Menschenrechte

Strengere Kriterien für Textilsiegel

Das staatliche Siegel „Grüner Knopf“ soll auf Textilien hinweisen, die unter guten Bedingungen hergestellt wurden. Die Grundidee ist begrüßenswert, doch die Kriterien sind nicht ambitioniert genug.
Taschen, die mit dem „Grünen Knopf“ ausgewiesen sind. picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild / Britta Pedersen Taschen, die mit dem „Grünen Knopf“ ausgewiesen sind.

Die Textilbranche steht wegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltproblemen seit Langem in der Kritik (zum ökologischen Fußabdruck der Textilindustrie siehe Katja Dombrowski auf www.dandc.eu). In Deutschland existieren mehrere Initiativen, die sich für bessere Produktionsbedingungen einsetzen, etwa das Textilbündnis (siehe Kasten). Im Handel finden sich auf Textilien zahlreiche Siegel, die Verbraucherinnen und Verbrauchern dabei helfen sollen, sozialere und nachhaltigere Kaufentscheidungen zu treffen. Seit September 2019 gibt es hierzulande auch das erste staatliche Textilsiegel: der Grüne Knopf, geschaffen vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Zwei Jahre nach Einführung des Grünen Knopf (GK) sind laut BMZ 78 Unternehmen zertifiziert. Das Siegel prangte bereits auf rund 150 Millionen verkauften Textilien. Beispielsweise sind die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie große Abnehmer für Krankenhäuser und Altenheime, auch die Discounter Aldi und Lidl und die Deutsche Bahn statteten zehntausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit GK-Kleidung aus. Große internationale Modemarken wie C&A, H&M oder Zara sind dagegen noch nicht dabei.

Neues Lieferkettengesetz kommt

Anders als andere Siegel bewertet der GK nicht nur das konkrete Textil-Produkt, sondern auch das dahinterstehende Unternehmen und dessen Einkaufspolitik. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Auch das 2021 verabschiedete Lieferkettengesetz verpflichtet ab 2023 große Unternehmen in Deutschland gesetzlich dazu, ihre Lieferketten verantwortungsvoller zu managen.

Freiwillige Initiativen wie GK oder Textilbündnis haben nur dann einen echten Mehrwert, wenn sie in ihrem Anspruch deutlich über gesetzliche Anforderungen hinausgehen. Auch angesichts des neuen Lieferkettengesetzes sollte der Grüne Knopf seine Kriterien deshalb verschärfen – denn derzeit sind sie nicht anspruchsvoll genug.

Insbesondere deckt das Siegel bislang nicht die ganze Lieferkette der Textilproduktion ab, sondern nur die letzten Stufen der Verarbeitung: die Konfektion und Nassprozesse wie Waschen und Färben. Die katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Spinnereien erfasst es damit ebenso wenig wie Kinderarbeit in der Baumwollernte. Die Siegel-Kriterien beinhalten außerdem bisher nur die Zahlung eines Mindestlohns, nicht aber eines existenzsichernden Lohns. Der Unterschied ist gewaltig: Es ist davon auszugehen, dass der gesetzliche Mindestlohn in den meisten Produktionsländern zwei- bis dreimal so hoch sein müsste wie bisher, um zum Leben zu reichen (siehe Nazma akter auf www.dandc.eu).

Oberflächliche Berichterstattung

Hinzu kommt, dass GK-zertifizierte Unternehmen nur unzureichend öffentlich Bericht erstatten. Das ergab eine Überprüfung der öffentlichen Berichte von 31 Firmen durch die zivilgesellschaftlichen Organisationen FEMNET und Public Eye. Die meisten berichteten nur oberflächlich über Risiken in ihrer Lieferkette und benannten keine konkreten Maßnahmen gegen häufige Menschenrechtsverletzungen wie geschlechtsspezifische Gewalt in Fabriken oder die Behinderung von Gewerkschaftsarbeit.

