Gründerzentren

Digitale Nationen bilden

Weltweit schießen Tech-Hubs aus dem Boden. Sie bieten vielversprechenden Unternehmern Unterstützung und ein Umfeld für die Entwicklung von Ideen und Produkten. Der Ansatz ist überall gleich, aber Entwicklungsländer, etwa in Westafrika, haben besondere Herausforderungen zu meistern.
Solutroniq-Mitarbeiter. Faye Solutroniq-Mitarbeiter.

Leapfrogging – das Überspringen einzelner Entwicklungsstufen – kann Prozesse deutlich beschleunigen. Kaum ein Afrikaner hat Festnetz, dafür gibt es allein in Westafrika rund 185 Millionen Smartphone-Nutzer. Digitale Technologien machen es möglich, Phasen zu überspringen, die reiche Länder durchlaufen mussten. Insofern ist es bedeutsam, dass seit 20 Jahren immer mehr junge Afrikaner neue Technologien nutzen und bereits digitale Lösungen gefunden haben, etwa um den Menschen Finanzdienstleistungen oder Gesundheitsinformationen zugänglicher zu machen.

Tech-Hubs unterstützen diesen Trend. Sie bieten Unternehmern Dienstleistungen wie Arbeitsplätze, Mentoring, technische Tools, Infrastruktur, Trainings, Vernetzung und Zugang zu Fördergeldern.

Laut der internationalen Vereinigung GSMA, die die Interessen von Mobilfunkanbietern vertritt, hat sich die Anzahl der Tech-Hubs in Afrika zwischen 2016 und 2019 auf 618 verdoppelt. Im Senegal hat der 2011 gegründete CTIC-Inkubator mehr als 170 Start-ups unterstützt. In Ghana wurde 2008 die Meltwater School of Technology (MEST) gegründet, einer der dynamischsten Technologie-Inkubatoren Westafrikas. Sie kombiniert eine betriebswirtschaftliche Ausbildung mit technischem Fachwissen und Startkapital (siehe Interview mit Veronica Mulhall im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/01).

Die Schubkraft eines Tech-Hubs – und ob er Jobs und Einkommen schafft – hängt von verschiedenen Faktoren ab. Äußerlich sind das Reife einer Volkswirtschaft, öffentliche Ordnung, Verfügbarkeit von Fachkräften und allgemeines Geschäftsklima (siehe auch SalaMartu Duncan und Michael Konow im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Papers 2020/01). Intern zählt unter anderem, wie ein Tech-Hub verwaltet wird, sein rechtlicher Status und seine Spezialisierung. Die meisten westafrikanischen Technologiezentren und die von ihnen gegründeten Unternehmen sind noch jung. Viele sind in den letzten fünf Jahren auf den Markt gekommen und meist auf Fintech (Finanztechnologie), E-Agriculture, E-Health, E-Logistics et cetera spezialisiert.

Es ist definitiv eine neue Kultur afrikanischen Unternehmertums entstanden. Inwieweit das Arbeitsmärkte und ganze Volkswirtschaften verändert, wird sich zeigen. Es wird nicht erwartet, dass sie viele Jobs schaffen, aber wohl, dass sie die Entwicklung anderer Sektoren und Wertschöpfungsketten ankurbeln. Junge Start-ups haben hohe Risiken und niedrige Erfolgsquoten. Oft beschäftigen kleine Unternehmen eine Handvoll hochqualifizierter Mitarbeiter, aber selten gering- oder unqualifizierte Menschen. Dennoch können diese Mini-Unternehmen langfristig die Wertschöpfung in anderen Sektoren verbessern.

In der Landwirtschaft etwa verschaffen innovative Fintech-Anwendungen Landwirten Zugang zu Krediten, den diese bisher nicht hatten. Ähnlich nützlich sind E-Agriculture-Plattformen kleiner Start-ups mit zwei bis drei Mitarbeitern, die genaue Informationen zu Marktpreisen oder Wetter liefern und so das Auskommen der Bauern deutlich verbessern.

