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Amerikanischer Journalist beschreibt Milliardärsängste

Arme Menschen werden gründlich erforscht – aber über Superreiche wissen wir wenig. Das Buch eines US-Journalisten bietet interessante Einblicke.
Helikopter auf Luxusyacht 2018 bei Bootsausstellung in Monaco. picture alliance / REUTERS / Eric Gaillard Helikopter auf Luxusyacht 2018 bei Bootsausstellung in Monaco.

Oft heißt es, Superreiche hätten keine Sorgen. Das stimmt nicht. Sie haben nur andere Sorgen als die meisten Menschen. Sie haben auch besonders Anlass, Überfall, Raub, Entführung und Erpressung zu fürchten. Folglich neigen sie dazu, den öffentlichen Raum zu meiden und Leibwächter zu beschäftigen. Sie versuchen auch gern, möglichst unbekannt zu bleiben, damit potenzielle Kriminelle sie nicht finden.

Solche Gedanken beeinflussen auch die Wohnortswahl. Einerseits suchen sie Sicherheit, andererseits brauchen sie Platz für Freizeit, Sport und Hobbies, denn sie bleiben öffentlichen und kommerziellen Angebote nach Möglichkeit fern. Das Ergebnis sind dann oft üppig angelegte, aber festungsartige Villen.  

Michael Mechanic, ein Journalist aus Kalifornien, hat über diese Dinge voriges Jahr das Buch “Jackpot” veröffentlicht. Der programmatische Untertitel lautet “Wie die Superreichen wirklich leben – und weshalb ihr Wohlstand uns allen schadet“. Einige Mitglieder der Zielgruppe ließen sich von ihm interviewen, er stützt sich aber auch auf Auskünfte von Dienstleistern, die für diese Klientel arbeiten, sowie auf die bestehende Literatur, welche aber recht knapp ist. Multimillionäre und Milliardäre wollen nun mal nicht erforscht werden.

Kein Bedarf an staatlichen Dienstleistungen   

Wie Mechanic erläutert, sind finanzstarke Eliten kaum auf staatliche Infrastruktur und Dienstleistungen angewiesen. Sie wollen besser versorgt werden, als das gesetzliche Krankenkassen tun. Der Nachwuchs geht auf Privatschulen.  Steuern bedeuten in ihrer Sicht also, dass ihnen Geld ohne Gegenleistung entzogen wird. Mechanic beschreibt eine auf Transaktionen ausgerichtete Denkweise. Angehörige des Geldadels prüften genau, was sie wofür bekommen. Steuerflucht scheine völlig legitim, aber konventionelle Freundschaften würden wegen des Verdachts, andere wollten nur ihr Geld, schwierig. Wie Mechanic ausführt, müssen sich Superreiche aber Buchhaltern, Rechtsanwälten und anderen Dienstleistern anvertrauen, wobei die Sorge, betrogen zu werden, abermals ständig mitschwinge.  

Mechanic berichtet, Superreiche hielten sich tendenziell für überlegen. Sie hielten ihr Vermögen selbst dann für wohlverdient, wenn es ererbt sei. Ein Verständnis davon, welche gesellschaftlichen Umstände den Erfolg ihrer Sippe ermöglicht hätten, gebe es kaum (siehe Hans Dembowski auf www.dandc.eu). Im Umkehrschluss bedeutet das dann, dass alle, die über weniger Geld verfügten, irgendwie versagt haben müssten.

Superreiche Menschen sind laut Mechanic sehr konkurrenzorientiert. Sie beanspruchten Kontrolle und hätten gern die schickste Superyacht. Transaktionsdenken präge auch ihre Beziehungen zu anderen hochvermögenden Menschen.   

Privilegien und Haltungen

Jeder Mensch ist besonders, wie Mechanic festhält, und nicht alle Superreichen ticken gleich. Einige waren ja auch bereit, sich interviewen zu lassen. Allerdings sind die Geisteshaltungen, die der Journalist beschreibt, plausibel, den sie lassen sich offensichtlich auf Privilegien zurückführen. Er schreibt über die USA, aber anderswo dürfte es ähnlich sein.

In jedem Land stellt die Finanzelite nur einen sehr kleinen, aber auch sehr mächtigen Bevölkerungsanteil. Mechanic nennt viele  Beispiele dafür, wie Gesetze und Bestimmungen in den USA Privilegien sichern, wozu Lobbyismus kräftig beigetragen hat. So hätten etwa republikanische Politiker dafür gesorgt, dass die Steuerbehörde National Revenue Service so wenig Personal habe, dass sie kaum noch funktionstüchtig sei.

Die Kochs, Mercers und Murdochs gehören zu den superreichen Sippen, die seit langem rechtsgerichtete Politiker unterstützen – manchmal sogar unter dem Deckmantel der „Philanthropie“. Ihre Ideologie betont systematisch individuelle Leistung und richtet sich gegen „Bedürftige“ – Angehörige von Minderheiten gern eingeschlossen. Wo die Kluft zwischen der plutokratischen Elite und der restlichen Gesellschaft zu groß wird, leidet das Gemeinwohl Gemeinwohl (siehe Hans Dembowski auf www.dandc.eu). Oligarchenpopulismus gibt es tatsächlich (siehe hierzu Hans Dembowski auf www.dandc.eu).


Buch
Mechanic, M., 2021: Jackpot. How the super-rich really live – and how their wealth harms us all. New York, Simon & Schuster.


Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
euz.editor@danc.eu

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