Auch auf Produktebene besteht Verbesserungsbedarf: Textilien, die den GK tragen, müssen Kriterien anderer Siegel erfüllen, etwa des Fair-Trade-Siegels oder des Global Organic Textile Standard (GOTS). Die Zertifizierung für diese Siegel erfolgt auf Grundlage von Audits, die durch private, gewinnorientierte Firmen in den Fabriken durchgeführt werden. Solche Audits sind aber nicht in der Lage, bestimmte Arbeitsrechtsverletzungen zu erkennen, etwa Diskriminierung von Frauen. In den vergangenen 20 Jahren ist eine massive Sozialaudit-Industrie entstanden, ohne dass es zu wesentlichen Verbesserungen gekommen wäre. Problematisch ist auch, dass diese Produktsiegel teils große Lücken aufweisen. Beispielsweise ist das GOTS-Siegel allenfalls im Umweltbereich vertrauenswürdig, nicht aber in punkto Menschenrechtsstandards.

Grüner Knopf 2.0

Das BMZ hat den GK weiterentwickelt zum „GK 2.0“. Die finale Fassung soll kurz nach Fertigstellung dieses Artikels veröffentlicht werden. Zu den bisher bekannten positiven Veränderungen gehört, dass Unternehmen ihre Lieferkette besser kennen müssen als bisher. So werden zum Beispiel Material- und Fasereinsatz nun ebenfalls überprüft. Zudem müssen Unternehmen die Lücke zwischen derzeitigem und existenzsicherndem Lohn erfassen sowie eine Strategie für Lohnerhöhungen vorlegen. Allerdings sind die Kriterien des GK 2.0 weiterhin nicht anspruchsvoll genug:

  • Auf der Ebene der Produkte ist der GK 2.0 weiterhin auf die bekannten Produktsiegel ausgerichtet und beinhaltet somit deren Schwächen.
  • Existenzsichernde Löhne sind kein Muss, nicht einmal Fortschritte bei der sukzessiven Anhebung sind verpflichtend, sondern nur die Vorlage einer Strategie für Lohnerhöhungen.
  • Unternehmen müssen beim Erstaudit nicht ihre gesamte Lieferkette konkret kennen,
  • Unternehmen sind nicht verpflichtet, ihre Lieferantenliste zu veröffentlichen – dabei tun dies viele Konzerne bereits von sich aus auf ihrer Website.
  • Unternehmen dürfen hinsichtlich Risiken in der Lieferkette eigene Prioritäten setzen; dadurch besteht die Gefahr, dass sie kritische Themen umgehen

Der GK wirbt mit dem Slogan „Sozial. Ökologisch. Staatlich. Unabhängig zertifiziert“ – dabei wird weder ein existenzsichernder Lohn in der Lieferkette gezahlt noch gibt es eine Garantie, dass die Ware ohne Diskriminierung von Frauen oder andere Arbeitsrechtsverletzungen hergestellt wurde. Auch der GK 2.0 garantiert Verbraucherinnen und Verbrauchern keine wesentlichen Verbesserungen in der Lieferkette.

Unterm Strich ist der Anspruch des GK damit zu niedrig. Er sollte dringend erhöht werden – sonst besteht die Gefahr staatlich zertifizierten Greenwashings. Dem wissenschaftlichen Beirat des Grünen Knopfes ist zuzustimmen, wenn er schreibt: „Für die berechtigte Diskussion um das richtige Ambitionsniveau des GK 2.0 sollte im Zweifel ein hohes Ambitionsniveau und eine tiefe Durchdringung der Lieferkette Vorrang haben gegenüber dem Ziel, möglichst vielen Unternehmen eine Kennzeichnung von Produkten mit dem GK 2.0 zu ermöglichen.“


Links

Grüner Knopf:
www.gruener-knopf.de

Recherchebericht: Hält der Grüne Knopf was er verspricht? FEMNET und Public Eye, 2021:
https://femnet.de/download/send/25-csr/274-recherchebericht-haelt-der-gruene-knopf-was-er-verspricht.html

Stellungnahme des BMZ zum Recherchebericht von FEMNET und Public Eye:
https://www.gruener-knopf.de/presse/stellungnahme-des-bmz-zum-bericht-von-femnet-und-public-eye


Gisela Burckhardt ist Vorstandsvorsitzende der zivilgesellschaftlichen Organisation FEMNET, die sich für die Rechte von Frauen im Textilsektor einsetzt.
Gisela.Burckhardt@femnet.de

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