine zivilgesellschaftliche Organisationen (civil-society organisations – CSOs) nämlich nur zwei Minuten Zeit für ihr Statement bei internationalen Meetings. In dem Report stellt CIVICUS eine Bewertungsliste auf, die das Verhalten von verschiedenen IOs misst – darunter etwa die Welthandelsorganisation, das UN Entwicklungsprogramm, das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge, United Nations Women und die Weltbank. Die Allianz CIVICUS hat ihren Sitz in Johannesburg und vertritt die Rechte von zivilgesellschaftlichen Aktivisten.

Mehr als 10 Prozent der 3900 CSOs, die bei der UN als Berater registriert sind, beantworteten den Fragebogen. Sie machten Angaben darüber, ob sie Zugang zu Entscheidungsgremien hatten, ob der Dialog gehaltvoll war und ob sie Einfluss auf Entscheidungen hatten. Letztlich sollte diese Umfrage überprüfen, ob IOs wirklich CSOs stärken.  

Laut Bridget Hutter und Joan O'Mahony von der London School of Economics and Political Science liegt die Stärke von CSOs darin, „alternative Denkmodelle zu entwickeln und Innovationen loszutreten“. Um dies zu leisten, müssen sie natürlich erst mal angehört werden. 

CSOs repräsentieren Menschen und Anliegen, aber dies ist eine informelle Vertretung. Sie sind nicht durch Wahlen legitimiert und es gibt keine Verpflichtung für Regierungen oder IOs, sie zu konsultieren. Auf der anderen Seite haben CSOs oft eine besondere Expertise, und sie sind in ein Netzwerk von betroffenen Bürgern eingebunden. Duncan Green von Oxfam weist darauf hin, dass sich die IOs gerade in Ländern mit schwachen demokratischen Strukturen „stärker einbinden sollten, indem sie von verschiedenen Interessensgruppen Rat einholen, einschließlich der Zivilgesellschaft“.  Wenn eine IO ernsthaft die Zivilgesellschaft einbinden will, gibt es eigentlich keinen anderen Weg, als CSOs zu beteiligen.

Der CIVICUS-Report fasst zusammen, dass IOs dies im Großen und Ganzen auch machen, weist aber auf einige Herausforderungen hin:

  • Die drei meist genannten Hindernisse zu sinnvoller Beteiligung von CSOs waren, dass Mitgliedsstaaten CSO-Stimmen einfach ignorierten, Konsultationen ohne Ergebnis blieben oder die Einbindung von CSOs durch IOs zu schwach war. 
  • CSOs berichteten, dass IOs bei der Auswahl von Kooperationspartnern zu wählerisch seien, dass sie sich nicht pro-aktiv an die Zivilgesellschaft wendeten und nur einen begrenzten Zugang zu den Entscheidungsgremien anböten.
  • Außerdem werde den CSOs in politischen Belangen kein Gehör geschenkt wird.
  • Eine leichte Mehrheit der CSOs hatte den Eindruck, dass IOs nur daran interessiert seien, dass CSOs Programme durchführen und Projekte implementieren können. 
  • CSOs waren sich uneinig in der Frage, in welchem Ausmaß die IOs ihnen Einfluss gewährten – anscheinend waren hier die Erfahrungen sehr unterschiedlich.
  • CSOs empfahlen generell drei Schritte für IOs: Sie sollten sich mehr auf lokale und regionale Einbindung konzentrieren; sich mehr bemühen, angemessene Gesprächspartner in verschiedenen CSOs zu finden; und sie sollten ihre Strategien, die Zivilgesellschaft zu erreichen, dezentralisieren.

Einige Agenturen, wie zum Beispiel UN Women, sind zivilgesellschaftlichen Einflüssen gegenüber offener als andere. Die Zugänglichkeit von UNHCR und FAO dagegen wird als besonders negativ eingeschätzt. Alles in allem schreiben die Autoren, dass das Engagement der IOs für die Zivilgesellschaft „in vielen Bereichen unterentwickelt“ sei. Eine Änderung dieser Situation würde ihnen zufolge Global Governance im Ganzen verbessern.  

Sheila Mysorekar

 

Weiterführende Links:
CIVICUS:
http://civicus.org/index.php/en/

Beyond our two minutes: State of Civil Society Report 2014:
http://www.civicus.org/images/SoCS_IGO_final3.pdf

Relevante Artikel

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.