Editorial

Frieden schaffen

Mehr Menschen als je zuvor sind weltweit auf der Flucht. Die meisten verlassen ihre Heimat, weil sie von Krieg, Konflikt und Not bedroht sind. Dies betrifft nicht nur Kriegsgebiete, sondern auch Gegenden, wo der Krieg eigentlich schon vorbei ist – doch das Ende unmittelbarer Gewalt bedeutet noch lange nicht, dass automatisch Frieden einkehrt. Die Herausforderungen für die betroffene Gesellschaft sind enorm.
Taube am Revers des kolumbianischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Juan Manuel Santos. picture-alliance/AP Photo Taube am Revers des kolumbianischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Juan Manuel Santos.

Frieden ist mehr als eine Art langgezogener Waffenstillstand. Eine Gesellschaft, die zerrissen wurde, muss wiederaufgebaut werden, Vertrauen in die Justiz hergestellt und Jobs geschaffen werden für Menschen, die sich ihr Einkommen mit dem Gewehr beschafft hatten. Und vor allem muss der hohen Zahl ziviler Opfer des Konfliktes geholfen werden, ihre Traumata zu bewältigen und wieder ein normales Leben zu führen.

Kolumbien schreibt in dieser Hinsicht Geschichte. Nach einem halben Jahrhundert Bürgerkrieg wagen es die Konfliktparteien, den steinigen Weg zum Frieden anzutreten. Doch kolumbianische Aktivistinnen und Aktivisten sagen zu Recht: Ein Friedensvertrag ist nicht das Ende, sondern nur der Anfangspunkt eines langen Prozesses, der schließlich dauerhaften Frieden bringen kann.

Staaten und Gesellschaften, die diesen Prozess beginnen, müssen deshalb international gestützt werden, so etwa mit Geld für die Überwachung dieses Friedensprozesses und den  Aufbau von Institutionen. In jedem Land in einer Post-Konflikt-Phase besteht die Bevölkerung sowohl aus Opfern wie auch aus Tätern, die nun gemeinsam die Gesellschaft unter friedlichen Vorzeichen aufbauen müssen. Dies ist meist nicht ohne Weiteres möglich; kompetente juristische Arbeit ist nötig, um Fragen der Gerechtigkeit und Aufarbeitung von fundamentalen Rechtsverstößen zu klären.

Im Südsudan geschah dies nach der Staatsgründung 2011 und nach dem erneuten Aufflammen des Kämpfe 2013 nicht in ausreichender Form. Folglich brachen die schwelenden Konflikte, noch angeheizt durch die miserable wirtschaftliche Lage, wieder auf. Nun macht das Land mit menschengemachter Hungersnot Schlagzeilen.

Wenn Fridensverträge nicht sorgfältig implementiert werden, bleiben sie bloßes Papier. Sehr wichtig ist, die Volkswirtschaft in Gang zu bringen und neue Perspektiven zu schaffen. Hilfreich wären dabei stabile Institutionen, Rechtssicherheit und belastbare Infrastruktur. Genau daran fehlt es aber in Post-Konflikt-Situationen. Vertrauen muss ganz neu geschaffen werden.

Die Zivilgesellschaft spielt deshalb eine entscheidende Rolle in der Stabilisierung nach einem Gewaltkonflikt – aber auch da muss Unterstützung gewährleistet werden, so dass sich kleine Organisationen formieren und finanziell über Wasser halten können, damit sie imstande sind, einen Beitrag zum Aufbau der Gesellschaft zu leisten. Nach Jahren des Konfliktes müssen die Menschen friedliches Zusammenleben neu erlernen. So etwa hinterlässt die Erfahrung sexualisierter Gewalt langfristige Schäden bei den betroffenen Frauen, ihren Familien und der sozialen Kohäsion ganzer Dörfer. Zur Aufarbeitung dieser Problematik ist zivile Konfliktarbeit sehr wichtig, ebenso wie psychosoziale Unterstützung, aber auch wirtschaftliche Förderung.

Um Menschenrechte zum Thema machen zu können, müssen die Leute aber auch täglich genug zu essen haben. Dann wachsen auch lokale Netzwerke wieder, die traditionelle Formen der Friedensförderung stärken Alle Kulturen haben Strategien der Versöhnung. Neustart ist schwer – aber nicht unmöglich.



Sheila Mysorekar ist Redakteurin von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@fs-medien.de

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