Erneuerbare Energien

Die globale Wende

Die deutsche Energiewende ist ein ­Exportschlager: 144 Länder haben ­Einspeisetarife nach Vorbild des ­Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) eingeführt, darunter über 90 Entwicklungs- und Schwellenländer. Gefallene Kosten, vor allem bei Photovoltaik und Windkraft, sind die am stärksten treibenden Faktoren für den Ausbau.
Auch Ölförderländer setzen auf erneuerbare Energien: Photovoltaikanlage in der Liwa-Wüste in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Godong/BSIP/picture-alliance Auch Ölförderländer setzen auf erneuerbare Energien: Photovoltaikanlage in der Liwa-Wüste in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Es gibt nicht viele deutsche Wörter, die international verstanden werden. Eines davon ist „Energiewende“. Im Gegensatz zu „German Angst“, „Kitsch“ oder „Schadenfreude“ stehe dieser Begriff „für ein positiv besetztes Deutschland“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier beim ersten Berlin Energy Transition Dialogue im März in Berlin. Mehr als 900 Teilnehmer aus gut 60 Ländern nahmen auf Einladung des Auswärtigen Amtes und des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE) an der Konferenz teil. Für die Energieversorgung gilt weltweit das Zieldreieck aus Nachhaltigkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Derzeit wichtigster Faktor für den Ausbau erneuerbarer Energien sind die gefallenen Kosten. Laut Adnan Amin, Generaldirektor der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA), sanken die Preise für Photovoltaikanlagen in den vergangenen vier Jahren im Durchschnitt um 75 Prozent. Heute seien die Erzeugungskosten für Solarstrom oftmals geringer als für Strom aus fossilen Energien.

Für Öl- und Gasförderländer gilt dies allerdings auf absehbare Zeit nicht. Trotzdem wollen auch Länder im Nahen Osten die Nutzung der Solar- und Windenergie aufgrund der zunehmenden Wirtschaftlichkeit ausbauen. „Wir sehen uns als Vorreiter für saubere Energien, wollen einen fairen Wettbewerb für alle Energieträger schaffen und alle möglichst verträglich nutzen“, so Suhail Al Mazrouei, Energieminister der Vereinigten Arabischen Emirate. Die Ausbauziele für erneuerbare Energien sind allerdings vergleichsweise bescheiden: Sie sollen bis 2030 einen Anteil von sieben Prozent im Energiemix des Landes ausmachen.

Auch der Wüstenstaat Kuwait will nach Aussagen von Ölminister Ali Saleh Al-Omair sein riesiges Potenzial an Wind- und Sonnenkraft besser nutzen. Derzeit werde ein Pilotprojekt für die Versorgung von 120 000 Haushalten mit Solarstrom gestartet. Alle Regierungsgebäude sollen mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet werden. Zudem setzt das wasserknappe Land auf die Meerwasserentsalzung mit Hilfe von solarthermischen Kraftwerken.


Diversifizierung gegen Importabhängigkeit

Eine Diversifizierung der Energieversorgung, vor allem zur Verringerung der Importabhängigkeit, ist ein weiterer Motor für den Ausbau erneuerbarer Energien. Laut Steinmeier stellt die zunehmende Zahl weltweiter Krisen auch die Energiepolitik vor neue Herausforderungen, weil Transportwege von Rohstoffen unsicherer würden. Nicht nur Europa müsse sich von Energieimporten unabhängiger machen und die Versorgung diversifizieren sowie dezentralisieren.

Maria van der Hoeven, Chefin der Internationalen Energieagentur (IEA), sieht Energiesicherheit „als verbindende Klammer“ für eine globale Energiewende. Mindestens ein oder zwei erneuerbare Energieträger, zu denen Wind, Sonne, Wasser, Erdwärme und Biomasse gehören, stünden in allen Ländern zur Verfügung. Ihre Nutzung könnte im Verbund mit einer Steigerung der Energieeffizienz die regionale Wertschöpfung erhöhen und die Ausgaben für Rohstoffimporte senken.

