Internationale Zusammenarbeit

„Das kann nur gemeinsam gelingen“

Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, spricht sich für einen „Marshallplan mit Afrika“ aus. Im E+Z/D+C-Interview mit Hans Dembowski erläutert er, worum es geht.
Entwicklungsminister Gerd Müller mit Auszubildenden in der Nairobi-Niederlassung des Maschinenbauers Krones. picture-alliance/Brian Otieno/dpa Entwicklungsminister Gerd Müller mit Auszubildenden in der Nairobi-Niederlassung des Maschinenbauers Krones.

Weshalb ist ein Marshallplan mit Afrika ­nötig?
Jedes Jahr kommen in Afrika fast 20 Millionen junge Menschen neu auf den Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige Jobs. Unser Nachbarkontinent dient oft nur als Rohstofflieferant, ein Großteil der Weiterverarbeitung und Wertschöpfung findet woanders statt. Die Entwicklung der Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze sind damit DIE zentrale Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Dafür brauchen wir eine völlig neue Dimension der Zusammenarbeit, und genau darum geht es beim Marshallplan mit Afrika.

Müsste es nicht Marshallplan für Afrika ­heißen?
Eine neue Art der Zusammenarbeit bedeutet: weg von altem „Geber-Nehmer-Denken“. Nötig ist eine Kooperation, die noch mehr als bisher auf beidseitigem Interesse und Willen beruht. Wir brauchen eine Partnerschaft auf Augenhöhe, einen Marshallplan MIT Afrika und nicht FÜR Afrika.

In welchem Maß ist dieser Marshallplan eine deutsche Initiative, und in welchem Maß werden Sie andere Geberländer miteinbeziehen – Afrika steht ja auch auf der G20-Agenda, und die EU arbeitet ihrerseits an einer neuen Afrikapolitik?
Die Zukunft Afrikas ist auch die Zukunft Europas. Europa und die Weltgemeinschaft müssen deshalb umdenken. Mein Konzept für einen Marshallplan mit Afrika ist der Anstoß dazu. Die Bundesregierung hat Afrika erstmals zum Thema der G20 gemacht. Es kann doch nicht sein, dass Afrika durch Steuerflucht und -vermeidung mehr Geld verliert, als es an Entwicklungsgeldern erhält. Das ist eine der Fragen, auf die wir als G20 eine Antwort brauchen. Gemeinsam mit dem Finanzminister veranstalten wir deshalb im Juni eine G20-Afrikakonferenz. Wir reden aber nicht nur, wir handeln. Konkret wollen wir mit reformorientierten afrikanischen Regierungen Investitionspartnerschaften abschließen. Die Europäische Union und die Afrikanische Union vertiefen auf einem gemeinsamen Gipfel im Herbst die Zusammenarbeit weiter.

Welche Bedeutung messen Sie den Aid-Effectiveness-Prinzipien der Global Partnership für Effective Development Cooperation im Sinne der Pariser Erklärung von 2005 bei?
Auf die Wirkung kommt es an. Wir wollen zusammen mit den afrikanischen Staaten dort tätig werden, wo wir für die Menschen am meisten erreichen können. Die Botschaft ist: Kein Euro in korrupte Kanäle! Wir setzen deshalb auf Reformpartnerschaften. Wer sich für Reformen, eine gute Regierungsführung und die Bekämpfung der Korruption einsetzt, den fördern wir stärker als bisher.

Wie sollen die Partnerschaften mit reformorientierten afrikanischen Ländern organisiert werden – ähnlich wie die Budgethilfe, bei der gemeinsam Ziele definiert werden und die Erreichung Monitoring unterliegt?
Als einen ersten Schritt investieren wir 300 Millionen Euro zusätzlich in reformorientierten Ländern, rund 20 Prozent unserer staatlichen Zusammenarbeit mit Afrika. Dabei orientieren wir uns an der Agenda 2063 für nachhaltige Entwicklung der Afrikanischen Union sowie an international anerkannten Indizes wie dem Korruptionsindex von Transparency International oder dem Doing Business Index der Weltbank.

Wer muss mitwirken, damit afrikanische Länder die Nachhaltigkeits-Entwicklungsziele der Agenda 2030 erreichen?
Das kann nur gemeinsam gelingen – mit den afrikanischen Partnern, der Privatwirtschaft und einer starken Zivilgesellschaft. Genau hier setzt ja der Marshallplan an. Wollen wir die nötigen Jobs schaffen, brauchen wir die Wirtschaft. Wir müssen Inves­titionen in Afrika attraktiver machen. Ich denke hier an Risikoabsicherung und steuerliche Anreize. Vor Ort wollen wir mehr in die Ausbildung der jungen Bevölkerung investieren. Klar ist, dass auch die Rahmenbedingungen stimmen müssen. Afrikas Regierungen müssen ihre Hausaufgaben machen und Rechtssicherheit schaffen. In einer globalisierten Welt hängt die Entwicklung Afrikas aber auch von internationalen Spielregeln ab. Dazu gehören neben fairem Handel verbindliche Umwelt- und Sozialstandards und der Stopp von illegalen Finanzströmen aus Afrika. Damit Afrika seine Interessen durchsetzen kann, braucht es eine stärkere Stimme in den internationalen Gremien. Dazu gehört ein Sitz im UN-Sicherheitsrat genauso wie mehr Einfluss in der Welthandelsorganisation.


Gerd Müller ist Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
http://www.bmz.de

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