Chronische Krankheit

Teure Diabetes-Mittel

Diabetes trifft arme und reiche Menschen gleichermaßen. Doch wer arm ist, leidet stärker unter den Folgen, insbesondere dort, wo die Gesundheitsversorgung unzuverlässig ist – wie zum Beispiel in Simbabwe.
Diabetes kann zu gravierenden Folgekrankheiten führen – Patientin in einem Krankenhaus in Simbabwe. J. Moyo Diabetes kann zu gravierenden Folgekrankheiten führen – Patientin in einem Krankenhaus in Simbabwe.

Derick Samhindo lebt in Borrowdale Brooke, einem schicken Vorort von Simbabwes Hauptstadt Harare. Der 45-Jährige ist Diabetiker und musste wegen Folgeerkrankungen schon öfter im Krankenhaus behandelt werden. Weil er wohlhabend ist, konnte er sich das leisten.

Seine Ernährung hat er offensichtlich nicht umgestellt. Brooks ist übergewichtig. Viele Diabetiker schaffen es nicht, ihr Gewicht zu reduzieren. Ärzte kennen das Problem. Eine entsprechende Diät erfordert nicht nur Disziplin, sondern auch Zugang zu gesunden Lebensmitteln.

Im Westen von Harare in einem Armenviertel des Vororts Kuwadzana lebt die 52 Jahre alte Linet Mandizvidza. Auch sie ist übergewichtig und Diabetikerin. Seit Jahren ernährt sie sich von Sadza, einem dicken Maisbrei. Da das traditionelle Gericht vor allem Kohlehydrate enthält, sollten Dia­betiker nicht zu viel davon essen. Doch aufgrund der lang anhaltenden Wirtschaftskrise können sich viele Menschen teurere Nahrungsmittel nicht mehr leisten.

Das Geld für ihre Medikamente aufzubringen ist für Mandizvidza eine ständige Herausforderung. „In den öffentlichen Krankenhäusern gibt es für Diabetiker wie mich wenige oder keine Arzneimittel. Ich muss Verwandte, denen es bessergeht, darum bitten, sie mir zu kaufen, damit ich weiterleben kann“, erzählt sie. Mittlerweile leidet Mandizvidza auch an Bluthochdruck, einer typischen Folgekrankheit schlecht behandelter Diabetes.

Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der die Ernährung eine wichtige Rolle spielt. Weil ihr Körper Zucker nicht gut verarbeiten kann, sollten Diabetiker weitgehend auf diesen Süßstoff verzichten sowie den Konsum von Früchten und Kohlehydraten einschränken, die den Blutzucker ebenfalls erhöhen. Nicht behandelte Diabetes hat schwere Folgen für das Herz-Kreislauf-System, die Augen und andere Organe. Herzinfarkt, Blindheit oder Amputationen von Gliedmaßen kommen häufig vor. Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO) schätzt, dass in Folge von Diabetes 2015 mehr Menschen starben an als HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria zusammen.

Auch wenn es eine gewisse genetische Disposition für die Krankheit gibt, spielen Lebensstil und Umweltfaktoren eine bedeutende Rolle. In der Anfangsphase kann Diabetes mit strikter Diät und regelmäßigem Sport kontrolliert werden. Später benötigen Patienten Medikamente wie Metformin. Reicht das nicht aus, müssen sie regelmäßig Insulin spritzen, um den Blutzucker zu kontrollieren. Doch die Weltmarktpreise für das Hormon sind zur Zeit sehr hoch (siehe Max Klein in der Tribüne des E+Z/D+C e-Papers 2020/01).

Früher galt Diabetes als Krankheit der Reichen. Weil aber sowohl die Lebenserwartung als auch die Zahl der Übergewichtigen weltweit steigt, ist Diabetes inzwischen weit verbreitet. In Simbabwe sind offiziellen Statistiken zufolge mehr als ein Drittel der Frauen und 12 Prozent der Männer übergewichtig.

Elvis Norupiri, ein Arzt mit einer Privatpraxis, sagt: „Jeder kann Diabetes bekommen, egal, ob arm oder reich. Aber in Simbabwe essen alle viele Kohlehydrate, und das trägt zur Krankheit bei.“


Zehn Prozent der Bevölkerung

Die Zimbabwe Diabetic Association (ZDA) schätzt, dass 1,4 Millionen Simbabwer oder rund zehn Prozent der Bevölkerung des Landes an Diabetes erkrankt sind. Amtliche Statistiken legen diese Rate ebenfalls nahe, doch genau lässt sie sich nicht benennen. Denn in vielen Fällen wird die Krankheit gar nicht diagnostiziert. Menschen ohne Zugang zu Gesundheitsversorgung erfahren womöglich nie, woran sie leiden.

Die gemeinnützige Organisation ZDA unterstützt eine steigende Zahl von Diabetikern, aber auch Menschen mit einem erhöhten Risiko und deren Angehörige. Um einen einzelnen Diabetiker angemessen zu versorgen, fallen schnell Kosten von umgerechnet 300 Dollar oder mehr im Monat an. In Simbabwe ist das viel Geld.

Kostenträchtig ist vor allem, wenn Insulin benötigt wird. Aber auch andere Medikamente wie Metformin oder Glibenclamide werden teurer. Die Verbraucherpreise sind in Simbabwe laut Internationalem Währungsfonds im vergangenen Jahr um 300 Prozent gestiegen. Die Kaufkraft ist entsprechend gesunken. Dass die Regierung kürzlich eine Erhöhung der Gebühren für öffentliche Gesundheitsdienstleistungen bewilligte, verschlimmert die Situation. Ein Erwachsener zahlt nun umgerechnet 15 Dollar für eine bloße Konsultation beim Arzt. Großenteils gilt das öffentliche Gesundheitswesen zudem als dysfunktional.

Doch das Problem nur Wirtschaft und Staat anzulasten würde zu kurz greifen. Den Diabetologen Jonson Bhebhe aus Harare ärgert, dass „sich die Leute von nährstoffreichen Lebensmitteln abwenden, dick werden und Dinge essen, die ihrer Gesundheit schaden“. Seiner Meinung nach muss eine gesunde Ernährung nicht unerschwinglich sein.

Dass sich Diabetes in Simbabwe ausbreitet, liegt Bhebhe zufolge an der schnellen Urbanisierung und Industrialisierung und an der Umstellung der Ernährung. Der „sitzende Lebensstil“ führe zu weniger körperlicher Betätigung. Auch andere chronische Krankheiten nehmen in Entwicklungsländern zu (siehe Schwerpunkt in E+Z/D+C e-Paper 2018/03).

Die Konsequenz findet der Arzt deprimierend: Allein 2014 seien etwa 17 000 Simbabwer an Diabetes gestorben.


Jeffrey Moyo ist Journalist in Harare, der Hauptstadt Simbabwes.
moyojeffrey@gmail.com

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