Mokgadi Modise von Südafrikas Energiebehörde sieht die Chancen, weist aber darauf hin, dass es wichtig sei, der ländlichen Bevölkerung nicht den Eindruck zu vermitteln, man speise sie mit zweitklassiger Off-Grid-Photovoltaik ab und verweigere ihnen den Anschluss ans zentrale Stromnetz. Denn das sei ein Grund, warum Photovoltaik teils ein schlechtes Image habe. Es komme darauf an, die Bevölkerung rechtzeitig in Planungen einzubeziehen und aufzuklären und schrittweise einen Netzanschluss zu ermöglichen.

Eine erneuerbare Energieversorgung dient auch der Armutsbekämpfung, wie Liu Qi, stellvertretender Leiter der Nationalen Energieagentur Chinas, betont. Mit Hilfe von Windkraft und Solarenergie werde derzeit der strukturschwache Westen Chinas industriell erschlossen; Arbeitsplätze würden geschaffen. „Mit einem Solarkraftwerk mit einer Leistung von sechs bis acht Megawatt können wir 8000 bis 10 000 Menschen aus der Armut helfen“, sagt Liu. Mittlerweile gebe es in den westlichen Provinzen Chinas 35 000 dezentrale Photovoltaikanlagen, mit denen ärmere Familien durch die Netzeinspeisung Geld verdienen könnten.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Malaysia: „Wir setzen vor allem auf Photovoltaik, um ländliche Regionen zu elektrifizieren und damit ärmere Bevölkerungsgruppen zu ermächtigen“, sagt Datuk Loo Took Gee vom malaysischen Ministerium für Energie, Grüne Technologien und Wasser.

Wichtige Erfolgsfaktoren sind zudem der Aufbau einer effizienten Verwaltung und der Abbau bürokratischer Hürden. In Malaysia wurde eine eigene Behörde geschaffen, die für die Umsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und der Einspeisetarife zuständig ist. Um mehr Transparenz zu schaffen, würden alle relevanten Informationen ins Netz gestellt, berichtet Gee. Dies diene auch der Korruptionsvorbeugung.

Gee betont, es sei wichtig, die Tarife oder andere Fördersysteme sukzessiv an die Preis- und Kostenentwicklung anzupassen, um eine Überförderung zu vermeiden. Über ein Umlagesystem würde in Malaysia – nach deutschem Vorbild – auch die Masse der zahlungsschwächeren Stromkunden an der Finanzierung beteiligt. Hier sei immer ein Balanceakt zwischen Sozial- und Energiepolitik gefordert.

„Zuverlässige Rahmenbedingungen und funktionierende Verwaltungsstrukturen sind auch entscheidend, um öffentliche und private Investoren zu gewinnen“, sagt Amran Henad Al Kuwari, Chef des Beratungsunternehmens Green Gulf aus Katar. Erneuerbare Energien seien zwar wesentlich günstiger geworden, doch immer noch risikoreich. Denn für viele Länder seien die Technologien neu, es fehlten lokale Referenzprojekte und Know-How, und die Anfangsinvestitionen seien immer noch hoch.

Karsten Sach vom Bundesumweltministerium hält deshalb ein „starkes Engagement des öffentlichen Sektors sowie Anreizprogramme wie zum Beispiel Einspeisetarife“ für essentiell, um Risiken bei der Markteinführung zu minimieren und den privaten Sektor zu stärken. Hermann Albers vom BEE sieht das ähnlich: „Letztlich muss es darum gehen, einen fairen Marktplatz für erneuerbare Energien zu schaffen und CO2-Kosten in die Preise zu integrieren, damit diese ihre zunehmende Wettbewerbsfähigkeit ausspielen können. Dann kann auch die staatliche Förderung zurückgefahren werden.“ Doch davon sei man noch weit entfernt: Die Tonne CO2 werde in Europa derzeit für rund sechs Euro gehandelt. Um umweltpolitische Wirkung zu entfalten, sei dagegen ein Preis von mindestens 40 bis 50 Euro pro Tonne nötig.

Hans-Christoph Neidlein

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