Die größten Schwierigkeiten haben Jungunternehmer mit der Anfangsfinanzierung. Geschäftsbanken scheuen sich, Kredite an Jungunternehmer zu vergeben, die interessante, aber nicht erprobte Ideen haben und keine Erfolgsbilanzen und Managementfähigkeiten nachweisen können. Tech-Hub-Unterstützung erhöht die Chancen von Unternehmern, Darlehen zu erhalten.


Regierungsführung ist relevant

Tech-Hubs und Start-ups brauchen ein gutes Geschäftsumfeld, um sich zu entfalten. Regierungen müssen digitale Nationen bilden, die in der Lage sind, Technologien zu nutzen und für eine hochwertige Ausbildung und passende Infrastruktur zu sorgen. Es bedarf vernünftiger Gesetze und Vorschriften, die auch umgesetzt werden.

Dazu können Tech-Hubs beitragen. So können sie Behörden Einblicke in Reformen der Bildungssysteme geben. Universitäten sollten zum Beispiel nicht nur Ingenieure ausbilden, sondern auch eng mit Technologiezentren und Privatunternehmen zusammenarbeiten und Ressourcen und Forschungsergebnisse gemeinsam nutzen.

Die meisten afrikanischen Technologiezentren sind privat geführt. Sie müssen ihre Kosten decken und Gewinne machen. Daher sind sie bisweilen zu vorsichtig bei der Auswahl der zu fördernden Start-ups. Wichtiger als das langfristige Potenzial einer Idee ist ihnen womöglich die Frage, ob das Start-up Miete und Gebühren zahlen kann.

Durchdachtes Regierungshandeln kann das ändern. In diesem Sinne ist die kürzlich im Senegal gegründete Regierungsbehörde Délégation à l’Entreprenariat Rapide (DER) vielversprechend. Sie betreibt einen öffentlichen Investmentfonds zur Unterstützung von Jungunternehmen.

Auch internationale Entwicklungsagenturen unterstützen Tech-Hubs maßgeblich. 2016 gründete die AFD (Agence française de développement) das Programm Africa Innov. Dieses vergibt unter anderem zinslose Kredite an Start-ups ausgewählter westafrikanischer Tech-Hubs. Das infoDev-Programm der Weltbank hat hunderte Gründerzentren in ganz Afrika geschaffen oder unterstützt. Sie beschäftigen sich mit Klimatechnik, Landwirtschaft und digitalen Apps. Die GIZ kündigte kürzlich eine Partnerschaft mit dem multinationalen Telekommunikationskonzern Orange an, um 30 Millionen Euro in das Orange Digital Center zu investieren. Dieses Gründungs- und Trainingsprogramm wird in 14 Ländern durchgeführt, sieben davon in Westafrika.

Es ist sinnvoll, etablierte Unternehmen des Privatsektors in das System eines Technologiezentrums einzubeziehen, da dies die Reichweite für verschiedene Unternehmensbereiche verbessert. Je besser ein Start-up mit bestehenden Unternehmen verknüpft ist, desto eher werden seine Innovationen genutzt. Auch internationale Vernetzung ist wichtig. Tech-Hubs sollten sich untereinander etwa in Bezug auf ihre Spezialisierung abstimmen. Eine politische Dimension gibt es auch: Tech-Hubs könnten zum Beispiel als Ausgleich für Fördergelder öffentliche Güter bereitstellen und sichern.

Es ist wichtig zu ermitteln, welche Innovationen das größte Potenzial haben, Jobs in anderen Sektoren zu schaffen und somit soziale Integration zu fördern. Dafür ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen, einschließlich Regierungsbehörden und Universitäten, unerlässlich. Afrika braucht digitale Nationen – diese zu bilden wird den Technologiezen­tren nicht allein gelingen.


Ely Manel Faye ist Gründer und CEO von SOLUTRONIQ, einem in Dakar ansässigen Unternehmen, das sich auf Elektronik und das Internet der Dinge (IOT) spezialisiert hat. Er dankt Ndongo Samba Sylla für seine Unterstützung beim Erstellen dieses Artikels.
ely.faye@solutroniq.com

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